Erfordert heimtückisches Handeln auch ein „heimliches“ Vorgehen?
Tötungsdelikte gehören zum Standardrepertoire in der Examensprüfung und sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Der hier besprochene Beschluss nach § 349 Abs. 4 StPO (also keine in Urteilsform gefasste Entscheidung!) beleuchtet die subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke unter dem Aspekt des fortbestehenden Vorsatzes bei einem mehraktigen Tatgeschehen.
A. Sachverhalt
P und H bewohnen gemeinsam eine Wohnung. Nach verschiedenen Streitigkeiten und einem körperlichen Übergriff des P verlässt der H die Wohnung. Er beabsichtigt, zusammen mit der Z und seinem Freund K Möbelstücke aus der Wohnung zu holen. P verweigert dem H und der Z zunächst den Zutritt zur Wohnung, gibt die Wohnungstür dann aber doch frei, als der K an der Tür erscheint. H betritt daraufhin die Wohnung und macht einige Schritte in den breiten Wohnungsflur hinein. Rechts hinter ihm steht der P, während K auf der Türschwelle wartet. In dieser Situation greift P hinter dem Rücken des H für diesen nicht erkennbar nach einem Hammer mittlerer Größe und schlägt ihm damit zwei Mal gezielt von hinten auf den Kopf. Dabei erkennt er, dass die Schläge tödlich sein könnten. Dies nimmt er zumindest billigend in Kauf. Mit einem solchen Angriff hat der H in diesem Moment nicht gerechnet, was dem P bewusst ist und er zur Tatbegehung ausnutzt. P will H vertreiben und dafür bestrafen, dass er ihn mit der Wohnung alleine lässt.
H sackt infolge der Schläge benommen zusammen und bleibt zunächst im Wohnungsflur liegen. Als der K dem H zu Hilfe kommen will, entschließt sich P, auch diesen anzugreifen, und schlägt mit dem Hammer gezielt auf dessen Kopf ein. Dabei trifft er ihn an der Stirn. Der durch den wuchtigen Schlag zu Boden gegangene K „robbt“ durch die Wohnungstür zurück in das Treppenhaus. P setzt ihm nach und schlägt ihm erneut mit dem Hammer gezielt auf den Kopf. Bei beiden Schlägen ist ihm bewusst, dass er K töten könnte. Dies nimmt er billigend in Kauf. K wehrt sich nun mit Fußtritten gegen den weiter auf ihn einschlagenden P. Nachdem es ihm gelungen ist, einen weiteren Hammerschlag zu parieren, vermag er schließlich dem P den Hammer zu entreißen.
P erkennt, dass er K nicht mehr mit dem Hammer „bezwingen“ kann und läuft zurück in die Wohnung. Dort ergreift er einen bereitliegenden Teleskopschlagstock und droht damit K, der ihm mit dem Hammer in der Hand bis zur Türschwelle gefolgt ist. Als K daraufhin flüchtet, bleibt P zurück. Er hat erkannt, dass der Angriff auf K spätestens durch dessen Flucht gescheitert ist. Stattdessen wendet sich P erneut dem H zu. Dieser ist inzwischen wieder aufgestanden, hat sich noch ins Badezimmer begeben und steht dem P nun schräg gegenüber im vorderen Flurbereich. Zwischen beiden kommt es zu einer kurzen verbalen Auseinandersetzung, bevor der P dem H zunächst einen wuchtigen Schlag mit dem Teleskopschlagstock auf die Stirn versetzt. Dann ergreift er ein im Flur liegendes Survival-Messer mit einer Klingenlänge von 10 cm und sticht wuchtig in die rechte Seite des Halses sowie in den Rumpf des sich noch auf den Beinen haltenden H. Der Messerstich in den Hals führt nach kurzer Zeit zum Tod von H. Auch bei dem Schlag mit dem Teleskopschlagstock und den Messerstichen hält es der P zumindest für möglich, dass der H daran sterben könnte und nimmt diese Folge jeweils zumindest billigend in Kauf.
Wie hat sich P strafbar gemacht?
B. Entscheidung
I. Straftaten gegenüber H
1. Mord, § 211 StGB
P könnte sich wegen Heimtückemordes nach § 211 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er dem H mit dem Survival-Messer einen wuchtigen Stich in den Hals versetzte und der H daraufhin verstarb.
