Diebstahl an Selbstbedienungskasse – oder doch Betrug?
Das LG Kaiserslautern musste sich mit der Abgrenzung der beiden Straftatbestände befassen. Um welchen Straftatbestand handelt es sich, wenn man mit der Ware an der Selbstbedienungskasse vorbeigeht, ohne sie vorher einzuscannen?
Worum geht es?
Während sich unser Leben im Alltag immer weiter modernisiert, müssen die geltenden Regelungen im Strafrecht den verschiedenen (gesellschaftlichen) Veränderungen standhalten, sodass es immer wieder zu schwierigen (Abgrenzungs-) Fragen kommen kann. Ein Paradebeispiel hat nun das LG Kaiserslautern geliefert: Es ging um die Strafbarkeit an einer Selbstbedienungskasse. Nun gibt es Selbstbedienungskassen zwar schon seit einigen Jahren, Fragen zum Diebstahl und Betrug beschäftigen die Gerichte in diesem Zusammenhang aber noch heute.
In einem solch aktuellen Fall warf die zuständige Staatsanwaltschaft einer Angeschuldigten vor, in einem Supermarkt Waren im Wert von knapp 60 Euro entwendet zu haben. Die Frau soll diese im Einkaufswagen transportiert und damit den Kassenbereich passiert haben, ohne sie vollständig an den Selbstbedienungskassen des Ladens gescannt und entsprechend bezahlt zu haben. Anschließend wurde die Angeschuldigte von einem Ladendetektiv gestellt.
Wenn man mit der Ware an der Selbstbedienungskasse vorbeigeht, ohne sie vorher einzuscannen, handelt es sich dann um Diebstahl oder um Betrug?
StA beantragt Strafbefehl, AG lehnt ab, LG war gefragt
Die Staatsanwaltschaft stufte die Handlung der Frau als versuchten Diebstahl ein und beantragte beim AG den Erlass eines Strafbefehls. Der Strafbefehl ist in § 407 StPO normiert und stellt ein vereinfachtes Verfahren dar, das bei leichter Kriminalität seine Anwendung finden kann. Dadurch kann es zu einer rechtskräftigen Verurteilung ohne mündliche Hauptverhandlung kommen.
Wichtig ist aber: Dafür dürfen dem Gericht keine rechtlichen Bedenken entgegenstehen. Solche sollen hier aber vorgelegen haben – zumindest lehnte das AG den Antrag ab und begründete seinen Entschluss damit, dass es sich vielmehr um einen Betrug handeln würde.
Gegen den Beschluss legte die Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde ein. Es argumentierte damit, dass es sich gerade nicht um einen Betrug handeln würde, da es an einer Täuschungshandlung, an einem Getäuschten, an einem Irrtum und an einer Vermögensverfügung fehlen würde. Das LG Kaiserslautern hat nun als Beschwerdegericht entschieden.
LG Kaiserslautern stuft Handlung als (versuchten) Diebstahl ein
Die Abgrenzung von Diebstahl und Sachbetrug im Selbstbedienungsladen stellt bereits einen Klassiker im Strafrecht dar. Das Aufkommen von Selbstbedienungskassen macht die Thematik nicht uninteressanter, im Gegenteil. Nachdem sich das OLG Hamm in einer wegweisenden Entscheidung (5 RVs 56/13) diesbezüglich geäußert hat, schloss sich das LG Kaiserslautern dieser Rechtsauffassung nun an.
In der höheren Instanz wurde der Beschluss des AG nämlich auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Begründung: Auch die Richter:innen am LG Kaiserslautern werteten den Sachverhalt als versuchten Diebstahl, nicht als Betrug. Dreh- und Angelpunkt war die Frage nach der Wegnahme, insbesondere ging es um den Bruch des fremden Gewahrsams.
Mit dem Aufstellen von Selbstbedienungskassen könne zwar grundsätzlich ein generelles Einverständnis in einen Gewahrsamsübergang erklärt werden, heißt es in der Entscheidung. Doch unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsanschauung sei dieses Einverständnis an eine Bedingung geknüpft: Die Selbstbedienungskasse müsse auch ordnungsgemäß bedient werden.
Hierzu gehört unzweifelhaft das korrekte Einscannen und Bezahlen der tatsächlich zur Selbstbedienungskasse mitgebrachten Ware.
Eine für den Betrug erforderliche Täuschungshandlung sei schon deshalb nicht gegeben, da es keinen Getäuschten gebe. Vielmehr liege eine versuchte Wegnahme vor, da die Angeschuldigte ohne das Einverständnis des früheren Gewahrsamsinhabers, sprich der Geschäftsführung des Supermarkts, den Markt mit der Ware verlassen wollte, ohne sie vollständig zu scannen. Da sie vom Ladendetektiv dabei gehindert wurde, bleibe die Tat im Versuchsstadium – ein neuer Gewahrsam sei hier durch die Frau noch nicht begründet worden. Das AG Kaiserslautern muss nun erneut entscheiden.
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Beschuldigte, Angeschuldigte, Angeklagte?
In der Entscheidung des LG ist von der „Angeschuldigten“ die Rede. Bei den Bezeichnungen der mutmaßlichen Täter:innen im Strafprozess kann es ohnehin leicht zu Verwechslungen kommen. Als Beschuldigte:r wird bezeichnet, wer sich in einem Strafverfahrem im Stadium des Ermittlungsverfahrens befindet. Von einer oder einem Angeschuldigten ist die Rede, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben oder – wie hier im Fall – den Erlass eines Strafbefehls beantragt hat. Durch den Erlass eines Strafbefehls oder die Eröffnung des Hauptverfahrens werden Angeschuldigte dann zu Angeklagten.
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