Verfassungsbeschwerde gegen § 202d StGB
Müssen Investigativ-Journalist:innen Strafverfolgung befürchten, wenn sie mit geleakten Daten arbeiten? In § 202d StGB ist zumindest seit einigen Jahren die Datenhehlerei geregelt. Eine Bürgerrechtsorganisation und mehrere Journalist:innen legten in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde ein.
Worum geht es?
„Das Gesetz ist so schlampig formuliert, dass es ein strafrechtliches Minenfeld für investigativ arbeitende Journalisten und ihre Helfer schafft“ – so äußerte sich 2017 der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Ulf Buermeyer. Damit meinte er den von der Großen Koalition geschaffenen § 202d StGB. Viele Journalist:innen und Blogger:innen hegten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Datenhehlerei-Paragraphen und legten mit Unterstützung der Bürgerrechtsorganisation GFF Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Das BVerfG veröffentlichte nun seine Entscheidung – mit deutlichen Worten.
Eingriff in Grundrechte der Investigativjournalist:innen?
Mehrere Journalist:innen, unter anderem vom NDR und c’t, wehrten sich gegen den damals neuen Datenhehlerei-Paragraphen. Anstelle einer „Sache“, wie es bei der „üblichen“ Hehlerei gemäß § 259 StGB verlangt wird, handelt es sich beim Tatobjekt des § 202d StGB um Daten, die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat. Die sanktionierten Tathandlungen sind vom Sinn her ähnlich: Verschaffen, Überlassen, Verbreiten oder sonst zugänglich machen.
Die Journalist:innen sahen sich durch die Norm in ihren Grundrechten bedroht. Ihrer Auffassung nach richte sich der Straftatbestand nicht nur gegen den kriminellen Handel von gestohlenen Daten (zum Beispiel Verkauf von Kreditkarteninformationen), sondern stelle auch den Umgang mit geleakten Daten unter Strafe. Teilweise wird die Norm daher auch als „Whistleblower-Paragraph“ bezeichnet. Zwar werde durch § 202d III StGB iVm § 53 I Nr. 5 StPO die Strafverfolgung von Journalist:innen grundsätzlich ausgeschlossen - in der Regelung aus dem Strafprozessrecht ist das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger vorgesehen. Ein angemessener Schutz für die Presse sei durch den Gesetzgeber aber dennoch nicht gegeben, wodurch die Tätigkeiten von investigativ arbeitenden Journalist:innen erschwert würde. § 202d StGB sei einfach zu „schlampig“ formuliert, so die Bürgerrechtsorganisation GFF.
In ihrer Verfassungsbeschwerde, die sie 2017 einlegten, rügten sie daher die Verletzung mehrerer Grundrechte: Allen voran sahen sie sich in ihrer Presse- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 GG und in ihrer Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 I GG verletzt. Gleichzeitig rügten sie jedoch auch eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG, des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 I GG und des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 II GG.
BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde nicht an
In Karlsruhe hatten die Beschwerdeführenden jedoch keinen Erfolg. Obwohl die 2. Kammer des Ersten Senats die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annahm, begründete es doch noch in seinem Nichtannahmebeschluss auf 11 Seiten seine Gründe.
Nach Auffassung des Gerichts sei die Verfassungsbeschwerde deshalb unzulässig, weil die Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert dargelegt hätten, dass durch § 202d StGB überhaupt die Möglichkeit von Grundrechtsverletzungen für Journalisten bestünde. Sie hätten sich inhaltlich nicht genug mit der einfachrechtlichen Rechtslage auseinandergesetzt, so das BVerfG.
In Karlsruhe sah man nicht nur den Ausschluss der Strafverfolgung von Journalist:innen, der sich aus § 202d III StGB iVm § 53 I Nr. 5 StPO ergebe, als ausreichend an, um sie in ihrer grundrechtlich geschützten Arbeit nicht zu gefährden. Vielmehr hätten die Beschwerdeführer diesen Tatbestandsausschluss aus der StPO „in nicht nachvollziehbarer Weise“ selbst verengt. In der Entscheidung heißt es:
Mangels ersichtlicher Strafbarkeit besteht hier kein Risiko von Journalisten betreffenden strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen.
Keine abschreckende Wirkung
Außerdem, so das Karlsruher Gericht, lasse das Vorbringen der Beschwerdeführer auch nicht erkennen, dass § 202d StGB für Dritte – also insbesondere journalistische Helfer oder Whistleblower – einen Eingriff gleich kommende abschreckende Wirkung entfalten könne. Dafür dürfte es „regelmäßig“ bereits an der vom Straftatbestand verlangten „rechtswidrigen Tat eines anderen“ fehlen, durch die die Daten erlangt wurden, heißt es. Denn: Wenn es sich bei dem Informanten um einen an sich schon berechtigten Mitarbeiter des Betroffenen handele, der (berechtigt) auf die gehehlten Daten zugreifen konnte, hätte dieser die Daten gerade nicht durch eine rechtswidrige Tat erlangt. Schließlich habe er schon zuvor rechtmäßigen Zugriff darauf gehabt.
Außerdem: Wohl kein subjektiver Tatbestand
Schließlich führte das Gericht einen weiteren Grund an, weshalb keine Gefahr für investigativ arbeitende Journalist:innen bestehe: Die Anforderungen des Tatbestands in subjektiver Hinsicht. Die (Dritt-)Bereicherung und die Schädigung würden ausschließlich und ausdrücklich Absicht voraussetzen, so das BVerfG, das auf die Gesetzesbegründung verwies. Das bedeutet, dass es dem Täter gerade auf die Schädigung beziehungsweise den Vorteil ankommen müsse. Dies decke sich aber nicht mit der journalistischen Tätigkeit. Im Nichtannahmebeschluss heißt es:
Steht die Aufklärung von Missständen im Vordergrund, richtet sich die Absicht des Täters hierauf, nicht aber auf die Schädigung.
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