P hat mit dem Stich in den Hals des H den Tod eines anderen Menschen kausal und zurechenbar herbeigeführt. Fraglich ist, ob H auch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB „heimtückisch getötet“ hat. Problematisch könnte dies deswegen sein, weil P beim „zweiten Angriff“ auf H – nachdem er von K abgelassen und sich dem H erneut zugewendet hatte – einen entsprechenden (neuen) Vorsatz hätte fassen müssen. Allerdings könnten seine Handlungen zum Nachteil des H auch als ein von einem einheitlichen Vorsatz getragenes Gesamtgeschehen zu beurteilen sein, weswegen die mit dem ersten Angriff gewollte „Überraschungswirkung“ auch noch im Zeitpunkt des zweiten Angriffs fortwirkte. Dazu der BGH:
„II. 1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglos ist ein Tatopfer, das bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs weder mit einem lebensbedrohlichen noch mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet (…). Handelt es sich um ein mehraktiges Tatgeschehen, bei dem dem Tatopfer die todesursächliche Verletzungsfolge nicht mit dem ersten Angriff, sondern durch einen späteren Teilakt beigebracht wird, kommt es darauf an, ob das Gesamtgeschehen als eine natürliche Handlungseinheit zu bewerten ist und deshalb eine Tat im Rechtssinne vorliegt. Dies ist der Fall, wenn zwischen einer Mehrheit gleichgearteter, strafrechtlich erheblicher Betätigungen ein derart unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint und die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (…).
2. Von diesen Grundsätzen ist die Strafkammer im Ansatz zutreffend ausgegangen. Die dazu angestellten Erwägungen schöpfen den festgestellten Sachverhalt aber nicht aus.
a) Nach der Auffassung der Strafkammer sind der erste mit dem Hammer geführte Angriff auf den [H] und der spätere Schlagstock- und Messereinsatz als ein einheitlicher, von einem durchgehenden Tötungsvorsatz getragener Geschehensablauf anzusehen. Der Messerstich als letztlich todesursächlicher Teilakt werde von der heimtückischen Begehungsweise bei dem ersten mit dem Hammer geführten Angriff mitumfasst. Auch wenn es dem [H] gelungen sei, sich wiederaufzurichten und ihm der [P] nun offen feindselig gegenübertrat, sei der [H] noch nicht zu einer sonst zu erwartenden körperlichen Verteidigung in der Lage gewesen.
b) Die Erwägung der Strafkammer, der erste mit dem Hammer geführte Angriff auf den [H] und der spätere Schlagstock- und Messereinsatz seien von einem „durchgehenden Tötungsvorsatz“ getragen, vermag die Annahme eines die beiden Handlungsabschnitte verbindenden subjektiven Elementes nicht zu begründen. Denn sie nimmt nicht ausreichend in den Blick, dass der [P] nach den Feststellungen jeweils nur mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter gehen grundsätzlich einem anderen Handlungsantrieb nach und haben kein Tötungsmotiv (…). Mehrere mit bedingtem Tötungsvorsatz begangene Handlungen zum Nachteil desselben Opfers müssen daher nicht notwendig subjektiv miteinander verknüpft sein. Nach den Feststellungen kam es dem [P] bei den Hammerschlägen darauf an, den [H] zu vertreiben und dafür zu bestrafen, dass er ihn mit der Wohnung allein ließ. Ob er dieses Handlungsziel auch noch im zweiten Tatabschnitt verfolgte, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Dies versteht sich hier - trotz der zeitlichen Nähe - auch nicht von selbst, denn das von der Strafkammer für möglich gehaltene Zwischengeschehen (kurze verbale Auseinandersetzung mit dem [P]) kann zu einem neuen Handlungsentschluss des [P] geführt haben, der der Annahme eines gemeinsamen subjektiven Elements entgegensteht. (…)“
Demgemäß spricht nichts für die Annahme eines durchgehenden Vorsatzes des P im Hinblick auf eine heimtückische Tötung des H. P hat die subjektiven Voraussetzungen des § 211 Abs. 2 StGB nicht erfüllt.
P hat sich nicht wegen Mordes nach § 211 StGB strafbar gemacht.
Hinweis: Auf die Revision des P hat der 4. Strafsenat das Urteil des Landgerichts, mit dem P u.a. wegen Mordes verurteilt worden war, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung hat er angeführt, dass sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten haben, ob P den zweiten Angriff auf H mit einem erneuten Handlungsentschluss geführt hat oder ob der bereits beim ersten Angriff gefasste Vorsatz bzw. das damit verfolgte Handlungsziel bis dahin noch fortwirkte. Der Senat vermochte „nicht gänzlich auszuschließen, dass die Strafkammer bei einer Einstellung des Zwischengeschehens in ihre Würdigung zu einer Aufspaltung des Geschehens gelangt wäre.“ Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts durch den revidierenden P hatte also Erfolg.
