Wasserschaden durch Abwasserkanal: Wer haftet?

Wasserschaden durch Abwasserkanal: Wer haftet?

Haftet der Grundstückseigentümer gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 33 NbG?

Streit um Wasserschaden: Ein übergelaufenes Rohr eines Abwasserkanals sorgte für einen hohen Schaden. Aber wer muss dafür haften? Nach Auffassung des Klägers soll das die Eigentümerin des Nachbargrundstücks sein, über das der Kanal läuft. Dieser wiederum liegt in öffentlicher Hand. Wie ist die Rechtslage?

Worum geht es?

Vor knapp 12 Jahren kam es aufgrund stärkeren Regens in Sachsen-Anhalt zu einem Wasserschaden, da Wasser aus einem überfüllten Abwasserkanal auf das Grundstück des Klägers floss. Die Beklagte in dem Rechtsstreit ist die Eigentümerin des Nachbargrundstücks, auf dem sich der Abwasserkanal befand, etwa 60 cm von der Grundstücksgrenze entfernt. Muss sie für den Schaden in Höhe von 135.407,50 Euro aufkommen? Entscheidend wird dabei sein, dass das Abwasserrohr nicht von der Eigentümerin des Grundstücks, sondern von der Streitverkündeten im Auftrag der Staat Halle betrieben wurde.

Wurzelbewuchs sorgte für Verengung

Gestritten haben zwei benachbarte Grundstückseigentümer in Sachsen-Anhalt. Der Kläger betrieb auf seinem Grundstück eine Fleischerei mit Verkaufsräumen. Direkt daneben befand sich das Grundstück der Beklagten, wo diese eine Zugwaschanlage betrieb. Am Tag des Schadenseintritts war diese aber nicht im Betrieb.

Ende September 2010 trat nach lang anhaltendem Regen Wasser aus einem Abwasserkanal aus, der auf dem Grundstück der Beklagten verlief. An dessen Einmündungsstelle in die öffentliche Kanalisation befand sich ein Abwasserrohr, welches jedoch durch Wurzelbewuchs teilweise starke Verengungen aufwies. Der Kanal verlief etwa 60 cm von der Grundstücksgrenze entfernt und wurde von der Streitverkündeten betrieben, die im Auftrag der Stadt Halle (Saale) die Abwasserentsorgung durchführt.

Das überlaufende Wasser gelangte durch einen Lüftungsschacht in die Lagerräume der Fleischerei, wodurch es zu einem hohen Schaden kam. Zunächst wies das LG Hallte die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 135.407,50 Euro ab, doch das OLG Naumburg sah das anders. Der BGH hat über die Revision der Beklagten entschieden.

BGH: Einwirkung rechtlich nicht möglich

Auch in Karlsruhe ging es um die Frage, ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB in Verbindung mit § 33 NbG LSA (Nachbarschaftsgesetz für das Land Sachsen-Anhalt) zusteht. Aus der landesrechtlichen Norm resultiert die Pflicht, bauliche Anlagen so „einzurichten“, dass Traufwasser, Abwässer oder andere Flüssigkeiten nicht auf das benachbarte Grundstück übertreten. Spannend war in dem Verfahren, welche Auswirkung es auf die Haftungsfrage hat, wenn es sich um eine öffentliche Anlage handelt, sprich: Wenn die bauliche Anlage gar nicht von der Eigentümerin eingerichtet wurde.

Befindet sich auf einem Grundstück ein Abwasserkanal und nimmt das Nachbargrundstück durch aus dem Kanal austretendes Wasser Schaden, scheidet eine Haftung des Grundstückseigentümers gemäß § 823 II BGB in Verbindung mit § 33 NbG LSA aus, wenn der Kanal zu einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehört, hat der V. Zivilsenat entschieden.

§ 33 NbG LSA sei in der Regel unproblematisch, wenn die bauliche Anlage vom Grundstückseigentümer selbst errichtet wurde. Über § 946 BGB steht es dann als wesentlicher Bestandteil (§ 94 I BGB) in seinem Eigentum. Aber, so der BGH:

Anders ist es aber, wenn dem Grundstückseigentümer eine Einwirkung auf die bauliche Anlage rechtlich nicht möglich ist.

Dies sei etwa dann der Fall, wenn die bauliche Anlage Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage ist – so wie in diesem Rechtsstreit. Hierfür ist der Grundstückseigentümer nicht verantwortlich.

Da andere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen (§ 2 I 1 HaftPflG, § 823 I BGB) nach Auffassung des BGH ebenfalls aufgrund fehlender Verantwortlichkeit der Beklagten ausscheiden, wurde das Berufungsurteil aufgehoben. Die Sache wurde an das OLG Naumburg zurückverwiesen.

Streitverkündete?

Vor dem OLG Naumburg dürfte wohl zu klären sein, wer nun für den Abwasserkanal verantwortlich ist. Dass neben der Beklagten auch Dritte in Betracht kommen, ist bereits daran zu erkennen, dass die Betreiberin des Abwasserrohrs in dem Prozess sogenannte Streitverkündete ist. Die Streitverkündung ist in §§ 72 ff ZPO geregelt und ist ein Instrument des Prozessrechts, um die Beteiligung eines Dritten an einem Rechtsstreit herbeizuführen. Ihr Zweck liegt darin, eine Interventionswirkung gemäß §§ 74 III, 69 ZPO herbeizuführen, die darin besteht, dass sich die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Beurteilungen in dem sogenannten Vorprozess bindend auf den Dritten in einem Folgeprozess ausweiten.

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