BGH zu „Zombieunternehmen” – Ist § 826 BGB erfüllt?

BGH zu „Zombieunternehmen” – Ist § 826 BGB erfüllt?

BGH zur zivilrechtlichen Haftung sogenannter Zombieunternehmen

Wenn die Geschäftsführung den wirtschaftlichen Bankrott des Unternehmens bloß hinauszögert, kann sie sich nach § 826 BGB haftbar machen. Der BGH musste sich in seiner Entscheidung mit einem sogenannten „Zombieunternehmen“ befassen.

Worum geht es?

In einer jungen Entscheidung haben sich die Richter:innen aus Karlsruhe mit der zivilrechtlichen Haftung sogenannter „Zombieunternehmen“ beschäftigt. Darunter sind hoch verschuldete Unternehmen zu verstehen, die nicht mehr in der Lage sind, die Zinsen von aufgenommenen Krediten zu zahlen und damit vor dem Bankrott stehen – sich aber irgendwie noch am Leben halten, auch wenn die verbleibende Zeit absehbar ist. Verantwortlich dafür sind solche Geschäftsführer:innen, die mit allen Mitteln versuchen, das insolvente Unternehmen künstlich am Leben zu halten, zum Beispiel auch durch eine zu spät angemeldete Insolvenz. Doch macht sich die Geschäftsführung damit haftbar?

Der Ausgangsfall

Um genau einen solchen Fall ging es nun vor dem BGH. Der Kläger verlangte vom Geschäftsführer eines Fassadenunternehmens Schadensersatz für Gerichts-, Sachverständigen- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von knapp 6.000 Euro. Ursprünglich ging es um einen nicht erfüllten Vertrag über Werkleistungen in Höhe von 13.000 Euro. Aufgrund von Mängeln hatte der Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet.

Doch im selben Jahr erging gegen den Geschäftsführer ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung. Ein paar Monate später wurde über das Vermögen des Unternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Im Zuge dessen lehnte der Insolvenzverwalter es ab, Kosten für die Vergütung des Sachverständigen aus dem selbstständigen Beweisverfahren zu tragen.

Landgericht bejaht § 823 II BGB iVm § 15a I 1 InsO

Der Streit ging vor Gericht und das LG Karlsruhe verurteilte den Geschäftsführer antragsgemäß zur Zahlung der geforderten Kosten. Es bestehe ein Anspruch aus § 823 II BGB in Verbindung mit § 15a I 1 InsO, da für das Unternehmen spätestens ab dem 01.12.2015 der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit bestanden habe. Dadurch sei der Geschäftsführer verpflichtet gewesen, unverzüglich, spätestens aber nach drei Wochen, einen Eröffnungsantrag zu stellen. Dies habe er schuldhaft unterlassen und billigend in Kauf genommen, dass der Kläger einen kostenauslösenden „Prozess“ (also das selbstständige Beweisverfahren) anstrenge. Das OLG bestätigte die Entscheidung.

BGH bejaht § 826 BGB

Gegen die Entscheidung des OLG legte der beklagte Geschäftsführer beim BGH Revision ein – allerdings ohne Erfolg. Die Karlsruher Richter:innen stimmten dem OLG im Ergebnis zu. Als Anspruchsgrundlage bedienten sich die Bundesrichter:innen allerdings vielmehr an § 826 BGB: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Insolvenzverschleppung zu.

§ 826 BGB:
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Das Berufungsgericht habe fehlerfrei festgestellt, dass das Unternehmen zahlungsunfähig im Sinne des § 17 II InsO war und der beklagte Geschäftsführer seiner Insolvenzantragspflicht nicht nachgekommen sei. Insbesondere habe er dabei vorsätzlich gehandelt. Außerdem werde der Kunde des Unternehmens von dem Schutzbereich des § 826 BGB erfasst. Der Schutzbereich einer Insolvenzverschleppung im Sinne der Norm erfasse alle Personen, die vor der Insolvenzreife Vertragsbeziehungen zu dem Unternehmen hatten und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit oder Ähnlichem mit Kosten belastet wurde. 

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Merkmal der Sittenwidrigkeit (+)

Durch die vorsätzliche Verletzung seiner Insolvenzantragspflicht habe der Geschäftsführer den Kunden sittenwidrig geschädigt. Dabei führte das Gericht aus, dass die Sittenwidrigkeit der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in der Regel bereits aus dem Verstoß des antragspflichtigen Geschäftsführers gegen seine Pflichten resultiere.

Wenn der Geschäftsführer die Insolvenzreife der Gesellschaft erkennt und das Unternehmen dennoch weiterführt, lässt das darauf schließen, dass er das unabweisbare Ende des Unternehmens zum Nachteil der Gläubiger nur hinauszögern will.

Eine Ausnahme davon sei nur etwa dann anzunehmen, wenn die Geschäftsführung den Antrag nur deshalb unterlassen hätte, wenn sie noch berechtigte Hoffnung auf einen Aufschwung gehabt hätte. Dies sei hier allerdings nicht der Fall gewesen. 

Selbständiges Beweisverfahren ersatzfähig

Daher müsse der Beklagte dem Kläger den Schaden ersetzen, der ihm durch die vorsätzliche Verschleppung des Insolvenzantrags entstanden sei. Wichtig: Die vorab in Rede stehenden Streitigkeiten über die Werkleistungen zählen nicht dazu. Vielmehr ging es um die Kosten, die anschließend entstanden waren.

Der BGH führte aus, dass ein Schaden im Sinne der §§ 826, 249 BGB dem Kläger durch die verspätete Stellung des Insolvenzantrags dann entstanden sei, wenn eine rechtzeitige Antragstellung dazu geführt hätte, dass er das selbstständige Beweisverfahren nicht eingeleitet hätte, mit dem Kosten verbunden waren. Daran hatten alle Instanzen keine Zweifel. Insbesondere bestehe ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Insolvenzverschleppung des Beklagten und den entstandenen Kosten des Klägers. In der Entscheidung heißt es:

Der nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Insolvenzverschleppung verantwortliche Geschäftsleiter einer GmbH haftet für solche Rechtsverfolgungskosten, für deren Verursachung ein rechtfertigender Anlass bestand […] und die sich weder als ungewöhnlich noch als gänzlich unangemessen darstellen.

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