Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Leistung des Verkäufers nach Weiterveräußerung
A. Sachverhalt
Der Kläger begehrte von der Beklagten Schadensersatz aufgrund der Nichtlieferung eines verkauften Traktors. Die Beklagte verkauft u.a. Landmaschinen und Traktoren sowie Baumaschinen und Anhänger. Am 22.08.2013 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über einen Traktor “Mahindra 404” zu einem Preis in Höhe von 6.999,00 EUR. Dabei handelte es sich um ein auf dem Hof der Beklagten stehendes Neufahrzeug, das der Kläger ausgewählt hatte. Der Traktor durfte im Straßenverkehr nicht genutzt und es konnten keine Papiere vorgelegt werden. Die Abholung war für den 30.09.2013 vereinbart, zu der es trotz eines regen Austauschs der Parteien bis ins Jahr 2016 niemals kam.
Am 24.08.2016 veräußerte die Beklagte den Traktor an einen Dritten.
Im Dezember 2018 hat der Kläger gegen die Beklagte eine Schadensersatzklage vor dem Amtsgericht Schwelm erhoben. Dabei hat er seiner Schadensberechnung den gezahlten Kaufpreis, dessen Höhe im Einzelnen streitig war, abzüglich bestimmter Positionen zugunsten der Beklagten zugrunde gelegt.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch aufgrund der Einrede der Verjährung nicht mehr durchsetzbar sei. Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Landgericht Hagen (Westfalen) eingelegt.
B. Überblick
Nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer Eigentum und Besitz an der gekauften Sache zu verschaffen. Wird ihm das unmöglich, erlischt diese Verpflichtung (§ 275 Abs. 1 BGB), er hat dann aber auch keinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung (§ 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB). Hat der Käufer den Kaufpreis bereits bezahlt, kann er ihn vom Verkäufer zurückverlangen (§ 326 Abs. 4 BGB). Ist dem Käufer aufgrund der Nichtleistung ein Schaden entstanden, weil er beispielsweise die Sache nunmehr für einen höheren Preis bei einem Dritten erwerben muss, kann er unter den Voraussetzungen der §§ 283, 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen.
C.Entscheidung
Das Landgericht Hagen hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283, 249 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Die Beklagte habe ihre kaufvertragliche Pflicht zur Lieferung des Traktors verletzt, indem sie diesen an den Dritten veräußerte. Dadurch sei der Beklagten die Übereignung an den Kläger unmöglich geworden.
Im Folgenden werden nur die wesentlichen Prüfungspunkte der Entscheidung dargestellt.
- Es komme zunächst darauf an, ob es sich bei der Lieferpflicht der Beklagten um eine Stück- oder eine Gattungsschuld gehandelt habe, denn im letzteren Fall könnte die Beklagte ihre Leistungspflicht durch die Übereignung eines anderen Traktors derselben Modellreihe weiterhin erfüllen.Da sich der Kläger einen bestimmten Traktor, der auf dem Hof der Beklagten stand, ausgesucht habe, und nicht etwa nur abstrakt einen Traktor des streitgegenständlichen Modells, geht das Gericht von einer Stückschuld aus. Es komme deshalb auch nicht auf die von der Beklagten behauptete Entkonkretisierung an, weil diese nur bei einer konkretisierten Gattungsschuld nach § 243 Abs. 2 BGB relevant sei.Sodann setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, ob die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungsschuld mittlerweile bedeutungslos geworden sei, nachdem der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs dies in seinem Hinweisbeschluss vom 8.1.2019 (VIII ZR 225/17) für die Frage der Unmöglichkeit der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB so gesehen habe. Das Landgericht Hagen ist jedoch der Auffassung, dass sich das nicht auf das allgemeinen Schuldrecht übertragen lasse. Insoweit hat es allerdings die Revision zugelassen. Zur Begründung führt es aus:
„Das besondere Schuldrecht findet hier aber mangels Übergabe der Sache keine Anwendung. Dass die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf über die Auslegung des § 439 BGB hinaus insgesamt entfallen sollte, obwohl diese ausweislich gesetzlicher Regelungen wie § 243 Abs. 1, 2 BGB weiterhin von Belang ist, ergibt sich weder aus dem Hinweisbeschluss noch aus der Gesetzesbegründung. Im Gegenteil stehen die Tendenzen, den sich aus den Besonderheiten des § 439 Abs. 1 BGB ergebenden weiteren Pflichtenkreis des Schuldners auf die Anwendung des § 275 BGB insgesamt zu übertragen, nicht im Einklang mit den Vorstellungen des Gesetzgebers und fügen sich - de lege lata - auch nicht bruchlos in das von der Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungsschuld geprägte allgemeine Schuldrecht, das hier Anwendung findet, ein (vgl. NK-BGB/Barbara Dauner-Lieb, 3. Aufl. 2016, BGB § 275 Rn. 18, 30).“
Sodann stellt das Gericht die rechtliche Unmöglichkeit der Leistung durch die Veräußerung fest. Der Verkauf der geschuldeten Sache an einen Dritten indiziere die Unmöglichkeit, so dass es Sache des Verkäufers sei, vorzutragen und ggf. nachzuweisen, dass ihm die Übereignung weiterhin möglich sei, weil er gegenüber dem Dritten zum Rückerwerb berechtigt sei. Hierzu habe die Beklagte jedoch trotz Hinweises durch das Gericht nichts vorgetragen.
