BGH zu Eigentumsrechten an Photovoltaikanlagen

BGH zu Eigentumsrechten an Photovoltaikanlagen

Sachenrecht vom Feinsten

Unter welchen Voraussetzungen können Solarmodule, die in eine Freiland-Photovoltaikanlage eingebaut sind, Gegenstand besonderer Rechte sein? Zu dieser Frage hat sich jüngst der unter anderem für das Sachenrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH in vier Parallelverfahren geäußert. Sachenrecht vom Feinsten!

Worum geht es?

Kläger ist in allen vier Verfahren der Insolvenzverwalter einer Gesellschaft, die im Jahr 2010 eine Freiland-Photovoltaikanlage mit insgesamt 5.000 Photovoltaikmodulen, neun Wechselrichtern und einer Gesamtleistung von 1.050 kWp erwarb, welche zuvor auf dem Grundstück eines Dritten errichtet worden war. Die Gesellschaft erhielt an dem Grundstück ein Nutzungsrecht. Ende 2010 verkaufte sie die Module dieser Anlage an insgesamt separate 65 Kapitalanleger. Diese sollten gemäß den jeweiligen Kaufverträgen das Eigentum an einer bestimmten Anzahl von Modulen nebst einem Miteigentumsanteil an der Unterkonstruktion der Photovoltaikanlage erwerben. Zugleich vermieteten die Anleger die Module an ein Tochterunternehmen der die Module veräußernden Gesellschaft zurück. Im März 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Für die Gesellschaftsvermögen zog der klagende Insolvenzverwalter nun bis vor den BGH.

(Prüfungs-) Relevante Lerninhalte zu diesem Thema:

BGH hebt Urteile auf

Der Kläger hat in den vier streitgegenständlichen Verfahren die Feststellung begehrt, dass die jeweiligen Beklagten kein Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion erworben haben. Er hatte jedoch nur hinsichtlich einer Feststellungsklage vor dem OLG Karlsruhe Erfolg. Der Kläger legte gegen die drei nachteiligen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Bamberg und München Revision ein. Außerdem hat er seinen Feststellungsantrag weiter verfolgt. In dem Verfahren des OLG Karlsruhe wollte der Beklagte mit seiner Revision erreichen, dass die Klage abgewiesen wird. 

Der BGH hat in seiner Entscheidung die vier streitgegenständlichen OLG-Urteile aufgehoben und diese an die jeweiligen Oberlandesgerichte zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (Urt. v. 22.10.2021, Az. V ZR 225/19, V ZR 8/20, V ZR 44/20, V ZR 69/20).

Das sagt der BGH

In der Entscheidung des BGH geht es um reines Sachenrecht. Der Eigentumserwerb der jeweiligen Beklagten setze unter anderem voraus, dass die Module zum Zeitpunkt der Übereignung sonderrechtsfähig, das heißt weder wesentliche Bestandteile des Grundstücks im Sinne von § 94 I BGB noch der Photovoltaikanlage nach § 93 oder § 94 II BGB, waren.

§ 94 I BGB besagt:

(1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

In § 94 II BGB heißt es: 

(2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

Gemäß § 93 BGB können Bestandteile einer Sache, die nicht voneinander getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird - sogenannte “wesentliche Bestandteile” - nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

Die Photovoltaikanlage selbst - und daher die Module als Teile dieser - sei nicht nach § 94 I BGB wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks, da die Anlage mit diesem nicht verbunden sei oder jedenfalls als Scheinbestandteil i.S.v. § 95 BGB anzusehen sei, da sie aufgrund eines Nutzungsvertrages errichtet wurde, der ihren Abbau zum Ende der Vertragslaufzeit vorsehe.

BGH: Module keine wesentlichen Bestandteile i.S.v. § 94 II BGB

Weiter führt der BGH aus, dass die Module auch nicht deshalb wesentliche Bestandteile der Anlage seien, weil diese infolgedessen als Gebäude i.S.v. § 94 BGB anzusehen wäre, in das die Module zur Herstellung eingefügt wurden. Gebäude im Sinne dieser Vorschrift seien zwar auch andere größere Bauwerke, deren Beseitigung eine dem (Teil-)Abriss eines Gebäudes im engeren Sinne vergleichbare Zerschlagung wirtschaftlicher Werte bedeutete. 

Ein Bauwerk setze in diesem Zusammenhang aber regelmäßig etwas mit klassischen Baustoffen “Gebautes” von solcher Größe und Komplexität voraus, dass die Beseitigung die Zerstörung oder wesentliche Beschädigung und den Verlust der Funktionalität der Sache zur Folge hätte. Eine Freiland-Photovoltaikanlage stelle jedenfalls dann, wenn sie – wie hier – aus einer gerüstähnlichen Aufständerung aus Stangen oder Schienen sowie darin eingesetzten Photovoltaikmodulen besteht, kein Gebäude i.S.v. § 94 BGB dar.

§ 93 BGB?

In Betracht kommt nach der Auffassung des V. Zivilsenats jedoch, dass die Module nach § 93 BGB wesentliche Bestandteile der Gesamtanlage - und somit einer Sache - darstellen könnten. Sie kamen in diesem Zusammenhang zu folgendem Ergebnis: Ob ein Bestandteil i.S.v. § 93 BGB wesentlich ist, bestimme sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Verbindung, wenn es darauf ankommt, ob an dem Bestandteil bestehende Rechte Dritter infolge der Verbindung untergegangen sind. Sei dagegen zu beurteilen, ob Rechte Dritter an einem Bestandteil begründet werden können, der bereits in eine zusammengesetzte Sache eingefügt ist, komme es auf die Verhältnisse bei Entstehung des Rechts und darauf an, welche Folgen der gedachte Ausbau in diesem Zeitpunkt gehabt hätte. 

Hätten die Module bei der Übereignung im Falle der Trennung noch durch zumindest vergleichbare, auf dem Markt verfügbare Modelle ersetzt und ihrerseits in anderen Anlagen verwendet werden können, wären sie sonderrechtsfähig gewesen, so der BGH. Hiervon könne aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen der Errichtung der Anlage und Übereignung der Module an die Anleger ausgegangen werden, wenn der Kläger nicht dagegen an beweist. Ob die streitgegenständlichen Module nun sonderrechtsfähig sind, haben nun wieder die Richter der OLG zu prüfen.

Scheinbestandteile?

Sollten die Module nach den genannten Maßstäben von den OLG als wesentliche Bestandteile der Anlage angesehen werden, ergäbe sich ihre Sonderrechtsfähigkeit nicht daraus, dass sie Scheinbestandteile i.S.v. § 95 I BGB darstellten. Denn diese Vorschrift, nach der zu den Bestandteilen eines Grundstücks solche Sachen nicht gehören, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind, sei auf Bestandteile einer beweglichen Sache i.S.v. § 93 BGB nicht entsprechend anwendbar. Die Photovoltaikanlage sei eine bewegliche Sache im Rechtssinne, weil sie weder ein Gebäude noch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sei.

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