Trotz Kenntnis über Illegalität Schutzwürdigkeit für Online-Glücksspieler
Keine Anwendung des § 817 S. 2 BGB beim illegalen Online-Glücksspiel: Das OLG München sprach sich in einer aktuellen Entscheidung gegen die Kondiktionssperre aus. Damit reiht sich eine weitere Entscheidung zu der umstrittenen Thematik ein.
Worum geht es?
In Deutschland ist der Online-Glücksspielmarkt in den letzten Jahren stark gewachsen – trotz der strengen staatlichen Regulierungen in Form des Glücksspielstaatsvertrags. Dies führte zwangsläufig dazu, dass vermehrt illegale Betreiber das „Glück“ für ihre Kunden suchten. Aber nun wächst eine andere Branche: Die Rechtsberatung. Vermehrt häufen sich die Fälle, in denen Spieler fordern, ihre Verluste erstattet zu bekommen – mit Erfolg. Jüngst haben die deutschen Gerichte begonnen, dass unglückliche Spieler gegen die illegalen Casino-Betreiber Rückzahlungsansprüche haben können.
Hinzu reiht sich nun eine spannende Entscheidung des OLG München, die den bereicherungsrechtlichen Ausschlussgrund des § 817 S. 2 BGB betrifft. In Bayern wurde nämlich entschieden, dass die Verluste auch dann zurückgefordert werden dürfen, auch wenn beim Spieler positive Kenntnis über die Illegalität des Angebots vorlag.
Wie ist die Rechtslage?
Im aktuellen Fall soll ein Spieler rund 18.000 Euro zwischen 2018 und 2020 beim Online-Glücksspiel verloren haben. Sein Geld landete beim Betreiber einer deutschsprachigen Casino-Website mit Sitz auf Malta. Zu dieser Zeit galt noch ein weitreichendes Verbot für Online-Glücksspiel, das sich aus § 4 IV Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) a.F. ergab.
In einer solchen Konstellation hatte etwa das LG Gießen entschieden, dass ein Spieler einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Verluste aus § 812 I S. 1 BGB habe. Der Spieler habe seine Einsätze bei der Betreiberin, die ohne legale Lizenz in Deutschland Online-Glücksspiel anbot, ohne rechtlichen Grund getätigt, so dass der der Leistung zugrundeliegende Vertrag über die Teilnahme am Online-Glücksspiel gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 4 IV GlüStV a.F. nichtig sei.
OLG München verneint Anwendung des § 817 S. 2 BGB
Die letzte Hoffnung für ein illegales Online-Casino, dss einem Rückzahlungsanspruch aus § 812 I S. 1 BGB ausgesetzt ist: Die Kondiktionssperre aus § 817 S. 2 BGB. Der Ausschlussgrund bestimmt, dass eine Rückforderung des Geleisteten dann ausgeschlossen ist, wenn dem Leistenden ebenfalls der gesetzliche Verstoß zur Last fällt. Sprich: Wer ein illegales Angebot annimmt, darf später auch nicht sein Geld zurückfordern. Und hier könnte man argumentieren, dass die Spieler am illegalen Glücksspiel teilnahmen. Greift also § 817 S. 2 BGB?
Das OLG München entschied nun: Nein. Es handelt sich um die erste OLG-Entscheidung zu dieser Thematik. Vorab hatte bereits das LG Gießen aufgrund teleologischer Reduktion eine Anwendung der Kondiktionssperre abgelehnt, das bayerische Gericht schloss sich dem nun an.
Hinweis: In Klausuren wird der § 817 S. 2 BGB häufig am bekannten “Schwarzarbeiter-Fall” geprüft. Das klausurrelevante Problem der Korrektur des § 817 S. 2 BGB haben wir in dieser Lerneinheit für Dich aufbereitet: Problem - Korrektur des § 817 S. 2 BGB (Schwarzarbeiter-Fall)
In dem Beschluss des OLG München heißt es, dass die Kondiktionssperre in einer solchen Konstellation von vornherein außer Anwendung bleiben müsse. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass ansonsten die (teils sehr hohen) Verluste dauerhaft beim illegalen Glücksspielanbieter verbleiben würden. Würde § 817 S. 2 BGB angewendet werden, würde das Verbot des Online-Glücksspiels unterlaufen werden. Es sei daher geboten, die Kondiktionssperre in solchen Fällen nicht eingreifen zu lassen, in denen ein Ausschluss der Rückforderung nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar wäre.
Dies ist dann der Fall, wenn – wie hier – die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen.
Entscheidung klar: Keine Revision
Spannend ist außerdem, dass das OLG München gegen seine Entscheidung keine Revision zugelassen hat. Das ist zwar möglich und auch nicht ungewöhnlich – etwa dann, wenn die Rechtssache aus der eigenen Sicht keine grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist. Da es sich aber um eine Entscheidung bezüglich der umstrittenen Glücksspiel-Thematik handelt, überrascht dies allerdings. Denn die Entscheidung des OLG München ist endgültig – da der Streitwert unter 20.000 Euro liegt, besteht in diesem Fall auch keine Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH (vgl. § 544 II Nr. 1 ZPO).
(OLG München - Beschl. v. 20.09.2022, Az. 18 U 538/22)
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