2. Versuchter Mord, §§ 211, 22, 23 Abs. 2 StGB
P hat sich aber wegen versuchten Mordes nach den §§ 211, 22, 23 Abs. 2 StGB strafbar gemacht, indem er den (bedingten) Vorsatz im Sinne eines Tatentschlusses gefasst bzw. entsprechend billigend in Kauf genommen hat, dass der arg- und wehrlose H durch gezielte Schläge eines Hammers von hinten auf dessen Kopf zu Tode kommt. Zu dieser Handlung hat P auch unmittelbar angesetzt, indem er auf den Kopf eingeschlagen hat. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe sind hier nicht ersichtlich.
3. Totschlag, § 212 Abs. 1 StGB
P hat sich auch wegen Totschlags nach § 212 Abs. 1 StGB – zum Nachteil des H – strafbar gemacht.
Hinweis: Fraglich ist, ob auch die Voraussetzungen des Totschlages in einem besonders schweren Fall gegeben sind. In einem solchen Fall wäre (wie bei § 211 StGB) ebenfalls auf eine lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. Dazu der BGH (vgl. Urteil vom 14.10.2021 – 4 StR 95/21): „Im Hinblick auf die Androhung der absoluten Höchststrafe bestehen hohe Anforderungen an die Annahme eines besonders schweren Falles des Totschlags. Dieser setzt voraus, dass das in der Totschlagstat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters so außergewöhnlich groß ist, dass die Ahndung aus dem Normalstrafrahmen von bis zu 15 Jahren nicht mehr ausreicht. Die Schuld muss ebenso schwer wiegen wie die eines Mörders. Dafür genügt nicht schon die bloße Nähe der die äußere und innere Seite der Tötungstat kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Fehlen die Voraussetzungen der in § 211 Abs. 2 StGB abschließend aufgezählten Mordmerkmale, so darf dies nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Täter nach § 212 Abs. 2 StGB gleichwohl wie ein Mörder bestraft wird (…). Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind (…) und das Minus, welches sich im Zurückbleiben des Tötungsdelikts hinter den Mordmerkmalen zeigt, durch ein Plus an Verwerflichkeit auszugleichen vermögen (…). Das Vorliegen derartiger Umstände hat das Tatgericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter zu beurteilen (…). Hierbei sind allerdings die wesentlichen Strafzumessungsgründe der Tötungstat selbst zu entnehmen. Umstände des Vor- und Nachtatgeschehens können nur mit geringerem Gewicht und nur insoweit herangezogen werden, als sie sichere Rückschlüsse auf eine die Tatschuld steigernde besonders verwerfliche Einstellung des Täters bei der Tat zulassen (…).“ Gemessen an diesen Anforderungen lassen die Tathandlungen des P und seine Gesinnung die Annahme eines besonders schweren Falles des Totschlages zu: P will H mit den Angriffen vertreiben und dafür bestrafen, dass er ihn mit der Wohnung alleine lässt. Und obwohl H nach dem ersten – heimtückischen – Angriff (Hammerschläge) bereits zusammengesackt und sich in der Wohnung „in Sicherheit“ gebracht hatte, unternimmt P einen weiteren Angriff auf H und sticht ihm in Hals und Oberkörper, wodurch seine verwerfliche Gesinnung zum Ausdruck kommt.
3. Zwischenergebnis und Konkurrenzen
P hat sich wegen versuchten Mordes (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB) und wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Beide Delikte stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB).
II. Straftaten gegenüber K
P hat sich durch die gegen K verübten Hammerschläge wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB und wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB StGB strafbar gemacht. Beide Delikte stehen hier zueinander ebenfalls in Tateinheit.
Hinweis: Der BGH hat das angefochtene Urteil insoweit nicht beanstandet, denn auch „die (…) Verurteilung [des P] wegen versuchten Totschlags zum Nachteil des [K] weist (…) für sich gesehen keinen Rechtsfehler auf.“ Gleichwohl hat er es insgesamt aufgehoben, weil die „Aufhebung (…) wegen des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs [mit den Taten zum Nachteil des H] geboten (sei).“
III. Gesamtergebnis
P hat sich wegen versuchten Mordes nach §§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB) und wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) strafbar gemacht. Die Tathandlungen zum Nachteil des H stehen zu denen zum Nachteil des K in Tatmehrheit zueinander.
