Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder die Versammlungsfreiheit?
Darf die Kölner Polizei bestimmte öffentliche Plätze per Videokameras überwachen? Ein Bürger zog dagegen vor die Verwaltungsgerichte. Eine entscheidende Rolle kam dabei der Kriminalstatistik zu.
Worum geht es?
Der Breslauer Platz am Hauptbahnhof, der Neumarkt und der Ebertplatz – diese bekannten Kölner Plätze sind nicht nur beliebter Treffpunkt von Kölner:innen und Ziel von etlichen Tourist:innen. Auch die Polizei vor Ort hat die Plätze nahezu wortwörtlich im Auge – per Videoüberwachung. Denn die drei Plätze in der Kölner Innenstadt werden seit einiger Zeit von der Polizei mit zahlreichen fest installierten Videokameras überwacht, um der dortigen Straßenkriminalität zu begegnen. Ein Kölner Bürger sah sich dadurch in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt und zog vor Gericht.
Teilerfolg vor VG Köln
In der ersten Instanz erzielte der Kläger sogar einen Teilerfolg. Vor dem VG Köln rügte er durch die Videoüberwachung eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Das Gericht gab seinem Antrag hinsichtlich des Breslauer Platzes am Hauptbahnhof statt. Der Breslauer Platz war der erste videoüberwachte Ort der Polizei durch fest installierte Kameras und eine Folge der Vorkommnisse in der Silvesternacht 2015/2016. Das VG Köln sah eine dortige Videoüberwachung nun nicht mehr gerechtfertigt, weil dort die Straftaten in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen hätten. In den „Brennpunkten“, also am Neumarkt und am Ebertplatz, sei die Videoüberwachung hingegen weitgehend gerechtfertigt.
OVG NRW: Videoüberwachung an allen drei Plätzen rechtmäßig
Gegen die Entscheidung der ersten Instanz legten sowohl der Antragsteller als auch der Kölner Polizeipräsident Beschwerde ein und das OVG NRW musste sich mit der Streitigkeit befassen. Dabei hat es nun in allen drei Fällen im Wesentlichen dem Polizeipräsidenten Recht gegeben: Der Breslauer Platz, der Neumarkt und der Ebertplatz dürfen weiter mit den fest installierten Videokameras überwacht werden.
Zwar stelle die Videoüberwachung einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller Personen dar, die auf den Bildern zu sehen sind. Die Maßnahmen seien aber voraussichtlich vom nordrhein-westfälischen Polizeigesetz gedeckt, so das Gericht. Ermächtigungsgrundlage sei dabei § 15a PolG NRW, der die Datenerhebung durch den offenen Einsatz optisch-technischer Mittel unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Eine Videoüberwachung ist danach dann zulässig, wenn es sich um einen öffentlichen Ort handelt, an dem wiederholt Straftaten begangen wurden und deren Beschaffenheit auch die Begehung von Straftaten begünstigt, solange Tatsachen die Annahmen rechtfertigen, dass an dem zu überwachenden Ort weitere Straftaten begangen werden.
Dies sei an allen drei Orten der Fall, befanden die Kölner Richter:innen der zweiten Instanz. Das Gericht bezog sich dabei insbesondere auf die Kriminalstatistiken, aus denen hervorgehe, dass die betroffenen Plätze Orte für typische Delikte der Straßenkriminalität seien (unter anderem Raub, Körperverletzung und Drogendelikte). Das OVG NRW widersprach damit dem VG Köln nur hinsichtlich des Breslauer Platz. Zur Begründung führte es an, dass zwar die Straftaten am Breslauer Platz zurückgegangen seien, aber:
[…]; dieser Rückgang ist auf die Corona-Pandemie und auf die Videoüberwachung selbst zurückzuführen.
Das OVG NRW vertrat daher die Auffassung, dass alle betroffenen Bereiche – inklusive des Breslauer Platzes – nach wie vor anfällig für Delikte der Straßenkriminalität seien.
Gericht schränkt Videoüberwachung ein
Allerdings gelte die Überwachungsmöglichkeit nicht grenzenlos. Bereits das VG Köln stellte fest, dass von den Aufzeichnungen miterfasste Wohn- und Geschäftsräume nicht von der Gesetzeslage gedeckt seien. Dem schloss sich auch die höhere Instanz an. Der Antragsteller könne sich darauf aber nicht berufen, da es sich um keine Räumlichkeiten handele, die er selbst aufsuchte. Rechte Dritter könne er in diesem Rechtsstreit nicht geltend machen.
Schließlich schränkte das OVG NRW die Videoüberwachung auch hinsichtlich der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG ein. Die Einschränkung der Polizei selbst, die die Videokameras während Versammlungen auf den überwachten Plätzen einstellte, genüge dem Schutz des Grundrechts nicht, so das Gericht. Zukünftig müsse die Polizei auch eine gewisse Zeit vor und nach der Versammlung auf eine Videoüberwachung verzichten, um Versammlungsteilnehmer:innen bei Ankunft und Abreise nicht in ihrem Grundrecht zu beeinträchtigen.
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