Personalmangel: OLG Frankfurt a. M. hebt Haftbefehle auf

Personalmangel: OLG Frankfurt a. M. hebt Haftbefehle auf

Kollision zwischen Beschleunigungsgrundsatz und Personalmangel in der Strafjustiz

Haftentlassung wegen Überlastung – der Titel der Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main spricht für sich. Das Gericht musste nun sechs Angeschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen. Nicht nur in Hessen kollidieren Beschleunigungsgrundsatz und Personalmangel in der Strafjustiz.

Worum geht es?

Wie das OLG Frankfurt am Main vor wenigen Tagen bekannt gab, haben die dortigen Strafsenate mehrere Haftbefehle des Amtsgerichts aufgehoben, weil der weitere Vollzug der Untersuchungshaft bei den Angeschuldigten angesichts des Beschleunigungsgebots nicht mehr zu vereinbaren war. Sprich: Die Mühlen der Strafjustiz mahlten zu langsam. Sechs mutmaßliche Gewaltverbrecher wurden nun wegen überlanger Dauer des Verfahrens aus der Untersuchungshaft entlassen.

StGB – StPO

Gefangene in Untersuchungshaft dürfen nicht so lange der Freiheit entzogen werden, bis die Ermittlungen für eine Verurteilung ausreichen. Grundlage jeder Untersuchungshaft ist der Haftbefehl und die zeitliche Grenze findet sich in § 121 I StPO. Danach darf, solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel erkennt, der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat nur aus drei Gründen länger als sechs Monate dauern: Besondere Schwierigkeiten bei den Ermittlungen, ihr besonderer Umfang oder ein anderer wichtiger Grund.

Dabei ist es nicht entscheidend, um was für Delikte es sich handelt. Unter anderem lauten die Vorwürfe gegen die Angeschuldigten vor dem OLG Frankfurt am Main versuchter Totschlag, schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung. Die mutmaßlichen Gewaltverbrecher befanden sich teilweise seit knapp 12 Monaten in Haft – also wesentlich länger als die sechsmonatige Grenze des § 121 I StPO. Aber gab es dafür einen rechtfertigenden Grund?

Mit Beschleunigungsgrundsatz unvereinbar

Nach Auffassung der Strafsenate des OLG musste diese Frage mit „Nein“ beantwortet werden. Ein Grund aus § 121 I StPO sei nicht einschlägig. Dass die Verfahren nicht eröffnet werden können, liege nicht an den konkreten Verfahren selbst, so das Gericht. Vielmehr liege die Ursache…

…in der erheblichen […] strukturellen Überlastung mit zahlreichen Haftsachen, die auch bei nahezu täglicher Verhandlung nicht mehr zu bewältigen ist. Bislang ist keine Abhilfe geschaffen worden.

Dass es aufgrund eines Personalmangels zu einer überlangen Untersuchungshaft komme, sei kein wichtiger Grund im Sinne des § 121 I StPO, der eine Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen könne. Vielmehr sei dies mit dem verankerten Beschleunigungsgrundsatz unvereinbar, stellte das Gericht kritisch fest. Beschuldigte in Untersuchungshaft müssten eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung eines Haftbefehls nicht in Kauf nehmen, heißt es, weil der Staat es versäume, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen.

Mehr Personal geplant

Dass das OLG Frankfurt am Main sechs Haftbefehle aufheben und somit sechs Angeschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen musste, ist kein Einzelfall. Wie der Deutsche Richterbund in seiner Deutschen Richterzeitung vor kurzem veröffentlichte, sind im letzten Jahr in Deutschland mindestens 66 Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft aus demselben Grund entlassen worden: zu lange Verfahren. Im Jahr 2020 seien es nur 40 Entlassungen gewesen, heißt es.

Das Problem des Personalmangels in der Strafjustiz ist aber bekannt und Bund und Länder reagierten bereits. Anfang 2019 einigten sie sich darauf, bundesweit bis Ende 2021 neue Stellen zu schaffen. Tatsächlich seien es sogar 2.500 besetzte Stellen geworden. Wie sich die Lage nun weiterentwickelt, bleibt abzuwarten.