BGH wendet sich an EuGH: Auf welchen Zeitpunkt kommt es beim Reiserücktritt an?

BGH wendet sich an EuGH: Auf welchen Zeitpunkt kommt es beim Reiserücktritt an?

Wann ist ein kostenloser Reiserücktritt möglich?

Ein Reisender stornierte noch vor Reisebeginn seinen Urlaub. Doch nur wenige Wochen später wäre der Urlaub in Japan aufgrund eines Einreiseverbots wegen Corona ohnehin nicht möglich gewesen. Nun verlangt er seine gezahlten Stornokosten zurück. Der BGH kann die Frage danach aber nicht allein beantworten.

Worum geht es?

Ein Urlaub kann eine kostspielige Angelegenheit sein. Dazu kommen die verschiedenen Akteure wie die Fluggesellschaft, das Hotelgewerbe, vielleicht ein Reisebüro – und natürlich der oder die Reisende. Kein Wunder, dass der Gesetzgeber Pauschalreiseverträge gesetzlich regeln wollte. Passend im Sommer 2000 traten die §§ 651a ff BGB in Kraft.

Doch nun weiß selbst der BGH bei einer Frage aus dem Reiserecht nicht weiter: Es geht um den Reiserücktritt einer Japanreise und entsprechende Stornokosten. Allerdings wäre die Reise so oder so unmöglich gewesen, da nur wenig später coronabedingt ein Einreiseverbot erging. Auf welchen Zeitpunkt ist nun abzustellen?

Pauschalurlauber storniert Japanreise

Der Kläger buchte bei der Beklagten im Januar 2020 eine zehntägige Japan-Reise zu einem Gesamtpreis von 6.148 Euro. Kurz darauf zeigten sich allerdings die ersten Auswirkungen der Coronapandemie: In Japan waren Anfang Februar 2020 Schutzmasken ausverkauft, Ende Februar schlossen große Vergnügungsparks und Großveranstaltungen wurden abgesagt. Zudem beschloss die japanische Regierung Schulschließungen bis mindestens Anfang April. Aufgrund dieser Ereignisse trat der Kläger am 1. März 2020 von seiner Reise zurück. Die Beklagte berechnete ihm dafür Stornokosten in Höhe von 25 Prozent, also rund 1.500 Euro, die der Kläger bezahlte.

Doch am 26. März 2020 erging für Japan ein Einreiseverbot. Hätte der Kläger seine Reise nicht selbst storniert, wäre sie also unmöglich geworden. Er verlangte daher von der Beklagten die Rückzahlung seiner Stornokosten – und wirft damit nun Fragen vor dem BGH auf.

Auf welchen Zeitpunkt kommt es bei § 651h an?

Entscheidend für den Rechtsstreit ist § 651h BGB, der den Rücktritt vor dem Reisebeginn regelt. Nach § 651h I BGB kann der Reisende grundsätzlich jederzeit vom Pauschalreisevertrag zurücktreten. Dafür kann der Reiseveranstalter aber eine angemessene Entschädigung verlangen – die sogenannten Stornokosten (§ 651h I 3 BGB). Allerdings kann der Entschädigungsanspruch des Veranstalters ausgeschlossen sein, wenn § 651h III BGB einschlägig ist. Dies ist der Fall, wenn am Reiseziel unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen.

Angenommen, der Reisende im vorliegenden Fall hätte die Reise storniert und ein Einreiseverbot wäre nicht erlassen worden, dann würden die Parteien sich nun wahrscheinlich nicht streiten. Doch das nach seinem Reiserücktritt erlassene Einreiseverbot wirft nun die Frage auf, auf welchen Zeitpunkt es ankommt: Ausschließlich auf den der Rücktrittserklärung? Oder kann bzw. muss auch die spätere Entwicklung berücksichtigt werden?

Diese Frage ist schon länger umstritten. Hier etwa hat das LG München I auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abgestellt. Es habe angenommen, führt der BGH aus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Zeitpunkt des Rücktritts am 1. März 2020 noch nicht hinreichend wahrscheinlich gewesen sei.

BGH wendet sich an EuGH

Dies sieht der BGH allerdings anders. Zumindest hält das Karlsruher Gericht die Beurteilung durch das LG München I deswegen für fehlerhaft, weil es sich nicht mit der Frage befasst habe, ob die ungewöhnliche Art und Anzahl der bis zur Rücktrittserklärung in Japan getroffenen Maßnahmen nicht etwa doch schon hinreichende Anhaltspunkte begründen würden. Um dies aber abschließend klären zu können, müsste die Sache an das LG München I zurückverwiesen werden.

Vorher geht die Sache aber nicht nach München, sondern nach Luxemburg. Schließlich müssten sich die deutschen Gerichte nicht nochmal damit befassen, wenn das (spätere) Einreiseverbot für den Rücktritt (§ 651h I BGB) und die dann entfallenden Stornokosten (§ 651h III BGB) berücksichtigt werden müsste. Nach Auffassung des Karlsruher Gerichts hänge die Entscheidung des Rechtsstreits nämlich von der Auslegung des Art. 12 II der europäischen Pauschalreise-Richtlinie ab (Nr. 2015/2302). Es hat dem EuGH die Frage daher zur Vorabentscheidung vorgelegt.