Zwischenwahlen in den USA - Ein Vergleich der Wahlsysteme

Zwischenwahlen in den USA - Ein Vergleich der Wahlsysteme

Der Unterschied zwischen den Wahlsystemen in Deutschland und den USA

Jüngst ereigneten sich in den USA die spannenden Midterms. In Deutschland müssen wir aber noch lange auf eine nationale Wahl warten. Wir wollen aber die Zwischenwahlen zum Anlass nehmen, die Wahlsysteme in den USA und Deutschland ein wenig zu vergleichen.

Worum geht es?

Vergangene Woche erfolgten in den USA die Zwischenwahlen. Dabei konnten sich die Demokraten in einer sehr knappen Entscheidung die Mehrheit im Senat sichern, da sich die demokratische Senatorin gegen den republikanischen Herausforderer im Schlüsselstaat Nevada zuletzt durchsetzen. Doch bei den Midterms wird neben dem Senat noch die zweite Kongresskammer gewählt: Die Neubesetzung des Repräsentantenhauses. Hier steht die Entscheidung noch nicht, möglicherweise haben hier die Republikaner die Nase vorn.

Midterms, Senat, Kongresskammern, Repräsentantenhaus – das Wahlsystem in den USA kann für uns Beobachter:innen aus Deutschland ganz schön verwirrend sein. Wir wollen die Zwischenwahlen zum Anlass nehmen und das amerikanische und das deutsche Wahlsystem vergleichen.

Die Midterms

Es ist die erste nationale Abstimmung seit der Präsidentschaftswahl 2020: Bei den sogenannten Midterms, also den Zwischenwahlen, wurden alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie rund ein Drittel der Senatsmitglieder neu gewählt. Es wird also über die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kongresskammern – Senat und Repräsentantenhaus – entschieden. Anschließend startet die zweite Hälfte der Amtszeit des Präsidenten.

Senat und Repräsentantenhaus sind dabei strikt zu trennen: Jeder Bundesstaat stellt zwei Senator:innen für den Senat, auf die jeweilige Bevölkerungszahl kommt es nicht an. Die Senator:innen haben grundsätzlich eine Amtszeit von sechs Jahren, welche allerdings verschoben sind. Alle zwei Jahre werden also nur etwa ein Drittel der Senatsplätze neu gewählt.

Die Demokraten kommen nun auf 50 der insgesamt 100 Sitze im Senat. Eigentlich Gleichstand – doch Vizepräsidentin Kamala Harris kann in einer Patt-Situation den Demokraten die erforderliche Mehrheit verschaffen. Für den demokratischen Präsidenten Joe Biden ist das enorm wichtig, denn dem Senat kommt eine besondere Bedeutung in der amerikanischen Politik zu. Der Senat ist es, der über wichtige Personalien auf Bundesebene entscheidet, zum Beispiel über die Besetzung von Richterposten.

Daneben gibt es das Repräsentantenhaus, die zweite Kongresskammer. Die Sitze im Repräsentantenhaus werden in 435 Wahlbezirken vergeben – so viele Sitze gibt es auch. Anders als bei der Wahl der Senator:innen ist diese Wahl der Midterms sehr wohl von der Bevölkerungszahl des Bundesstaates abhängig So haben kleinere Staaten nur einen Vertreter, Kalifornien als bevölkerungsreichster Bundesstaat hingegen 52.

Das Repräsentantenhaus ist maßgeblich an der Gesetzgebung in den USA beteiligt. Außerdem kommen ihm einige Kontrollfunktionen gegenüber dem Präsidenten zu. So kann etwa nur diese Institution ein Amtsenthebungsverfahren einleiten.

Landtagswahlen als deutsche Midterms?

Wie man sieht, sind die Midterms für die politische Führung in den USA sehr wichtig. Man könnte sie geradezu als kleine Präsidentschaftswahl bezeichnen, da die Macht in großem Maße neu verteilt wird. Zudem gibt sie den Stimmungsstand im Land wieder. Bei uns in Deutschland gibt es eine solche Wahl zur „Halbzeit“ des Kanzlers bzw. der Kanzlerin allerdings nicht. Wenn der Bundestag gewählt und die Bundesregierung bestätigt ist, dann verbleibt sie grundsätzlich auch so für die Legislaturperiode.

Mit ein bisschen Fantasie lässt sich aber ein kleiner Vergleich der Midterms mit unseren Landtagswahlen und der damit zusammenhängenden Besetzung des Bundesrats anstellen. Wirklich vergleichbar sind sie aber nicht. Trotzdem: Auch die Landtagswahlen in unseren 16 Bundesländern dienen als eine Art „Stimmungstest“ für die Arbeit der Bundesregierung. Insbesondere die Wahlen in den bevölkerungsreichen Ländern Nordrhein-Westfalen und Bayern werden genau aus Berlin beobachtet. In den Landeswahlen kann sich ablesen lassen, ob die Bevölkerung aktuell mit der Arbeit in Berlin zufrieden ist – oder auch nicht.