C. Prüfungsrelevanz
Tötungsdelikte gehören zum Standardrepertoire in der Examensprüfung und sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Der hier besprochene, zwischenzeitlich in NStZ-RR 2022, 46 veröffentlichte Beschluss nach § 349 Abs. 4 StPO (also keine in Urteilsform gefasste Entscheidung!) beleuchtet die subjektiven Voraussetzungen der Heimtücke unter dem Aspekt des fortbestehenden Vorsatzes bei einem mehraktigen Tatgeschehen. In solchen Fällen kommt eine Aufspaltung des von einem einheitlichen Tötungsvorsatz getragenen Geschehens in einen versuchten Heimtückemord in Tateinheit mit Totschlag wegen Wegfalls des Mordmerkmals während der weiteren Tatausführung nicht in Frage (vgl. auch BGH, NStZ 2008, 569 zu einem tödlichen Messerstich, während sich das Tatopfer aufgrund einer vorangegangenen Schussverletzung im Zustand der Bewusstlosigkeit befindet).
Ein zeitlicher Abstand zwischen den Einzelakten steht der Annahme einer Tat im Rechtssinn dann entgegen, wenn dieser erheblich ist und einen augenfälligen Einschnitt bewirkt, es sei denn, es handelt sich um einen fehlgeschlagenen Versuch (s. BGH, NStZ 2020, 345, 364 zu einem Abstand von wenigen Minuten zwischen zunächst nur konkret lebensgefährlichen und dann tödlichen Messerstichen). Zu bedenken ist auch, dass mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv haben, sondern stattdessen anderweitigen Handlungstrieben nachgehen (BGH, NStZ 2019, 608, 610, Tz. 20).
Die Tathandlungen stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (52 StGB), weil sie sich für einen Dritten objektiv als zusammengehöriges Tun darstellen und diese - unabhängig von einem durchgehenden subjektiven Moment - zeitlich eng beieinander liegen.
Also eine lesenswerte und für die Examensvorbereitung im Strafrecht gut geeignete Entscheidung!
Besondere Fragen wirft das Merkmal der Heimtücke auch dann auf, wenn sich die Tathandlung gegen einen anderen Straftäter richtet – wie etwa eine gegen einen Erpresser gerichtete Tötungshandlung. Über eine solche Konstellation hatte der BGH jüngst zu entscheiden (vgl. Beschl. v. 18.11.2021 – 1 StR 397/21). Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: A und Z sind über regelmäßige Betäubungsmittelgeschäfte miteinander bekannt. Im Zuge finanzieller Forderungen, die aus Sicht des A unberechtigt sind, kommt es wiederholt zu körperlichen Übergriffen gegen ihn durch Z und zu massiven Drohungen. Als beide erneut in der Wohnung des A aufeinander treffen, damit A an Z zahlt, schlägt Z dem A im Hausflur erst in den Bauch und droht ihm dann, „alles auseinander zu nehmen“, wenn A das Geld nicht übergibt. Als sich beide kurz darauf in einem Fahrzeug vor dem Haus wiedertreffen, schießt A dem Z aus kurzer Distanz mit einer Pistole – die er vorher gezogen und den Z um Zahlungsaufschub gebeten hatte – dreimal in den Kopf, wodurch Z stirbt. Z hatte sich zuvor keines Angriffs auf Leib oder Leben versehen.
Zu prüfen war daher, ob A einen Heimtückemord (oder lediglich einen Totschlag) begangen hat. Das hat der 1. Strafsenat abgelehnt und dazu ausgeführt, dass heimtückisches Handeln kein „heimliches“ Vorgehen erfordere. Das Opfer könne auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegen trete, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz sei, dass ihm keine Möglichkeit bleibe, dem Angriff zu begegnen. Maßgebend für die Beurteilung sei die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Und weiter: „Begeht der Täter seine Tat als Opfer einer Erpressung in einer bestehenden Notwehrlage, kann dies - unbeschadet der weiteren Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes - Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage heimtückischen Handelns haben (…). Das Mordmerkmal der Heimtücke ist insoweit einer - auch normativ orientierten - einschränkenden Auslegung zugänglich, die dem Wortsinn des Begriffs der Heimtücke mit dem ihm innewohnenden Element des Tückischen Rechnung zu tragen hat (…). In derartigen Konstellationen wird zudem die Frage aufgeworfen, ob das Tatopfer überhaupt arglos sein kann (…). Die Beurteilung, ob ein Mensch arglos ist, richtet sich dabei grundsätzlich nach seiner tatsächlichen Einsicht in das Bestehen einer Gefahr; maßgeblich sind hierfür jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls (…). Ein Erpresser mag in der von ihm gesuchten Konfrontation mit dem Erpressten im Hinblick auf einen etwaigen abwehrenden Gegenangriff des Opfers auf sein Leben regelmäßig dann nicht arglos sein, wenn er in dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden oder zu beenden und damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des Erpressten zu bewirken. Das sich wehrende Erpressungsopfer handelt hiernach in einem solchen Fall in aller Regel nicht heimtückisch (…). Denn in einer Konstellation, in dem sich das Erpressungsopfer gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen erpresserischen Angriff durch Tötung seines Erpressers wehrt, ist regelmäßig der Erpresser der Angreifer, weil er durch sein Verhalten den schützenden oder trutzwehrenden Gegenangriff herausgefordert hat, mag dieser Gegenangriff sich nun im Rahmen des durch Notwehr Gerechtfertigten halten oder die Grenzen der Notwehr überschreiten (…). Da der Erpresser mit einer Ausübung des Notwehrrechts durch sein Opfer grundsätzlich jederzeit rechnen muss, spricht bereits die Grundkonstellation gegen dessen Arglosigkeit (…); deren Vorliegen ist aber dennoch aufgrund einer Gesamtwürdigung der konkreten Tatumstände im Einzelfall festzustellen (…). Letztlich kann aber dahinstehen, ob das spätere Opfer des Gegenangriffs (der Erpresser) mit seinem konkreten Angriff auf die Willensfreiheit des Erpressungsopfers seine Arglosigkeit tatsächlich bereits verloren hat, weil es in einer von ihm geschaffenen Notwehrlage schon nach der gesetzlichen Wertung jederzeit mit einem Gegenangriff des Erpressten rechnen muss (…). Denn jedenfalls wohnt einer für den Erpresser tödlichen Gegenwehr des Erpressungsopfers vielfach nicht in dem Maße das Tückische inne, welches den gesteigerten Unwert des Mordmerkmals der Heimtücke kennzeichnet (…). Da nämlich der Erpresser (späteres Tatopfer) in derartigen Konstellationen der wirkliche Angreifer ist, gegen dessen Angriff dem Erpressungsopfer aufgrund der (…) Regelung in § 32 StGB und der dieser zugrunde liegenden strafrechtlichen Werteordnung das Notwehrrecht zusteht, mit dessen Ausübung der Erpresser in einer solchen Lage grundsätzlich rechnen muss (…), erscheint es bei wertender Betrachtung nicht systemgerecht, dem sich wehrenden Opfer, wenn es in der gegebenen Lage in den Randbereich der erforderlichen und gebotenen Verteidigung gerät oder gar exzessiv handelt, das Risiko aufzubürden, bei Überschreitung der rechtlichen Grenzen der Rechtfertigung oder auch der Entschuldigung sogleich das Mordmerkmal der Heimtücke zu verwirklichen (…).“
Gemessen daran hat der BGH das Verhalten des A nicht als heimtückisch gewertet. A habe sich in einer „nicht nur latenten, sondern fortdauernden, durch den Schlag (…) im Hausflur und dessen Ankündigung, er werde in Kürze (…) „alles auseinander nehmen“, wenn das Geld nicht da sei (…), zugespitzten Erpressungssituation [befunden] und war daher einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff ausgesetzt, gegen den er sich mit den Schüssen zur Wehr setzte“. Zudem bestehe „auch kein Anhalt dafür, dass der [A] sich deshalb gezielt auf die Rückbank des Fahrzeugs setzte, um dies für die Tötung (…) zu nutzen; vielmehr wollte er nur verhindern, dass [Z] ihm die Waffe aus den Händen reißen oder ihn schlagen könnte (…)“. A habe den Z beim Einstieg ins Fahrzeug „zunächst nur einschüchtern“ wollen. In der Situation habe sich A daher - die gesetzlichen Grenzen der Notwehr überschreitend - gegen den von Z ausgehenden Angriff verteidigt, ohne hierbei „tückisch“ im Wortsinne des Mordmerkmals „Heimtücke“ vorzugehen. Er habe seinen Gegenangriff auch nicht aus einer von ihm gesuchten und vorbereiteten Situation heraus vollzogen. Die konkrete Situation habe sich erst aufgrund der zunehmenden Drohungen des Z und des von diesem unter Gewaltandrohung eingeforderten weiteren Treffens zwecks Übergabe des Geldes sowie dessen - für A unerwarteten - Verhaltens im Fahrzeug ergeben. Dass A insoweit planvoll vorgegangen sei, als er die Waffe zu dem Treffen mitgenommen habe, stehe dem nicht entgegen, weil dies nicht zwecks Tötung des Z geschehen sei, sondern um diesen einzuschüchtern und so dazu zu bewegen, ihn mit den unberechtigten Forderungen in Ruhe zu lassen.
Siehe zum Merkmal der Heimtücke auch Besprechung von BGH, Beschl. v. 24.03.2021 (4 StR 142/20): BGH zu tödlich verlaufender Fluchtfahrt
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