Nach 11 Jahren doch kein Ende im NSU-Verfahren? Zschäpe legt Verfassungsbeschwerde ein

Nach 11 Jahren doch kein Ende im NSU-Verfahren? Zschäpe legt Verfassungsbeschwerde ein

NSU: Zschäpe scheitert mit Verfassungsbeschwerde

In Karlsruhe hat das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde der verurteilten NSU-Terroristin Beate Zschäpe nicht zur Entscheidung angenommen. Zschäpe hatte versucht, sich gegen die Revisionsentscheidung des BGH zu wehren – die im Beschlusswege erfolgte. Darin sah sie eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör.

Worum geht es?

Vor knapp elf Jahren erfuhr die Öffentlichkeit von den schrecklichen Taten der rechten Terrororganisation „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), vor mehr als vier Jahren wurde Beate Zschäpe zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Und nun scheint die juristische Aufarbeitung der deutschen Gerichte ein Ende gefunden zu haben: In Karlsruhe wurde eine Verfassungsbeschwerde der Haupttäterin Zschäpe, mit der sie sich gegen Entscheidungen des BGH zu wehren versuchte, nicht zur Entscheidung angenommen. Gerügt hatte die 47-Jährige unter anderem eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör.

Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt

Die Verbrechen des NSU sind in der deutschen Nachkriegsgeschichte beispiellos: Zwischen 2001 und 2006 hat die rechte Terrororganisation neun Männer mit Migrationshintergrund ermordet. Außerdem wurde eine Polizistin erschossen, es wurden Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle befangen. Am Ende nahmen sich die Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos das Leben und Zschäpe blieb die einzige lebende Haupttäterin.

Nach einem regelrechten Mammutprozess über fünf Jahre und 437 Verhandlungstage stand das Urteil gegen Zschäpe fest. Sie wurde unter anderem wegen zehnfachen Mordes als Mittäterin zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld vom OLG München festgestellt. Besondere Aufmerksamkeit bekam dabei die Frage, ob Zschäpe Täterin oder Teilnehmerin war. Denn: Es gibt keine Beweise dafür, dass sie selbst an einem der Tatorte war. Das OLG München bejahte jedoch tatortferne Tatbeiträge und stufte sie daher als Mittäterin ein.

BGH verwarf Revision im Beschlusswege – Zschäpe zieht vors BVerfG

Für die Strafverteidigung Zschäpes‘ war dies aber der Angriffspunkt, auf den sie sich vor allem in ihrer Revision vor dem BGH stützten. Damit hatten sie allerdings keinen Erfolg: Die Karlsruher Richter:innen verwarfen die Revision durch Beschluss nach § 349 II StPO.

Nach § 349 II StPO kann der BGH auf einen begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft hin per Beschluss über die Revision entscheiden, nämlich dann, wenn er das Rechtsmittel einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet. Dies scheint hier auch der Fall gewesen zu sein. Die Folge: Es erfolgt keine mündliche Verhandlung, das Urteil ist rechtskräftig.

Doch dagegen legte die Verurteilte Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein.

BVerfG: Keine Verletzung rechtlichen Gehörs

Vor dem BVerfG ist das NSU-Mitglied aber nun gescheitert. Das Karlsruher Gericht nahm ihre Verfassungsbeschwerde nach § 93a II BVerfGG nicht zur Entscheidung an. Die Beschwerdeführerin habe, so das BVerfG, nicht dargetan, dass sie in ihren Rechten auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) verletzt sei.

Wie üblich ging das BVerfG dabei zunächst auf die Bedeutung und Tragweite von Art. 103 I GG ein. Das Recht auf rechtliches Gehör garantiere danach den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie Gelegenheit haben, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern. Aber, so stellte das BVerfG klar:

Aus Art. 103 I GG folgt jedoch nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung.

Vielmehr sei es Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, wie das Recht auf rechtliches Gehör ausgestaltet sein soll. Im strafrechtlichen Revisionsverfahren gebe es dabei die Möglichkeit des § 349 StPO also Entscheidungen im Beschlusswege – und damit ohne mündliche Verhandlung – zu treffen. Dies würde in dieser Form keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, so das BVerfG. Schließlich habe die Beschwerdeführerin Gelegenheit gehabt, sich in ihrer Revisionsbegründung und einer Gegenerklärung zum Antrag der Staatsanwaltschaft (§ 349 II StPO) umfassend zu äußern. Dadurch sei ihrem Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs ausreichend Rechnung getragen worden.

Verteidigung prüft Gang zum EGMR

Nach der Entscheidung des BVerfG soll Zschäpes‘ Verteidigung sich enttäuscht gezeigt haben. Laut Medienberichten solle nun geprüft werden, ob eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verfolgt werden könnte. Doch diesbezüglich könnte das BVerfG dem Vorhaben schon vorweg gegriffen haben, denn die 2. Kammer des Zweiten Senats ging bereits auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ein.

Die Richter:innen führten nämlich aus, dass die oben genannten Maßstäbe zum Recht auf rechtliches Gehör im Einklang mit der EMRK stünden. Diese diene als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte. Der EGMR verlange in seiner ständigen Rechtsprechung zu Art. 6 I EMRK, dem Grundrecht auf ein faires Verfahren, zwar grundsätzlich die Durchführung einer Verhandlung, so das BVerfG. Bezüglich Rechtsmittelverfahren gelte aber eine Einschränkung: Wenn in erster Instanz bereits eine öffentliche Verhandlung stattgefunden habe, kann es gerechtfertigt sein, dass von einer weiteren mündlichen Verhandlung in der zweiten oder dritten Instanz abgesehen wird. § 349 II StPO sei daher im Einklang mit der EMRK.

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