OLG Frankfurt a.M.: Schmerzensgeld nach Unfall mit mangelhaftem Mietwagen

OLG Frankfurt a.M.: Schmerzensgeld nach Unfall mit mangelhaftem Mietwagen

Kann die verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel der Mietsache und die Verletzung von Kardinalpflichten durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden?

Bei einem Verkehrsunfall mit dem Mietwagen verlor die Klägerin einen Arm und erlitt schwerste Verletzungen. Später stellt sich heraus: Das Fahrzeug ist von Anfang an nicht verkehrssicher gewesen. Doch die Autovermietung lehnt eine Haftung ab und verweist auf ihre AGB. Zu Recht?

Worum geht es?

Im Herbst 2010 erlitt eine Kundin einer Mietwagenfirma schwerste Verletzungen, als sie mit dem Mietwagen einen Unfall hatte. Der Wagen sei nach der Auffassung des Sachverständigen von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen. Doch die Mietwagenfirma lehnt eine Haftung ab – mit Verweis auf ihre AGB.

Die Klägerin war Stammkundin bei der Beklagten, die eine gewerbliche Autovermietung betrieb. Auch im Herbst 2010 mietete sie sich ein Fahrzeug für die Strecke Frankfurt – Berlin und zurück. Bereits auf dem Hinweg bemerkte die Klägerin Probleme mit der Gangschaltung und informierte die Beklagte.

Auf dem Rückweg passierte dann das Unglück: Der Mietwagen geriet plötzlich ins Schleudern, ein Gegenlenken sei nicht möglich gewesen. Im Verlauf schaukelte sich der Wagen auf, kippte nach links über und rutschte über den Fahrbahnrand hinaus in eine Grünfläche. Dabei geriet der linke Arm der Klägerin durch das geöffnete Fenster und wurde abgetrennt. Insgesamt erlitt sie durch den Unfall schwerste Verletzungen, eine Replantation des Armes war nicht möglich.

Nach späteren Feststellungen eines Sachverständigen sei das gemietete Fahrzeug mangelhaft gewesen. Bereits bei der Fertigung sei im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager nicht richtig verbaut worden. Damit sei der Wagen, so die Ausführungen des Experten, von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen.

Vor Gericht begehrte die Klägerin von der Beklagten Schmerzensgeld und eine Schmerzensgeldrente. Die Autovermietung wehrte sich dagegen mit einem Verweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB): Gemäß der Mietvertragsbedingungen hafte sie nur für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit der Mieter:innen nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen. Das LG Frankfurt a.M. hat daher die Klage abgewiesen. Die Sache kam aber nun in die nächste Instanz.

OLG: Unzulässiger Haftungsausschluss

Vor dem OLG Frankfurt a.M. hatte die Klägerin Erfolg: In zweiter Instanz wurde ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 90.000 Euro sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 160,00 Euro zugesprochen. Das gemietete Fahrzeug sei mangelhaft gewesen, stellte das OLG fest, weiter heißt es:

Für diesen von der Beklagten nicht verschuldeten Mangel des Fahrzeugs hafte die Beklagte.

Denn sie könne sich nicht auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss für solch unverschuldete Schäden berufen. Die Richter:innen verwiesen auf das Gesetz: Nach § 536a BGB, in dem der Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels geregelt ist, hafte der Vermieter kraft Gesetzes auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, wenn sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Ein solcher Haftungsausschluss, wie die Autovermietung es getan hat, sei zwar grundsätzlich möglich. Doch bei Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung einer sogenannten Kardinalpflicht sei kein Haftungsausschluss möglich.

Kardinalpflichten meinen die wesentlichen Pflichten eines Leistenden. Bei der Vermietung eines Wagens gehöre dessen Verkehrssicherheit dazu, so das OLG. Insbesondere müssten die Lenkung und die Bremsen funktionsfähig sein.

AGB-Prüfung scheitert an § 307 I BGB

Die Bestimmung aus den AGB der Beklagten, dass sie nur für die Schäden bei grobem Verschulden oder fahrlässiger Pflichtverletzung hafte, sei nach Auffassung des Gerichts gemäß § 307 I BGB unwirksam. § 307 BGB stellt die dritter Prüfungsstufe bei einer AGB-Kontrolle dar: Nach einer Prüfung der konkreten Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit aus § 309 BGB sind die AGB auf Klauseln zu überprüfen, die eine Wertungsmöglichkeit haben (§ 308 BGB). Schließlich kommt die Generalklausel des § 307 I BGB:

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Dies sei hier der Fall. Die Mieter:innen der Autovermietung würden unangemessen entgegen Treu und Glauben benachteiligt, wenn die Klausel auch Schäden aus der Verletzung derartiger im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten der Mietwagenfirma umfassen würde. Den typischen Vertragszweck prägende Pflichten dürften nicht ausgehöhlt werden.

Der Klägerin stehe daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 90.000 Euro sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 160,00 Euro zu. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim BGH beantragen.

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