BGH: Körperverletzung durch Verabreichen von Alkohol?

BGH: Körperverletzung durch Verabreichen von Alkohol?

Handelt es sich um eine (gefährliche) Körperverletzung, wenn man jemandem heimlich Alkohol ins Getränk mischt?

Bei einem Spieleabend schenkte ein Mann einem 15-jährigen Mädchen heimlich Wodka ins Glas, später musste sie sich übergeben. LG und BGH waren sich uneinig: Handelt es sich um eine gefährliche Körperverletzung?

Worum geht es?

Alkohol ist fester Bestandteil in unserem gesellschaftlichen Leben und ist nahezu überall erhältlich. Und wer ihn trinkt, wird in der Regel darüber Bescheid wissen, welche Gesundheitsgefahren mit dem gesellschaftlich anerkannten Genussmittel einhergehen. Zumindest setzt man sich den Risiken freiwillig aus, wenn man sich in der Bar eine Flasche Bier oder zum Abendessen ein Glas Wein genehmigt: Das Stichwort ist eigenverantwortliche Selbstschädigung. Wenn es an der Freiwilligkeit allerdings fehlt, wird es strafrechtlich spannend. Ist das heimliche Verabreichen von Alkohol eine gefährliche Körperverletzung?

Was war passiert?

Um diese Frage ging es in einem jungen Verfahren vor dem BGH. Der damals 37-jährige Angeklagte soll im Sommer 2011 ein sexuelles Interesse an der damals 15-jährigen Zeugin gehabt haben. Als es zu einem Spieleabend im Haus des Angeklagten und seiner damaligen Ehefrau kam, waren am späten Abend nur noch das Ehepaar, die 15-Jährige und ihr 18-jähriger Freund anwesend.

Beim Spieleabend wurde Alkohol getrunken, nach einem Bier trank die Jugendliche ein Glas Wein. Ihr Glas soll dabei vom Angeklagten immer wieder aufgefüllt worden sein, wenn sie vom Spiel abgelenkt war oder zur Toilette musste. Allerdings soll sie dies mitbekommen haben.

Doch beim Wein soll es nicht geblieben sein. Als sich die Jugendliche im Laufe des Abends dazu entschied, auf nicht-alkoholische Getränke umzusteigen – sie soll sich bereits angetrunken gefühlt haben – habe der Angeklagte ihr heimlich Wodka in ihr Glas mit nicht-alkoholischem Inhalt geschenkt, aus dem sie trank. Die Jugendliche wurde erheblich betrunken - als sie zu Hause ankam, musste sie sich übergeben.

LG sieht gefährliche Körperverletzung

Gegen den damals 37-Jährigen kam es zum Strafprozess. Dabei konnte an zwei Tathandlungen angeknüpft werden – das Nachschenken von Wein und das Einschenken des Wodkas. Beim Wein waren sich das LG Essen und später auch der BGH einig: Da die Jugendliche das Nachschenken des Weins mitbekommen habe, liege hier keine Körperverletzung vor. Ihr soll insoweit bewusst gewesen sein, dass sie Alkohol zu sich nahm, weshalb lediglich eine Förderung der eigenverantwortlichen Selbstschädigung durch einen Dritten vorlag.

Anders sieht es beim Wodka aus. Durch das heimliche Einschenken des Alkohols in ihr Glas sah das LG eine gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 I, 224 I Nr. 3 StGB. Durch das Einschenken des Wodkas habe der Angeklagte die Jugendliche an ihrer Gesundheit geschädigt. Die Herbeiführung eines Rauschzustandes durch Alkohol könne dann als Gesundheitsschädigung eingeordnet werden, wenn es zur Bewusstlosigkeit kommt oder die Betroffene sich übergeben muss. Und diese Gesundheitsschädigung könne durch § 224 I Nr. 3 StGB qualifiziert werden: Körperverletzung mittels hinterlistigen Überfalls.

BGH moniert Erkenntnislücken

In Karlsruhe sah man dies hingegen anders. Dass grundsätzlich die Herbeiführung des Rauschzustands eine Körperverletzung darstellen könne, sei nicht zu beanstanden. Allerdings monierten die Richter:innen am BGH, dass das LG nicht tragfähig begründet habe, dass das heimliche Zuführen des Wodkas den bereits zuvor eingetretenen Rauschzustand der Zeugin maßgebend verstärkte und daher mitursächlich für ihren späteren Zustand war.  Im Beschluss ist von „durchgreifenden Erörterungslücken“ die Rede. Für den Senat sei nicht nachvollziehbar, ob…

…die festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Zeugin nicht bereits auf den eigenverantwortlich herbeigeführten Rauschzustand zurückzuführen sind.

Es bleibe außerdem unklar, welche Menge Wodka in das Glas geschüttet worden sei. In dubio pro reo müsse daher zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden, dass (nur) einmal der hochprozentige Alkohol in das Glas geschüttet wurde.

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