Änderung des Beamtenrechts geplant: Das äußere Erscheinungsbild von Beamten soll geregelt werden

Änderung des Beamtenrechts geplant: Das äußere Erscheinungsbild von Beamten soll geregelt werden

Stellt das Gesetz eine Ermächtigungsgrundlage für ein bundesweites Kopftuch- und Tattoo-Verbot dar?

Der Bundestag will neue Regelungen für religiöse Symbole und Tattoos im Beamtenrecht aufstellen. Das Gesetz soll das äußere Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten vorschreiben. Der Bundestag hat das sogenannte “Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften” (Drucksache 19/26839) am 22. April 2021 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Alternative für Deutschland (AfD) verabschiedet. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus.

Der Gesetzesentwurf ist umstritten: Unter anderem wird kritisiert, dass hierdurch eine Ermächtigungsgrundlage für ein deutschlandweites Kopftuchverbot geschaffen werden könne.

Was wird geregelt?

Unter anderem sollen die § 61 II Bundesbeamtengesetz (BBG) und § 34 II Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) neu gefasst werden und dadurch hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten geschaffen werden. Die neuen § 61 II BBG und § 34 II BeamtStG sind wortgleich und sollen lauten:

“Beamtinnen und Beamte haben bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können von der obersten Dienstbehörde eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Bundes- ministerium der Finanzen sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz werden ermächtigt, jeweils für ihren Geschäftsbereich die Einzelheiten zu den Sätzen 2 bis 4 durch Rechtsverordnung zu regeln. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.“

Mit den neuen Ermächtigungsgrundlagen korrespondierend werden in § 7 I Nr. 4 BBG und in § 7 I Nr. 4 BeamtStG Regelungen eingefügt, wonach es einer Berufung in das Beamtenverhältnis entgegensteht, wenn unveränderliche Merkmale des selbst gewählten Erscheinungsbilds der zu ernennenden Person gegen § 34 II BeamtStG oder § 61 II BBG verstoßen.

Hintergrund der Gesetzesänderung

Hintergrund der neuen Regelungen ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 2017, in dem das BVerwG die Entlassung eines Berliner Polizeibeamten wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue bestätigte (Urt. v. 17.11.2017, 2 C 25.17). Der ehemalige Polizeibeamte hatte unter anderem mehrfach den Hitler-Gruß gezeigt und trug verfassungsfeindliche Tätowierungen.

Das BVerwG hat mit dem Urteil aber gleichzeitig entschieden, dass eine Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamtinnen und Beamten einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Das Verbot des Tragens von Tätowierungen greife in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG ein, das auch Beamtinnen und Beamten zustehe und in ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG, da Tattoo-Verbote zwangläufig die private Lebensführung betreffen. 

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Bislang wurde das Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten überwiegend durch Verwaltungsvorschriften geregelt, die sich auf die generelle Befugnis des Dienstherrn zur Regelung der Dienstkleidung stützen (für Bundesbeamtinnen und Beamte z.B. § 74 BBG). Diese allein erfülle jedoch nicht die Anforderungen an eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Inhalt und Art entsprechen nicht dem vom BVerwG festgelegten Maßstab zur Regelung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen und anderer Formen des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten, weshalb eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsse.

Mit der Änderung des § 34 BeamtStG wird die gesetzliche Grundlage für Tattoo-Verbote in allen Bundesländern verankert, da das Beamtenstatusgesetz die wesentlichen Rechte und Pflichten aller Beamtinnen und Beamten von Bund, Ländern und Kommunen festlegt (§ 1 BeamtStG).

Materiell-rechtlich seien die gesetzlichen Änderungen insoweit erforderlich, um zu verhindern, dass Beamtinnen und Beamte im Dienst sichtbar Tattoos mit verfassungsfeindlichen – etwa extremistischen, rassistischen oder sexistischen – Inhalten tragen.

Kritik und Bedenken

Kritiker monieren, dass der Gesetzgeber und das BVerwG mit einem weitgehenden Tattoo-Verbot den gesellschaftlichen Wandel zur Akzeptanz und hohen Verbreitung von Tätowierungen heutzutage verkenne. Das Vertrauen der Bevölkerung, beispielsweise in die Polizei, hänge nicht von deren gänzlich einheitlichem Bild ab.

Zudem sei die Ermächtigung zu Tattoo-Verboten im BeamtStG formell-rechtlich nicht erforderlich und verfassungsrechtlich problematisch. Nach Art. 74 I Nr. 27 GG kann der Bund nur die Statusrechte und -pflichten der Beamtinnen und Beamten der Länder regeln. Dazu würden die wesentlichen statusprägenden Rechte und Pflichten zählen. Ob Tattoos unabhängig von ihrem Inhalt statusprägend sein können, sei äußerst fraglich.

Die vom Bundestag beschlossenen Vorschriften ermächtigen die Dienstherren auch, “religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbildes” einzuschränken oder zu untersagen, “wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen”. Dr. