Erfundene Windparks, Millionenbeträge und eine Unternehmerfamilie aus dem Emsland
Sie sollen an internationale Energiekonzerne niedersächsische Windparks verkauft haben, die es aber nie gegeben hat. Nun müssen sich die fünf Angeklagten vor der Wirtschaftsstrafkammer am LG Osnabrück verantworten. Es geht um Banden- und gewerbsmäßigen Betrug und Urkundenfälschung im großen Stil.
Worum geht es?
Der ehemalige Direktor der Holt Holding Group und vier weitere Angeklagte müssen sich ab dieser Woche vor dem LG Osnabrück verantworten. Rund 500 Tage nach der Festnahme des Windkraftunternehmers in einem Berliner Luxushotel hat der Strafprozess begonnen. Die Anklage lautet: Banden- und gewerbsmäßiger Betrug in Millionenhöhe.
Niedersächsische Windkrafträder im internationalen Fokus
Die Holt Holding Group soll in Niedersachsen umfangreiche Windkrafträder und Windkraftprojekte verkauft haben, die es aber nie gegeben hat. Vielmehr sollen sie nur auf dem Papier existiert haben. Der junge Wirtschaftsunternehmer H, der Direktor des Unternehmens war, soll mit den Mitangeklagten internationale Energiegesellschaften mit gefälschten Dokumenten getäuscht und so zu Vertragsabschlüssen über nicht existierende Windkraft-Projekte gebracht haben. H und ein Geschäftspartner sollen die Firmengruppe dabei als Gesellschafter nach außen vertreten haben, die drei weiteren Angeklagten sollen die Fälschungen vorgenommen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen nun acht Fälle von banden- und gewerbsmäßigen Betrug im Zeitraum von Mitte 2015 bis Februar 2021 vor.
Prüfungsaufbau: Betrug, § 263 StGB
Relevante Lerneinheit
Opfer sollen dabei unter anderem große Unternehmen aus Italien, Schottland und Tschechien gewesen sein, die der Holt Holding Group Millionen überwiesen. Ein Konzern aus Italien soll aufgrund gefälschter Dokumente dazu gebracht worden sein, für einen Windpark in Zeven-Wistedt 560.000 Euro zu zahlen – den es so aber gar nicht gab. Stattdessen wurden die gleichen Projekte gleich mehreren internationalen Unternehmen aus dem Energiesektor erfolgreich angeboten.
Der 31-jährige Direktor H galt durch sein Handeln jahrelang daher auch als Nachwuchsstar der Windenergiebranche. Am frühen Morgen des 17. Aprils 2020 wurde er schließlich im Berliner Luxushotel Adlon festgenommen, seitdem sitzt er in einem niedersächsischen Gefängnis in Untersuchungshaft. Gleichzeitig wurden am Familienanwesen von H, einer niedersächsischen Villa, seine Schwester und Mutter festgenommen. Sein Bruder wurde ebenfalls verhaftet. Der 5. Angeklagte ist der ehemalige Finanzdirektor des Unternehmens. Damals meldete die Staatsanwaltschaft Osnabrück:
Fingierte Windparkbeteiligung: Großer Schlag gegen mögliche Wirtschaftskriminelle.
Urkundenfälschung im großen Stil
Die Holt Holding Group soll dabei die deutsche Bürokratie zu ihren Gunsten ausgenutzt haben: In Deutschland werden aufgrund von Bürgerprotesten, verschiedenen Abstandsregelungen der Windkraftanlagen und jahrelangen Genehmigungsverfahren kaum noch Anlagen aufgestellt, heißt es. Die Holt Holding Group habe aber stets entsprechende Dokumente vorzeigen können. So sollen die Angeklagten insbesondere die Flächennutzungsverträge gefälscht haben. Ein Beispiel: Drei verkaufte Windparks sollten schon 2022 im Emsland ans Netz gehen. Doch eine Sprecherin des Landkreises teilte nach Bekanntwerden des Betrugs mit, dass an den Standorten gar keine Flächen für Windkraft ausgewiesen waren. Der Name Holt Holding Group sei ihr außerdem überhaupt nicht bekannt.
Prüfungsaufbau: Urkundenfälschung, § 267 StGB
Relevante Lerneinheit
Auf dem Papier sah es aber anders aus und die Holt Holding Group konnte verkaufen. Allein bei dem Energiekonzern CEZ aus Tschechien sollen insgesamt 214 gefälschte Verträge und Schreiben von niedersächsischen Gemeinden hergestellt und genutzt worden sein.
Besondere Wirtschaftskenntnisse gefordert
Das Gericht hat zunächst 52 Verhandlungstage bis Januar 2022 angesetzt. Obwohl sich die Mitangeklagten im Vorfeld geständig gezeigt haben sollen, könnte es trotzdem die vollen Verhandlungstage dauern, um die komplexen wirtschaftlichen Verflechtungen aufzuklären. Zuständig ist daher die 2. Große Wirtschaftsstrafkammer am LG Osnabrück.
Die Wirtschaftsstrafkammer gilt als besondere Strafkammer, die am Gericht gebildet werden kann. Ihre gesetzliche Grundlage findet sie in § 74c I GVG. Im Katalog der Norm wird bestimmt, welche Straftaten vor den Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte zu verhandeln sind. Eine Wirtschaftsstrafkammer ist dann nach § 74c I GVG zuständig, wenn es um eine der genannten Straftaten geht und soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind.
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