In Bezug auf die Schadenshöhe stellt das Gericht zunächst fest, dass der Kläger berechtigt sei, seinem Schaden den gezahlten Kaufpreis zugrunde zu legen. In dem Begehren sei zugleich eine konkludente Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) zu sehen, die den Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis im Sinne des § 346 BGB mit entsprechenden Rechten und Pflichten gewandelt habe. Der Rücktritt richte sich nach § 326 Abs. 5 BGB. Es sei deshalb unerheblich, dass der Kläger der Beklagten keine Nacherfüllungsfrist gesetzt habe. Der Rücktritt sei auch nicht nach § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Bereits in unverjährter Zeit habe der Sohn des Klägers der Beklagten mit der Ansage „Geld zurück oder einen anderen Traktor“ deutlich gemacht, dass sich der Kläger vom Vertrag lösen wolle. Auch die Veräußerung an den Dritten sei vor Ablauf der Verjährungsfrist des Primäranspruchs am 31.12.2016 erfolgt.
Der Anspruch des Klägers sei auch durchsetzbar, danicht verjährt. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung beginne die Verjährung des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung nicht zugleich mit der des Primäranspruchs. Vielmehr sei der Schadensersatzanspruch verjährungsrechtlich als eigenständiger Anspruch zu betrachten, der frühestens mit der Pflichtverletzung und ggf. den weiteren Voraussetzungen der §§ 281-283 BGB entstehe. Dies begründet das Gericht wie folgt:
„Die Auffassung, die den Schadenersatz statt der Leistung mit dem Leistungsanspruch verjähren lassen will, überzeugt die Kammer nicht. Sie wird - wohl vornehmlich mit Blick auf § 281 BGB - mit der Besorgnis begründet, dass der Gläubiger es sonst in der Hand hätte, durch eine Fristsetzung kurz vor Verjährung des Leistungsanspruches die Verjährungsfrist zu verdoppeln. Diese Möglichkeit besteht aber bei einem Schadensersatz statt der Leistung wegen Unmöglichkeit nicht, denn eine Fristsetzung ist nicht erforderlich und jedenfalls im vorliegenden Falle, war es die Beklagte, die die Unmöglichkeit der Leistung herbeigeführt hat. Auch hat der Gesetzgeber lediglich den Rücktritt für ausgeschlossen erachtet, wenn der Leistungsanspruch verjährt ist, § 218 BGB. Für Schadensersatzansprüche fehlt es an einer solchen Regelung, ohne dass im Zuge der umfänglichen Neuregelung der Sekundärrechte belastbare Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine entsprechende Regelung für Schadensersatzansprüche statt der Leistung übersehen worden wären, so dass die Anwendungsvoraussetzungen einer Analoge nicht gegeben sind.“
- Einen weitergehenden Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlöses habe der Kläger dagegen nicht. Ein Anspruch aus § 285 BGB bestehe zwar, bleibe in der Höhe aber hinter dem ausgeurteilten Betrag zurück. GoA-Ansprüche würden daran scheitern, dass die Veräußerung kein für die Beklagte fremdes Geschäft gewesen sei, da sie mangels Übereignung an den Kläger noch Eigentümerin des Traktors gewesen sei. Daran würde auch ein Anspruch aus §§ 989, 990 BGB scheitern, denn es fehle an der Vindikationslage. Die Veräußerung stelle auch keine Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB dar. Bereicherungsrechtliche Ansprüche bestünden ebenfalls nicht. Eine Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB scheide aus, da die Beklagte den Veräußerungserlös durch Leistung des Dritten und auf der Grundlage eines wirksamen Kaufvertrages erlangt habe. Für einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB fehle es an der Verfügung eines Nichtberechtigten, für Abs. 2 darüber hinaus an der Berechtigung des Klägers.
