EuGH kippt anlasslose Vorratsdatenspeicherung
Mehrmals waren die auf Eis gelegten Regelungen zur deutschen Vorratsdatenspeicherung schon Thema beim EuGH. Nach einer Reihe von Entscheidungen steht nun fest: Sie verstößt gegen europäisches Recht. Doch nicht nur damit bleibt der EuGH seiner Linie treu, denn Ausnahmen sollen weiterhin möglich bleiben.
Worum geht es?
Es hatte sich angebahnt: In Luxemburg haben die europäischen Richter:innen entschieden, dass die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht verstoßen. Das bedeutet allerdings nicht ihr komplettes Aus, denn der EuGH gab gleichzeitig den Rahmen vor, unter welchen strengen Voraussetzungen doch auf Vorrat gespeichert werden dürfe. Die aktuell auf Eis gelegte Regelung aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG) soll nun aber erstmal komplett gestrichen werden.
Vorratsdatenspeicherung als ewiges Streitthema
Damit beendet der EuGH vorerst den Streit um die umstrittene Regelung. Zum dritten Mal hat sich der EuGH bereits mit der deutschen Regelung befasst, dazu kommen Regelungen aus den anderen Mitgliedstaaten, die das europäische Gericht untersuchen musste. Verwundern tut dies nicht, denn die Vorratsdatenspeicherung ist nicht nur in Deutschland umstritten.
In Deutschland sind die Regelungen aus dem TKG seit 2017 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken auf Eis gelegt. Das Instrument aus dem Jahr 2015 sollte im Kampf gegen Terrorismus und schwere Kriminalität Anbieter von elektronischen Kommunikationsstellen dazu verpflichten, bestimmte Verbindungsdaten zu speichern, um sie den Strafverfolgungsbehörden dann in bestimmten Fällen zugänglich machen. Da niemand genau zu sagen vermag, wer und wann schwere Straftaten verüben wird, sollte die Speicherung daher allgemein erfolgen – ohne Anlass und unterschiedslos.
Das stößt bei Vielen auf Bedenken und wird als schwerwiegender Eingriff in Grundrechte bezeichnet. Die Vorratsdatenspeicherung wird daher von ihren Kritiker:innen als ein unzulässiges Mittel der Überwachung strikt abgelehnt. Geklagt hatte daher die Telekom Deutschland und Spacenet, zwei private Provider, die von der Speicherpflicht betroffen sind. Nun steht fest: Sie waren erfolgreich. Nachdem sich der EuGH bereits vergleichbaren Regelungen wie beispielsweise aus Irland gewidmet hatte, erklärte er die deutsche Regelung nun für unvereinbar mit europäischem Recht.
EuGH bleibt seiner Linie treu
Die Entscheidung aus Luxemburg überrascht dabei nicht. Der Ausgang sei gerade aufgrund der vorherigen europäischen Entscheidungen zu erwarten gewesen, heißt es. Nun aber ist es offiziell: Das Unionsrecht steht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten grundsätzlich entgegen. Durch die deutschen Regelungen aus dem TKG könnten durch die gespeicherten Verkehrs- und Standortdaten starke Rückschlüsse auf das Privatleben der Bürger:innen geschlossen werden. Anhand der Daten dürften etwa die ausgeübte Tätigkeit und soziale Beziehungen deutlich werden. Dies stellt für den EuGH einen zu starken Eingriff in die Privatsphäre dar.
Ausnahmen möglich
Allerdings stehe das Unionsrecht einer solchen Datenspeicherung „nur“ grundsätzlich entgegen. Ausnahmen bleiben damit möglich. Auch das überrascht nicht, schließlich hatte auch hier der EuGH in seinen vorherigen Entscheidungen durchblicken lassen, seiner ständigen Rechtsprechung treu zu bleiben.
Der deutsche Gesetzgeber verfüge danach über einen gewissen Spielraum, um die Vorratsdatenspeicherung aufrechtzuerhalten. Sie dürfe dabei aber nicht anlasslos sein. Vielmehr gab der EuGH direkt den Rahmen vor, wann eine solche Speicherung möglich sei. Grundlegende Bedeutung komme dabei dem Schutz der nationalen Sicherheit zu. So dürfe zum Schutze der nationalen Sicherheit allgemein und unterschiedslos eine Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten erfolgen, wenn sich der Mitgliedstaat einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit gegenübersieht. Allerdings müsse für eine solche Regelung eine gerichtliche Kontrolle erfolgen und ein begrenzter Zeitraum eingehalten werden.
Eine andere Möglichkeit für die Vorratsdatenspeicherung soll nach europäischer Rechtsauffassung die Bekämpfung von Schwerstkriminalität sein. Dabei müssten aber einschränkend bestimmte Kriterien auf betroffene Personen oder einen geografischen Raum angewendet werden. Seien diese bestimmt, könne auch dann eine „gezielte“ Vorratsdatenspeicherung erfolgen.
Kommt eine neue Regelung?
Nachdem die Vorratsdatenspeicherung damit über Jahre auf dem Tisch der europäischen Richter:innen lag, muss sich nun der deutsche Gesetzgeber wieder mit ihr befassen. Bundesjustizminister Marco Buschmann äußerte sich nach der Entscheidung via Twitter und sprach von einem „guten Tag für die Bürgerrechte“:
Wir werden die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen.
Ob eine Neuregelung ganz nach den europäischen Leitlinien folgt, bleibt abzuwarten. Bereits vor dem Urteil hatte die Bundesregierung angekündigt, die Vorratsdatenspeicherung reformieren zu wollen. Wie genau, sei wohl noch nicht klar. Insbesondere Bundesinnenministerin Nancy Faeser sei für das Instrument im Kampf gegen Schwerstkriminalität. Eine solche Regelung sei auch nach den Vorgaben des EuGH möglich. Ob und wenn ja, in welcher Ausgestaltung eine Reform der Vorratsdatenspeicherung, bleibt also noch abzuwarten.
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen