"Mafia-Prozess": Schöffe schläft bei Kronzeugen-Vernehmung ein

Auch das BVerwG musste sich bereits mit so einem Fall beschäftigen

Während der Kronzeuge gegen die 14 angeklagten Drogenhändler aussagte, war vermutlich der ganze Gerichtssaal gespannt. Bis auf einen: Einer der Schöffen schlief so tief, dass er vom Richter geweckt werden musste. Der anschließende Befangenheitsantrag gegen ihn hatte Erfolg.

Worum geht es?

Vor dem LG Duisburg wird seit 2020 ein aufregendes Strafverfahren verhandelt: Es geht um den internationalen Kokainhandel, von den 14 Angeklagten sollen fünf von ihnen zur sogenannten ´Ndrangheta, einer kalabrischen Mafia gehören. Ein wichtiger Kronzeuge muss per Video aus Italien zugeschaltet werden und das ganze Verfahren, das aus Platzgründen in den Räumlichkeiten des OLG Düsseldorf stattfindet, steht unter erhöhten Sicherheitsbedingungen. Doch die nahezu filmreifen Umstände scheinen einem der Schöffen nicht spannend genug zu sein.

Laienrichter wiederholt eingeschlafen

Der Laienrichter der 4. Großen Strafkammer soll während den Verhandlungen immer mal wieder eingeschlafen sein. Der Prozess läuft seit Oktober 2020, ist vorerst bis Ende 2022 terminiert und bisweilen beläuft er sich auf über 70 Verhandlungstage, zwei Sitzungen pro Woche. Ein Gerichtssprecher kommentierte, dass diese auch in der Regel recht lange dauern würden. Das verwundert nicht, schließlich richtet sich der Vorwurf der Staatsanwaltschaft gegen insgesamt 14 Angeklagte, denen unter anderem internationaler Handel mit mehr als 600 Kilogramm Heroin vorgeworfen wird.

Aufmerksam wurden die Prozessbeteiligten auf den Schlaf des Schöffen während einer Vernehmung des Kronzeugen, der an einem Montagvormittag per Video aus Italien zugeschaltet war. Während der Beweiserhebung soll der Schöffe so tief geschlafen haben, dass er von einem Berufsrichter geweckt werden musste.

Einer der vielen Verteidiger beantragte daraufhin, den Vorfall zu protokollieren. Dies soll aber schon ein weiterer Verteidiger erledigt haben, da er während des gesamten Verfahrens ein „Schlafprotokoll“ über den betroffenen Schöffen führe. Daraus gehe hervor, dass dieser seit Anfang Dezember 2021 an mindestens sechs Verhandlungstagen immer wieder eingenickt sein soll.

Der Befangenheitsantrag in der StPO

Die gesamte Verteidigung stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag, dem sich auch die Staatsanwaltschaft angeschlossen habe. Mit Erfolg: Der Schöffe wurde vom „Mafia-Prozess“ ausgeschlossen und wird nun durch einen Ersatzschöffen ersetzt.

Der Befangenheitsantrag gegen einen Schöffen findet sich in § 24 I in Verbindung mit § 31 I StPO. Danach kann dieser – wie ein Richter – wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Grundsätzlich lassen sie sich mit einem Ausschließungs- oder einem Ablehnungsgrund begründen. Die Ausschließungsgründe finden sich in den §§ 22, 23 StPO und schließen einen Richter bzw. Schöffen etwa dann aus, wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist oder mit dem Beschuldigten verwandt ist. Die Ablehnungsgründe hingegen finden sich in § 24 I, II StPO und sind weiter gefasst.

§ 24 II StPO:

Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

Die Verteidigung hatte im „Mafia-Prozess“ argumentiert, wer einschläft, stelle nach außen hin zur Schau, es würde ihn nicht interessieren.

Schlaf eines Laienrichters: Ein „Klassiker“

Tatsächlich scheint das Phänomen von schlafenden Laienrichtern schon das eine oder andere Mal vorgekommen zu sein. Der BGH etwa sah im vergangenen Jahr in einem Schöffen, der vor dem LG Kassel „über einen nicht unerheblichen Zeitraum fest geschlafen“ haben soll, einen absoluten Revisionsgrund.

Auch das BVerwG musste sich bereits mit dem Thema beschäftigen. In unserem Klassiker „Schlaf eines Richters“ ging es um ähnliche Vorwürfe: Die Beklagtenvertreterin erhob vor den Leipziger Richtern eine Besetzungsrüge, weil ein ehrenamtlicher Richter während der Verhandlung über einen längeren Zeitraum ununterbrochen die Augen geschlossen hatte. Zudem sei ein Senken des Kopfes auf die Brust, ruhiges Atmen und ein „Hochschrecken“ beobachtet worden – er habe offensichtlich geschlafen. Das BVerwG musste entscheiden:

Begründet der Vortrag der Beklagtenvertreterin die Rüge des nicht vorschriftsmäßig besetzten Gerichts, weil der ehrenamtliche Richter in der mündlichen Verhandlung mutmaßlich eingeschlafen sei?

Den Klassiker findest Du hier: Schlaf eines Richters.