D. Examensrelevante Fragen
Der Fall hat alles, um zum Gegenstand einer Prüfungsarbeit gemacht zu werden. Deshalb sollen die wichtigsten Punkte noch einmal zusammengefasst werden:
Die Abgrenzung der Stück- von der Gattungsschuld gehört seit jeher zum notwendigen Schuldrechtswissen. Mittlerweile muss aber ebenso bekannt sein, dass sie der BGH bei der Frage, ob der Verkäufer einen Mangel der gelieferten Sache durch eine gleichartige und gleichwertige Ersatzleistung beheben kann, für unerheblich hält. Es soll vielmehr darauf ankommen, ob die Vertragsbeteiligten die konkrete Leistung nach dem Vertragszweck und ihrem erkennbaren Willen als austauschbar angesehen haben. Diese Auffassung hat der BGH zuletzt in dem vom Landgericht Hagen zitierten Hinweisbeschluss vom 8.1.2019 (VIII ZR 225/17) erläutert. Die Lektüre dieses Beschlusses ist deshalb dringend zu empfehlen.Ob das auch gilt, wenn es bereits um die Unmöglichkeit der ursprünglichen Leistungspflicht geht, hatte der BGH dagegen noch nicht zu entscheiden. Das Landgericht Hagen hat das in der unter C. wörtlich zitierten Passage verneint. Es bleibt abzuwarten, ob die Beklagte die zugelassene Revision tatsächlich einlegt und es damit zu einer Entscheidung des BGH über diese Frage kommt. Bis dahin sollte zumindest das Problem bekannt sein und in einer Klausur auch erkannt werden. Vertretbar sind selbstverständlich beide Auffassungen. Wenn der Verkäufer mit einer gleichwertigen Sache nacherfüllen darf, könnte das auch für die ursprüngliche Erfüllungspflicht gelten.
Verlangt der Käufer vom Verkäufer Schadensersatz statt der Leistung wegen Unmöglichkeit kann er seinen Schaden nach der Surrogationstheorie oder der Differenztheorie berechnen. Bei der Surrogationstheorie bleibt er zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, die allerdings mit dem Wert der Gegenleistung und weiteren Schäden verrechnet werden kann. Bei der Differenztheorie wird ihm grundsätzlich nur die Wertdifferenz zwischen seinem positiven Interesse und der von ihm nicht mehr zu erbringenden Kaufpreiszahlung erstattet. Will der Käufer dagegen auch den bereits gezahlten Kaufpreis erstattet bekommen, muss er vom Kaufvertrag zurücktreten. Sein Rücktrittsrecht folgt aus § 326 Abs. 5 Halbs. 1 BGB. Die Rücktrittserklärung kann bereits in dem entsprechenden Schadensersatzbegehren liegen. Die für einen wirksamen Rücktritt grundsätzlich erforderliche Fristsetzung ist bei Unmöglichkeit der Leistung entbehrlich (§ 326 Abs. 5 Halbs. 2 BGB).
Ein Rücktrittsrecht kann nicht verjähren, da es sich dabei nicht um einen Anspruch iSv § 194 BGB, sondern um ein Gestaltungsrecht handelt. Allerdings folgt aus § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit des Rücktritts, wenn der Anspruch auf Leistung bzw. Nacherfüllung verjährt ist. Das gilt auch bei Unmöglichkeit (Satz 2).
Es ist umstritten, ob die Verjährung des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung bereits mit derjenigen des Primäranspruchs auf Übereignung der Kaufsache beginnt oder erst mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des Ersatzanspruchs.
Dabei ist zunächst zu beachten, dass die Ansprüche aus § 433 BGB der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB unterliegen und nicht wie die Nacherfüllungs- und Gewährleistungsansprüche aus § 437 Nr. 1 und 2 BGB nach § 438 BGB verjähren. Die Regelverjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Schadensersatzansprüche entstehen grundsätzlich mit Schadenseintritt.
Trotzdem wird vertreten, dass der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung einheitlich mit dem Primäranspruch entstehe, also zu einem Zeitpunkt, in dem noch kein Schaden eingetreten ist. Dies wird mit der Identität des Gläubigerinteresses begründet. Zudem bestünde für den Käufer die Möglichkeit der „Flucht in den Schadensersatz“, wenn er dem Verkäufer erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist des Primäranspruchs eine Nachfrist setzt, nach deren Ablauf zurücktritt oder Schadensersatz verlangt und damit eine neue Verjährungsfrist in Gang setzen könnte. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts Hagen wird diese Auffassung auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten (OLG Karlsruhe 4 U 149/13 für einen nahen Mangelfolgeschaden im Werkvertragsrecht).
Die Gegenauffassung, die sich vorrangig auf die höchstrichterliche Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform beziehen kann (vgl. BGH VIII ZR 149/98), weist darauf hin, dass ein Anspruch denklogisch nicht entstehen könne, bevor dessen Voraussetzungen vorliegen. Zudem könne der Schuldner die „Flucht in den Schadensersatz“ relativ leicht dadurch verhindern, indem er rechtzeitig leiste.
E. Weiter Hinweis für das zweite Examen
Der Beklagte hat zunächst hilfsweise die Aufrechnung mit Gegenansprüchen erklärt, diese aber später zurückgenommen. Eine solche Konstellation war erst vor kurzem Gegenstand einer Entscheidungsbesprechung (BGH: Rücknahme einer Hilfsaufrechnung, Beschluss vom 25.03.2020, Az: XII ZR 29/19), die am besten einmal nachgelesen werden sollte.
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