Neben diesem „Stimmungstest“ haben die einzelnen Landtagswahlen auch Einfluss auf den Bundesrat, dem „Parlament der Länderregierungen“. Er setzt sich aus den Landesregierungen zusammen, die – je nach Größe – die Mitglieder stellen. Kommt nach einer Landtagswahl also eine neue Regierung an die Macht, muss diese die Mitglieder für den Bundesrat, die wiederum Einfluss im Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene haben.

Gravierender Unterschied: Das Staatsoberhaupt

Abgesehen von diesem (weit hergeholten) Vergleich lassen sich aber besser die Unterschiede zwischen unseren Staatsorganisationssystem feststellen – angefangen an der Spitze, beim Staatsoberhaupt. Gleich haben sie neben ihrem Rang nämlich nur die Bezeichnung als (Bundes-) Präsident. Während Joe Biden die ausführende (exekutive) Gewalt innehat, kommt Frank Walter Steinmeier als unserem Staatsoberhaupt vielmehr (nur) eine repräsentative Aufgabe. Allerdings ist sie nicht auf die repräsentative Funktion begrenzt: Zu denken ist insbesondere an seine Rolle im Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen. Die Frage nach seinem materiellen Prüfungsrecht ist dabei ein echter Examensklassiker!

USA: Mehrheitswahlrecht

Grundverschieden sind auch die beiden Wahlsysteme. In Deutschland wird per Verhältniswahl gewählt, während in den USA das Mehrheitswahlrecht gilt. Widmen wir uns zunächst den USA und ihrem „The winner takes it all”-Prinzip.

Das Mehrheitswahlrecht gilt in den meisten der amerikanischen Bundesstaaten. Bei der vergangenen Präsidentenwahl wurden insgesamt 538 Wahlmänner und -frauen für das sogenannten „Electoral College“ gewählt, das wiederum in einem zweiten Schritt den Präsidenten wählt – gar nicht so unähnlich wie unser Verhältnis von Bundestag – Bundeskanzler:in. Aber: In den USA gilt das „The winner takes it all“-Prinzip. Das bedeutet, dass wenn sich ein Kandidat bzw. eine Kandidatin in einem Bundesstaat durchsetzt, er bzw. sie alle Stimmen der Wahlmänner und -frauen für den Bundesstaat erhält. Wie viele Wahlmänner und -frauen es jeweils gibt, hängt auch hier von der Bevölkerungszahl des Bundesstaates ab. Durch dieses Prinzip kann es sogar dazu kommen, dass am Ende nicht unbedingt die Person gewinnt, die auch die meisten Stimmen erhalten hat. So war es etwa auch 2016: Nach absoluten Stimmen unterlag Donald Trump mit knapp 3 Millionen Wählerstimmen Hillary Clinton. Allerdings fielen mehr Wahlmännerstimmen auf den Republikaner – was ihn schließlich zum Präsidenten machte.

Deutschland: Personalisiertes Verhältniswahlrecht

Hier bei uns gibt es dieses System nicht, stattdessen herrscht das personalisierte Verhältniswahlrecht. Es besteht aus einer Verhältniswahl und einer Mehrheitswahl. Alle wahlberechtigten Personen haben zwei Stimmen, wovon die erste für die Abgeordnetenwahl in den 299 Wahlkreisen genutzt wird. Sie kommen direkt in den Bundestag – „The winner takes it all“. Ein weiterer Teil der Abgeordneten wird über die aufgestellten Wahllisten der jeweiligen Parteien gewählt. Entsprechend der Stimmenanteile, die die Parteien auf sich vereinigen konnten, wird die Anzahl der Abgeordneten bestimmt, die auf den Listen der Parteien als gewählt gelten und somit auch in das Parlament einziehen dürfen.

Und dann gibt es noch die sogenannten Überhangmandate. Sie sind der Grund dafür, wieso unser Bundestag in den vergangenen Legislaturperioden stets gewachsen ist. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktkandidaten in den Bundestag entsenden kann, als ihr gemäß der Anzahl der Zweitstimmen zustehen. Sie müssen ausgeglichen werden, dies geschieht durch die Ausgleichsmandate.

Und wer darf wo wählen?

Abschließend wollen wir unseren kleinen Vergleich der Wahlsysteme mit der Frage der Wahlberechtigung. Hier ähneln sich Deutschland und die USA sehr. In beiden Nationen sind die Bürger.Innen wahlberechtigt, wenn sie das Alter von 18 Jahren erreicht haben. Möglich ist sowohl in den USA als auch in Deutschland dabei die Wahl per Brief. Hier gibt es aber noch einen Unterschied, denn im Gegensatz zu Deutschland müssen sich in den USA die Wähler:innen für die Wahl registrieren. Bei einer deutschen Wahl müssten sich nur Auslandsdeutsche in das Wählerverzeichnis eintragen lassen, wenn sie wählen möchten.