Streit um rechtsextreme Wahlplakate: "Hängt die Grünen"

Streit um rechtsextreme Wahlplakate:

Mordaufruf als angebliche Wahlkampfhilfe

Ein Wahlplakat der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ sorgt nicht nur für Aufsehen, sondern auch für unterschiedliche Gerichtsentscheidungen. Nach Ansicht des VG Chemnitz sei die Äußerung „Hängt die Grünen!“ im Kontext nicht zu beanstanden, das LG München I sieht das anders. Und auch das OVG Bautzen kann der Ansicht des VG Chemnitz nicht folgen.

Worum geht es?

Endspurt im Bundestags-Wahlkampf 2021: Während in TV-Triellen die Kanzlerkandidat:innen um die letzten unentschlossenen Stimmen kämpfen, geht es auch im Straßenwahlkampf heiß her. Etablierte Instrumente sind hier der Haustürwahlkampf, Informationsstände und Wahlplakate. Doch um letzte gibt es nun heftige Diskussionen: Ein Wahlplakat der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“, die 2021 erstmals zu einer Bundestagswahl antritt, sorgt für Aufsehen – und für unterschiedliche Gerichtsentscheidungen. Während das VG Chemnitz das Plakat mit dem Slogan „Hängt die Grünen!“ für zulässig hält, entschied das LG München I gegensätzlich.

Wahlplakat zuerst in Sachsen entdeckt

Verschiedenen Medienberichten zufolge soll das betroffene Wahlplakat zuerst in Plauen und Zwickau entdeckt worden sein. Es handelt sich um ein grünes Plakat, auf dem groß „Hängt die Grünen!“ geschrieben steht. Ein wenig darunter, in deutlich kleinerer Schrift, befindet sich der Wortlaut:

Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt.

Die Partei „III. Weg“, die als Parteifarbe wie die Grünen ebenfalls grün trägt, wurde 2013 von einer Gruppe völkischer Nationalisten gegründet. Das Selbstverständnis der Partei ist laut der Bundeszentrale für politische Bildung durch Antisemitismus und Rassismus geprägt. Die Partei steht unter Beobachtung verschiedener Verfassungsschutzbehörden, ihre Mitglieder werden als gewaltbereit eingestuft.

VG Chemnitz: Plakate dürfen hängen, aber…

Vor dem VG Chemnitz ging es um einen Bescheid der Stadt Zwickau. Diese hatte angeordnet, dass die Wahlplakate der Partei „Der III. Weg“ in der Stadt zu entfernen seien, da sie gegen die öffentliche Ordnung verstoßen würden. Die Partei ging gerichtlich dagegen vor und hatte unter einer Maßgabe auch Erfolg. Sprich: Die Plakate dürfen hängenbleiben.

Das Gericht argumentierte mit den Grundsätzen des BVerfG für Wahlwerbung und kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den strittigen Wahlplakaten um Werturteile handele, die in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen würden. Dabei müsse stets der objektive Sinn einer Äußerung ermittelt werden. Dafür diene als Grundlage der Wortlaut der Äußerung selbst, aber auch der Kontext und die Begleitumstände. Dies würde insbesondere dann gelten, heißt es im Beschluss des VG Chemnitz, wenn die Äußerung in schlagwortartiger Form zusammengefasst sei. Entscheidend sei nach Rechtsprechung des BVerfG also immer, welchen Sinn die betreffende Äußerung nach dem Verständnis eines objektiven Dritten habe.

Dreh- und Angelpunkt war bei der Chemnitzer Entscheidung die untere Zeile des Plakats. Dadurch sei zumindest eine mehrdeutige Äußerung getroffen worden. Einerseits könne sie als Gewaltaufruf gegen Parteimitglieder der Grünen gedeutet werden, aber andererseits auch als Aufruf an Sympathisanten der Partei „Der III. Weg“, um weitere Plakate der Partei aufzuhängen. „Hängt die Grünen!“ könnte sich bei der zweitgenannten Möglichkeit auf die Parteifarbe der rechtsextremen Partei beziehen. Und da das VG Chemnitz von einer mehrdeutigen Äußerung ausgeht, dürfe der Slogan – nach den Grundsätzen des BVerfG – nicht verboten werden. So etwa beschäftige ein anderer Fall im Jahr 2011 das VG Berlin: Die NPD hängte Wahlplakate eines NPD-Politikers auf einem Motorrad auf, der Slogan: „Gas geben“. Auch hier wurde eine mehrdeutige Äußerung angenommen.

Die Plakate in Zwickau durften daher hängen bleiben, allerdings nur noch 100 Meter von denen der Grünen. Gegen die Entscheidung hat die Stadt Zwickau Beschwerde beim OVG Bautzen eingereicht.

Prüfungsaufbau: Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 1. Fall GG
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OVG Bautzen kippt Chemnitzer Entscheidung

Und das Sächsische OVG in Bautzen hat den Eilantrag der Stadt Zwickau auch schon entschieden. Die höhere Instanz stufte die Plakate der rechtsextremen Partei als Volksverhetzung ein, die damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würden. Zwar dürften Parteien auch im Wahlkampf polemische Äußerungen im Meinungskampf verwenden, die noch von der Meinungsfreiheit geschützt seien. Doch die Grenze sei dann überschritten, wenn gewichtige Straftatbestände vorlägen, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Und weiter: Das Motiv erfülle “den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung”.

Die Entscheidung des LG München I

So sieht es auch das LG München I: Gestritten wurde hier nicht auf dem Verwaltungsrechtsweg, sondern vor dem Zivilgericht. Auch in München hängte die rechtsextreme Partei die umstrittenen Wahlplakate auf. Doch anders als in Sachsen hat die Polizei die Wahlwerbung abgenommen. Laut einer Gerichtssprecherin habe das LG München I der Partei per einstweiliger Verfügung untersagt, die Äußerung öffentlich zu verwenden.

Anders als das VG Chemnitz habe das bayerische Gericht die untere Textzeile als irrelevant eingestuft. Vielmehr verletze die großgeschriebene Äußerung „Hängt die Grünen!“ das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerinnen, also der Grünen. Die Richter:innen argumentierten, dass die  Formulierung dahingehend zu verstehen sei, jemanden aufzuhängen, in sonstiger Weise zu töten oder körperlich zu verletzen. Den Antragsteller:innen stehe daher ein Unterlassungsanspruch zu. Daran würde auch eine etwaige Mehrdeutigkeit des Plakats nichts ändern, denn ein Unterlassungsanspruch bestehe bereits dann, wenn eine von mehreren Interpretationsmöglichkeiten das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletze. Eine solch polemische Äußerung sei nicht mehr von der Meinungsfreiheit der Partei gedeckt.

Die Grünen zeigten sich gegenüber der Münchener Entscheidung erfreut. Ihr Politischer Bundesgeschäftsführer, Michael Kellner, kommentierte:

Wer Morddrohungen plakatiert, verhöhnt unsere Demokratie.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Neben den Entscheidungen aus dem Verwaltungs- und Zivilrecht beschäftigen die Wahlplakate die zuständigen Stellen auch in strafrechtlicher Hinsicht. Die Staatsanwaltschaft Leipzig etwa ermittelt wegen des Anfangsverdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung und Billigung von Straftaten. Ähnliches geschieht auch in Bayern: Nach Auskunft des bayerischen Innenministeriums soll die Polizei die betroffenen Plakate weiterhin aufgrund des Anfangsverdachts einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten abnehmen. 

Prüfungsaufbau: Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I, 1 I GG
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