Gefilmte Polizeibeamtin im Musikvideo: Verletzung des Persönlichkeitsrechts?

Gefilmte Polizeibeamtin im Musikvideo: Verletzung des Persönlichkeitsrechts?

Ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht von Polizeibeamt:innen verletzt, wenn sie (ungefragt) in einem Musikvideo vorkommen?

Eine Polizeibeamtin wird bei einem Polizeieinsatz gefilmt und taucht anschließend für zwei Sekunden in einem Musikvideo auf, ohne davon zu wissen. Nun begehrt sie eine Entschädigung. Das OLG traf spannende Ausführungen dazu, wann das Allgemeine Persönlichkeitsrecht von Polizist:innen verletzt sei.

Worum geht es?

Das OLG Frankfurt am Main hat in einer Entscheidung bestätigt, dass eine Polizeibeamtin, die im Dienst ohne ihr Wissen gefilmt und so in einem Musikvideo zu sehen war, einen Entschädigungsanspruch habe.

Die Bereitschaftspolizistin war Teil eines Einsatzes in Bremen, der aufgrund erwarteter Demonstrationen gegen den Auftritt der Beklagten im April 2018 stattfand. Die Musik der Beklagten soll dem Rechtsrock zuzuordnen sein. In Ausübung ihrer Dienstpflicht wurde sie dabei gefilmt. Die Beklagten nutzten das Video ohne ihre Zustimmung für ein Musikvideo, das auf Youtube zu sehen war. Es erreichte um die 150.000 Aufrufe. Die klagende Polizeibeamtin ist in dem Musikvideo für zwei Sekunden in Zeitlupe zu sehen.

Daraufhin wehrte sich die Polizeibeamtin mit einer Abmahnung an die Beklagten, woraufhin sie in dem Video nur noch verpixelt zu sehen war. Mit ihrer Klage begehrte sie die Erstattung der entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000 Euro.

Polizeibeamte beliebtes Stilmittel?

Dass Polizeibeamte in der Musikszene unfreiwillig zu Werbezwecken benutzt werden, ist keine Seltenheit. Insbesondere in der Rap-Szene ist es sogar ein beliebtes Stilmittel, um die gerappten Texte zu untermauern. Bekannt ist etwa ein Audio-Schnipsel einer Verkehrskontrolle des Hamburger Rappers Gzuz, die von einem Reporter-Team begleitet wurde. Später sampled der Künstler den Fernsehbeitrag und machte daraus seinen Song „Warum“.

Ein anderes Beispiel ereignete sich in Mannheim. In einem Parkhaus versammelten sich knapp 30 Personen aus der Autotuner-Szene und ein lokaler Rapper, um ein neues Musikvideo zu drehen. Die Polizei löste die Veranstaltung auf, insbesondere, weil die Personen sich nicht an die Corona-Schutzmaßnahmen gehalten haben sollen. Während des Einsatzes filmten mehrere Beteiligte das Handeln der Beamten, um sie im Video zu verwenden. Dagegen kündigte die Polizei Mannheim rechtliche Schritte an. Sollte es auch hier zu einer Gerichtsverhandlung kommen, könnte sich das Gericht an den Ausführungen des OLG Frankfurt am Main orientieren – denn es hat spannende Ausführungen zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht getroffen.

Entschädigung für rechtswidrig gefilmte Polizeibeamtin

Bereits vor dem LG Darmstadt hatte die Klägerin Erfolg. Das OLG hat die Entscheidung der ersten Instanz nun im Wesentlichen bestätigt. Die Polizeibeamtin habe wegen einer schwerwiegenden Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung.

Das durch Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Rechtsgut von Verfassungsrang und setze somit der Kunstfreiheit, auf die sich die Beklagten beriefen, eine Grenze. Im Einzelfall müsse stets abgewogen werden, ob eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts derart schwerwiegend sei, dass die Kunstfreiheit dahinter zurücktrete. Bereits das LG Darmstadt führte aus, dass eine geringfügige Beeinträchtigung dafür nicht ausreiche.

Aufbau der Prüfung: Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I, 1 I GG
Relevante Lerneinheit

Bei seiner Abwägungsentscheidung kam es aber zu dem Ergebnis, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin höher zu gewichten sei. Die Verwendung im Musikvideo stelle einen schweren Eingriff dar. Das OLG bestätigte diese Entscheidung. Die durch die Zeitlupeneinstellung besonders hervorgehobene Darstellung der Klägerin sei allein im kommerziellen Verwertungsinteresse der Beklagten gewesen.

Derartige wirtschaftliche- bzw. Werbeinteressen treten regelmäßig hinter das Interesse des Abgebildeten.

Außerdem würden für die Verbreitung von Bildern von Polizeibeamten im Einsatz grundsätzlich die gleichen Regeln wie für Privatpersonen gelten, fügte das OLG hinzu. Polizeibeamte dürfen – wie Privatpersonen – einzeln nur dann aufgenommen werden, wenn ihr Verhalten Anlass dazu gebe. Um eine anlassbedingte Situation habe es sich in Bremen nicht gehandelt.

§ 23 I 1 KUG (-)

Schließlich könnten sich die Beklagten auch nicht auf § 23 aus dem Kunsturhebergesetz berufen. Nach § 23 I 1 KUG dürfen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte auch dann verbreitet werden, wenn keine erforderliche Einwilligung vorliegt. Die Beamtin sei aber nicht allein auf Grund des Einsatzes Teil eines zeitgeschichtlichen Ereignisses. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn sie an einem „besonderen Ereignis“ oder einer „besonderen Handlung“ teilnimmt, die eine einzelne Darstellung ihrer Person erfordern würde – etwa, wenn sie pflichtwidrig gehandelt hätte. Dies sei vorliegend aber nicht gegeben, es handele sich vielmehr um einen üblichen Einsatz, der als solcher keine Besonderheiten aufweise.

Rechtsfolge: Geldentschädigung

Das LG Darmstadt sprach der Klägerin daher eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000 Euro zu. Dieser Anspruch (Anspruchsgrundlage: § 823 I BGB) entstehe dann, wenn das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schuldhaft verletzt wurde, es sich dabei um einen schwerwiegenden Eingriff handele und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden könne. Dies sei nach Auffassung des Gerichts anzunehmen. Insbesondere könne die zwischenzeitlich erfolgte Verpixelung der Zeitlupenszene den Rechtsverstoß „nicht befriedigend“ auffangen. Grund dafür sei, dass das Bildnis bereits unverpixelt bei Youtube zu sehen gewesen sei. Es könne nicht sichergestellt werden, dass das Ursprungsmaterial nicht weiterverbreitet werde.

Die von den Beklagten eingelegte Berufung hatte an dieser Stelle allerdings Erfolg. Das OLG entschied, dass eine Geldentschädigung in Höhe von 2.000 Euro angemessen und ausreichend sei. Dafür spreche zum einen, dass die Videosequenz „nur“ zwei Sekunden lang war und die Darstellung der Beamtin in keiner ehrenrührigen Art und Weise erfolgt sei.

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