BVerwG: Soldatin muss sich bei Tinder zurückhalten

BVerwG: Soldatin muss sich bei Tinder zurückhalten

Wie darf sich eine Soldatin der Bundeswehr auf einem Dating-Portal präsentieren?

Für ihre Tinder-Bio erhielt eine Soldatin der Bundeswehr eine Disziplinarmaßnahme. Ihre Worte würden Zweifel an ihrer moralischen Integrität begründen, so das Truppendienstgericht. In Leipzig musste nun das BVerwG über ihr Dating-Profil entscheiden.

Worum geht es?

In Leipzig hat der 2. Wehrdienstsenat des BVerwG die Rechtsbeschwerde einer Soldatin der Bundeswehr gegen eine Entscheidung des Truppengerichts zurückgewiesen. Es ging um einen disziplinarrechtlichen Verweis, den die Bataillonskommandeurin für ihr Tinder-Profil erhielt. Die Begründung des Truppengerichts sei zwar fragwürdig, so das BVerwG, im Ergebnis aber richtig. Kommandeur:innen müssten bei privaten Internetauftritten die Auswirkungen auf ihr berufliches Ansehen beachten. Die Leipziger Entscheidung erzielt teilweise Empörung.

Verweis für Tinder-Bio

Dating-Portale wie die Plattform Tinder werden nicht nur genutzt, um die große Liebe zu finden. Sie bietet sich auch dafür an, sich je nach Vorliebe Sexualpartner:innen zu suchen. Dem Disziplinarvorgesetzten einer Bundeswehrsoldatin missfiel aber ihr Auftritt bei Tinder und erteilte ihr einen Verweis. Ein Screenshot soll die Bundeswehr erreicht haben, auf dem das Tinder-Profil der Kommandeurin zu sehen sein soll, das sie im Jahr 2019 veröffentlichte:

Spontan, lustvoll, trans, offene Beziehung, auf der Suche nach Sex. All genders welcome.

Aus Sicht des Vorgesetzten wurde sie damit ihrer Verpflichtung nicht gerecht, auch außerhalb des Dienstes „ordnungsgemäß“ aufzutreten und erteilte ihr in Form eines Verweises eine Disziplinarmaßnahme. Gegen diesen setzte sich die betroffene Soldatin zur Wehr.

Billigung durch Truppendienstgericht

Vor dem Truppendienstgericht hatte die Soldatin jedoch keinen Erfolg. Das Gericht billigte die Disziplinarmaßnahme und verwies auf § 17 II 3 Soldatengesetz, wonach eine Soldatin durch ihr außerdienstliches Verhalten das Ansehen der Bundeswehr nicht ernsthaft beeinträchtigen darf. Zwar genieße auch die Soldatin grundrechtlichen Schutz auf ein privat geführtes „promiskuitives Sexualleben“ (also Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern). Doch ihre gewählte Formulierung in ihrer Tinder-Bio lasse Zweifel an ihrer moralischen Integrität begründen, so das Truppendienstgericht. Bei Außenstehenden erwecke es den Eindruck, dass sie sich selbst und ihre Sexualpartner zu reinen Sexobjekten reduziere.

BVerwG: Im Ergebnis richtig

Gegen die Entscheidung des Truppendienstgerichts legte die Kommandeurin Rechtsbeschwerde beim BVerwG ein. Zuständig dafür war der 2. Wehrdienstsenat, der zwar rechtliche Bedenken bezüglich der Begründung des Truppendienstgerichts äußerte, im Ergebnis dessen Entscheidung aber für richtig erachtete.

Die vorherige Instanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die privaten Äußerungen der Kommandeurin bei Tinder von der Öffentlichkeit der Bundeswehr als Ganzes zugerechnet werden. Zudem habe es das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Frau aus Art. 1 I in Verbindung mit Art. 2 I GG, das ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung enthält, nicht hinreichend gewürdigt. Denn zu diesem gehöre auch, so das BVerwG, dass der und die Einzelne über seine geschlechtlichen Beziehungen frei bestimmen könne – also auch über ein etwaiges promiskuitives Sexualverhalten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze dabei ihre Sozialsphäre so weit, dass im Internet Kontakte mit Gleichgesinnten gesucht werden können.

Allerdings sei die Entscheidung des Truppendienstgerichts im Ergebnis richtig. Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht bei der Bundeswehr verlange, dass eine Soldatin in der besonders hervorgehobenen dienstlichen Stellung einer Bataillonskommandeurin bei der Wahl ihrer Worte und Bilder im Netz Rücksicht auf ihre berufliche Stellung nehme. Der 2. Wehrdienstsenat vertrat daher die Auffassung, die Soldatin müsse Formulierungen vermeiden, die…

…den falschen Eindruck eines wahllosen Sexuallebens und eines erheblichen mangels an charakterlicher Integrität erwecken.

Für die Leipziger Richter:innen würden die Worte „offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome“ Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Integrität erwecken. Der Verweis als Disziplinarmaßnahme sei daher nicht zu beanstanden.

Teilweise Empörung über Entscheidung

Die Kommandeurin zeigte sich nach der Entscheidung enttäuscht. Sie wisse nach wie vor nicht, was an ihrer Darstellung missverständlich gewesen sein soll. Im Interview mit dem Stern sagte sie außerdem, sie werde nun jede Änderung ihres Profils vorher ihrem Vorgesetzten zeigen und um „Prüfung“ und „Freigabe“ ihrer Worte und Bilder bitten.

Tatsächlich wird die Entscheidung auch aus Stimmen der Politik kritisiert. Die verteidigungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Sara Nanni, nannte die Argumentation des BVerwG als „Moralvorstellung aus den Fünfzigerjahren“. Ähnlich auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP):

Wir leben nicht im Jahr 1955. Privat ist privat, und Dienst ist Dienst.