OLG Zweibrücken: Wann sind Aufnahmen von Polizeieinsätzen strafbar?

OLG Zweibrücken: Wann sind Aufnahmen von Polizeieinsätzen strafbar?

Dürfen Polizeieinsätze in Bild und Ton aufgenommen werden? Amts- und Landgerichte haben dies bislang unterschiedlich entschieden

Während einer nächtlichen Polizeikontrolle filmte die Angeklagte mit ihrem Smartphone mit. Anschließend wurde das Telefon sichergestellt – hat sie sich wegen § 201 StGB strafbar gemacht? Die Frage, ob Polizeieinsätze aufgenommen werden dürfen, ist heiß diskutiert. In Zweibrücken hat nun das erste OLG zu der Thematik entschieden.

Worum geht es?

Das OLG Zweibrücken ist das erste OLG, das sich mit einer äußerst umstrittenen Rechtsfrage befasst hat. Bislang hatten nur verschiedene Amts- und Landgerichte Verfahren über ein solches Fallszenario zu entscheiden. Dabei ist das Thema angesichts von Diskussionen über Polizeigewalt höchst aktuell – und damit auch prüfungsrelevant. Wann sind Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen strafbar?

Polizeikontrolle in der Nacht

Es ging um einen Vorfall von Ende Mai 2020. Damals galten gerade die ersten Coronamaßnahmen für die Allgemeinheit und die Behörden kontrollierten ihre Einhaltung in der Öffentlichkeit. Gegen 3 Uhr morgens führten Polizeibeamte an der Fachhochschule in Kaiserslautern eine Kontrolle von knapp 20 Personen durch, die sich in der Nähe befanden. Während die Beamten die Personalien der Personen feststellten, soll die Angeklagte den Einsatz mit ihrem Smartphone gefilmt haben. Die Kamera soll dabei auf den Boden gerichtet gewesen sein, sie nahm also vor allem den Ton des Einsatzes auf. Insbesondere soll sie keine Portraitaufnahmen gemacht haben.

Ihre Aufnahme soll knapp 40 Minuten dauern, bei der sämtliche Gespräche – also die von den kontrollierten Personen untereinander, von den Polizeibeamt:innen untereinander und gemischt – aufgenommen wurden. Von der Polizei sei sie dann aufgefordert worden, das Filmen zu unterlassen und das Video zu löschen, doch sie weigerte sich. Anschließend wurde die Sicherstellung ihres Telefons angeordnet und durchgesetzt, gegen die sie sich vergeblich wehrte.

OLG Zweibrücken muss sich inzident mit § 201 StGB befassen

Vor dem AG Kaiserslautern wurde sie zunächst wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung verurteilt. Dagegen wendete sie sich nun vor dem OLG Zweibrücken mit ihrer Sprungrevision. Besonders spannend ist die Entscheidung des OLG nun aus folgendem Gesichtspunkt:

Im Rahmen der Strafbarkeit nach § 113 StGB muss das Gericht inzident prüfen, ob die Diensthandlung der Vollstreckungsbeamten rechtmäßig war oder nicht. Die Diensthandlung ist hier die Sicherstellung des Smartphones der Angeklagten. Eine Sicherstellung ist aber nur unter bestimmten Umständen gerechtfertigt – etwa, wenn es ein Beweismittel im Strafverfahren sein könnte. Und das wäre der Fall, wenn ihre Aufnahmen strafbar sein könnten. Jetzt kommt der Streit um § 201 StGB „ins Spiel“.

§ 201 StGB – Wie ist die Rechtslage?

Nach § 201 I StGB macht sich strafbar, wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Zu solchen Aufnahmen ist theoretisch jede beziehungsweise jeder in der Lage, da das Smartphone mit Kamera in den letzten Jahren zum treusten Begleiter wurde. Binnen Sekunden kann eine Aufnahme gestartet werden. Gerade aufgrund von aufsehenerregenden Polizeieinsätzen wird rechtlich darüber gestritten, ob solche Polizeieinsätze aufgenommen werden dürfen oder nicht.

§ 201 StGB schützt laut seiner Überschrift die Vertraulichkeit des Wortes. Es können also nur Tonaufnahmen unter seinen Anwendungsbereich fallen, nicht hingegen Filmaufnahmen. Rechtlich schwierig ist es aber nicht zu entscheiden, ob es sich nun um eine Ton- oder um eine Filmaufnahme handelt. Rechtlicher Dreh- und Angelpunkt ist vielmehr die Frage, was „nichtöffentlich“ im Sinne des § 201 StGB bedeutet.

Hinsichtlich Polizeieinsätzen in der Öffentlichkeit ist dies strittig. Einige Rechtswissenschaftler:innen befürworten etwa, dass die Norm überhaupt nicht auf Polizeieinsätze in der Öffentlichkeit passe. Der Polizeirechtsprofessor Markus Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei etwa vertritt:

Ich halte diese Vorschrift schon von ihrer Grundausrichtung her für nicht anwendbar auf Gespräche zwischen Polizeibeamten im Einsatz.

Argumentiert wird dabei mit dem Begriff der „faktischen Öffentlichkeit“. Dabei handele es sich um eine Situation, in der weitere Personen (theoretisch) von einem öffentlichen Ort aus das Ereignis hätten bemerken und wahrnehmen können. Gesprochene Worte in der „faktischen Öffentlichkeit“ würden daher nicht unter § 201 StGB fallen. Diese Auffassung etwa vertritt auch das LG Osnabrück.

OLG Zweibrücken: Anfangsverdacht für § 201 I StGB (+)

Anders hingegen sahen es die Richter:innen vom OLG Zweibrücken. Es ist die erste Entscheidung eines OLG in dieser Thematik und nach einer Mitteilung des Gerichts lautet sie:

Vorliegend sei ein begründeter Anfangsverdacht hinsichtlich eines Vergehens nach § 201 I Nr. 1 StGB zu bejahen.

Das Gericht sieht also in der Tonaufnahme des Einsatzes bei der Fachhochschule in Kaiserslautern zumindest schonmal den Schutzbereich der Norm berührt. Zwar führte das Gericht selbst aus, dass die Frage nach der Nichtöffentlichkeit noch nicht abschließend geklärt sei. Im vorliegenden Fall sei aber von nichtöffentlich gesprochenen Worten auszugehen – auch nicht von einer „faktischen Öffentlichkeit“.

Als Argumente führte das Gericht an, dass die Polizeikontrolle zu nächtlicher Stunde (ab 03:04 Uhr) in einem begrenzten Bereich (an einem Teich nahe der Fachhochschule) stattgefunden habe. Es sei daher aus Sicht der sprechenden Personen gerade nicht damit zu rechnen gewesen, dass weitere Personen zuhören. Es handele sich also um nichtöffentlich gesprochene Worte, die unter § 201 StGB fallen würden.

Da der Anfangsverdacht von § 201 StGB bestätigt wurde, lehnte es die Sprungrevision gegen die Entscheidung des AG Kaiserslautern als unbegründet ab. Damit bleibt es bei der Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung.