LG Köln: Ammoniak statt Limonade getrunken – Schmerzensgeld?

LG Köln: Ammoniak statt Limonade getrunken – Schmerzensgeld?

Hat der Beklagte die Verkehrssicherungspflichten verletzt? Liegt ein Mitverschulden vor?

Ammoniakwasser dürfe nicht in einer unauffälligen Flasche im Kühlschrank eines Ladengeschäfts aufbewahrt werden, auf den Dritte Zugriff haben. In dem Verfahren vor dem LG Köln trank ein durstiger Freund in der Hoffnung auf Limonade die ätzende Flüssigkeit. Das Gericht entschied nun über seinen Schmerzensgeldanspruch.

Worum geht es?

Vor dem LG Köln standen sich zwei Parteien gegenüber, die eigentlich befreundet waren. Bei dem Vorfall, wegen dem sie sich nun über Schmerzensgeldansprüche stritten, hielten sie sich in der Werkstatt des Beklagten auf. Der Kläger bekam Durst und nahm sich aus einem Kühlschrank, der hinter der Ladentheke in einem Küchenbereich stand, eine Flasche. Er schenkte sich die Flüssigkeit in ein Glas und trank dieses in einem Zug aus. Doch in der Limonadenflasche befand sich keine Limonade – sondern eine Ammoniaklösung.

Beklagter weist Verantwortung von sich

Die Ammoniaklösung, auch Salmiakgeist genannt, habe der Beklagte bei sich gehabt, um in seiner Werkstatt Handy-Platinen zu reinigen. Dabei handelt es sich aber auch um einen gefährlichen, gesundheitsschädlichen Stoff, der bei Menschen zu schweren Verletzungen führen kann. So geschah es auch beim Kläger: Der frühere Freund erlitt schwerste Verletzungen an der Speiseröhre und im Magen, musste in ein künstliches Koma versetzt werden und erholte sich nur langsam von dem Vorfall.

Deshalb verlangte er Schmerzensgeld in Höhe von 18.750 Euro. Zudem begehrte er vor dem LG Köln die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden im Zusammenhang mit der Ammoniaklösung zu ersetzen.

Der Beklagte hingegen wies die Verantwortung von sich und lehnte jede Haftung ab. Vor Gericht brachte er vor, dass er die Ammoniaklösung in der Limonadenflasche stets hinter seinem Sofa in der Werkstatt lagerte. Vielmehr habe sein Praktikant die Flasche ohne sein Wissen in den Kühlschrank geräumt. Außerdem habe der Kläger unter Drogeneinfluss gestanden. Dieser habe im Zeitpunkt des Trinkens bereits drei Nächte wegen Amphetamin-Konsums nicht geschlafen und daher auch nicht den ungewöhnlichen und beißenden Geruch des Ammoniaks wahrgenommen.

LG Köln: Verkehrssicherungspflicht verletzt

Damit hatte der Beklagte allerdings keinen Erfolg. Wie aus einer Mitteilung des Kölner Gerichts vorgeht, war es von seiner Verantwortung überzeugt. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Ausgleich der erlittenen Schäden aus dem Vorfall in vollem Umfang zu.

Zur Begründung führte das LG Köln an, dass der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Er hätte Vorkehrungen dafür treffen müssen, dass Dritte nicht mit dem Ammoniak in Berührung kommen können. Stattdessen habe er den gefährlichen und gesundheitsschädlichen Stoff in einer Limonadenflasche im Kühlschrank gelagert. Aber auch das Versteck hinter dem Sofa sei nach Auffassung des Gerichts kein hinreichender Schutz vor dem Zugriff Dritter. Aufgrund der Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht sei er daher für die Gesundheitsschädigungen des Klägers verantwortlich. Ätzende Flüssigkeiten dürften nicht in unauffälligen Flaschen im Kühlschrank eines Ladengeschäftes verwahrt werden, auf den Dritte Zugriff haben.

Mitverschulden in Höhe von 25 Prozent berücksichtigt

Allerdings müsse sich der Kläger ein Mitverschulden in Höhe von 25 Prozent anrechnen lassen, so das Gericht. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass sich in der kurzen Zeit zwischen dem Einschenken und Trinken noch keine wahrnehmbaren Dämpfe des Ammoniaks entwickeln würden. Jedoch habe er gewusst, mit was für Stoffen der Beklagte hantieren würde. In der Mitteilung heißt es daher:

Vor diesem Hintergrund hätte er nicht ohne ausdrückliche Prüfung eine
farblose, nicht perlende Flüssigkeit aus einer bereits geöffneten und
nicht mehr versiegelten Glasflasche mit einem Limonadenetikett trinken
dürfen, ohne sich zuvor zu vergewissern, um welche Art von Flüssigkeit
es sich handelt
.

Außerdem hätte er die Flüssigkeit nicht in einem Zug austrinken dürfen. Gerade dann, so das Gericht, wenn er aufgrund des Drogenkonsums selbst davon ausgehen musste, dass seine Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt sein könnte. Ein höheres Mitverschulden sah das Gericht im Ergebnis aber nicht. Ein Zeuge habe nämlich vorgebracht, dass engere Freunde des Beklagten sich stets am Kühlschrank bedienen dürften.

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