Rechtspolitik im Koalitonsvertrag: Was ist geplant?

Rechtspolitik im Koalitonsvertrag: Was ist geplant?

Was hat die Ampel-Koalition rechtspolitisch geplant?

Nach den Wahlen und einer erfolgreichen Koalitionsbildung zwischen SPD, Grünen und FDP geht es für die künftige Bundesregierung nun ins Eingemachte: Auf einen Koalitionsvertrag wurde sich bereits Ende November geeinigt. Was hat die Ampel-Koalition rechtspolitisch geplant? 

Was soll sich ändern?

Zwei Monate nach der Bundestagswahl hat sich die Ampel-Koalition im Rekordtempo auf ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die kommenden vier Jahre geeinigt. Das Arbeitsprogramm trägt den Titel “Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit” und soll bis 2025 realisiert werden. In dem 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag finden sich auch viele rechtspolitische Themen wieder. Ein bereits im Vorfeld stark umstrittenes Vorhaben ist beispielsweise die geplante Legalisierung von Cannabis.

So stellte der Deutsche Anwaltverein (DAV) fest, dass der Begriff “Rechtsstaat” 29 Mal auftauche. In der Stellungnahme heißt es: “Das lässt Gutes hoffen - zumal ausdrücklich klargestellt wird, dass der Rechtsstaat nicht nur eine Verteidigung der Sicherheit, sondern auch der bürgerlichen Freiheitsrechte bedeutet.”

Mindestens drei Grundgesetz-Änderungen geplant

Die kommende Bundesregierung hat bereits drei Grundgesetz-Änderungen geplant: Das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG soll um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität ergänzt und der Begriff “Rasse” im Grundgesetz gestrichen und ersetzt werden. Außerdem soll ein neuer Versuch gestartet werden, die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern, wobei sich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention orientiert werden solle.

Auch im Arbeitsrecht soll es einige Änderungen geben. Die Ampel stellt jedoch klar, dass sie am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitsgesetz festhalten will. Im Rahmen einer im Jahre 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel solle es nur “im Rahmen von Tarifverträgen” Arbeitnehmer:innen ermöglicht werden, unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten. “Eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit” werde es nur geben, “wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume)”.

Zunächst keine Schuldenbremse

Im Hinblick auf die fortwirkenden Folgen der Corona-Pandemie hat die Ampel-Koalition unter anderem entschieden, dass 2022 aufgrund der außergewöhnlichen Notsituation weiterhin eine Ausnahme von der in Art. 115 GG geregelten Schuldenbremse gelten soll. In Art. 115 GG heißt es:

(1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz.
(2) Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Diesem Grundsatz ist entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Zusätzlich sind bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der nach den Sätzen 1 bis 3 zulässigen Kreditobergrenze werden auf einem Kontrollkonto erfasst; Belastungen, die den Schwellenwert von 1,5 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt überschreiten, sind konjunkturgerecht zurückzuführen. Näheres, insbesondere die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen und das Verfahren zur Berechnung der Obergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens sowie die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der Regelgrenze, regelt ein Bundesgesetz. Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden. Die Rückführung der nach Satz 6 aufgenommenen Kredite hat binnen eines angemessenen Zeitraumes zu erfolgen.

Ab 2023 sei dann eine Beschränkung der Verschuldung auf den verfassungsrechtlich vorgegebenen Spielraum geplant.

Neues zum Wahlrecht

Das aktive Wahlalter für die Wahl zum Bundestag soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Für dieses Vorhaben ist eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Für eine solche Änderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich. Auch das aktive Wahlalter für das Europäische Parlament soll auf 16 Jahre gesenkt werden. Für die Europa-Wahlen könnten die Koalitionäre diese Reform mit einfacher Mehrheit beschließen. 

Zudem will die Koalition “innerhalb des ersten Jahres” der Amtszeit das Wahlrecht überarbeiten, um ein weiteres Anwachsen des Bundestages zu verhindern.

Kritik hagelte es zu diesem Vorhaben schon im Vorfeld von der künftigen Opposition. Die CDU lehnt die geplante Absenkung des Wahlalters entschieden ab. “Das Wahlrecht gehört an die Volljährigkeit und damit auch an die Geschäftsfähigkeit gekoppelt. Punkt”, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak gegenüber der Rheinischen Post.

Legalisierung von Cannabis geplant

Ein weiteres heiß diskutiertes Thema der Ampel-Koalition ist  die Legalisierung von Cannabis. Die Koalition will die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene “zu Genusszwecken” in lizenzierten Geschäften einführen. Dadurch werde die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Das entsprechende Gesetz soll nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen evaluiert werden.

Auch dieses Vorhaben erntete bereits Kritik, unter anderem von dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU). “Ich halte es für gefährlich und mindestens überflüssig”, sagte er bei “n-tv”.

Überarbeitung des strafrechtlichen Sanktionssystems

Des Weiteren äußert sich die Ampel zum Bereich Strafrecht. Dieses solle “immer nur Ultima Ratio” sein. Es solle zudem eine Evaluierung stattfinden. 

Im Bereich Strafrecht stellt die Ampel klar, dass dieses “immer nur Ultima Ratio” sei: Angekündigt wird auch hier eine Evaluierung: “Wir überprüfen das Strafrecht systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche und legen einen Fokus auf historisch überholte Straftatbestände, die Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz.” Das Sanktionensystem einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen werde mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung überarbeitet.

Im Rahmen des Strafverfahrens sollen langjährige Forderungen der Strafrechtler:innen umgesetzt werden:

“Vernehmungen und Hauptverhandlung müssen in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Unter anderem regeln wir die Verständigung im Strafverfahren einschließlich möglicher Gespräche über die Verfahrensgestaltung und das grundsätzliche Verbot der Tatprovokation. Gerichtsentscheidungen sollen grundsätzlich in anonymisierter Form in einer Datenbank öffentlich und maschinenlesbar verfügbar sein. Wir stellen die Verteidigung der Beschuldigten mit Beginn der ersten Vernehmung sicher.”

Abschaffung des Transsexuellengesetzes

Im Bereich Anti-Diskriminierung soll das veraltete Transsexuellengesetz (TSG) aus dem Jahr 1980 abgeschafft und ein Selbstbestimmungsgesetz eingeführt werden. Außerdem werden geschlechtsspezifische und homosexuellenfeindliche Beweggründe in den Katalog der Strafzumessung des § 46 Abs. 2 StGB explizit aufgenommen. Die Polizeien von Bund und Ländern sollen künftig Hasskriminalität aufgrund des Geschlechts und gegen queere Menschen separat erfassen.

Personelle Änderungen

Und wie sieht es eigentlich personell bei der künftigen Bundesregierung aus? Die Grünen werden gemäß Art. 69 GG den Stellvertreter des designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz stellen. Im Gespräch für diesen Posten ist der Parteivorsitzende Robert Habeck. Annalena Baerbock soll hingegen das Auswärtige Amt leiten.

Das Justizministerium wird künftig von der FDP besetzt. Neuer Justizminister der Ampel-Koalition wird der bisherige Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Marco Buschmann. Christian Lindner wird hingegen Finanzminister.

Die SPD wird unter anderem für die Verteidigung, Arbeit und Soziales und Gesundheit zuständig sein.

Schaue Dir hier die (prüfungs-) relevanten Lerninhalte zu diesem Thema an:

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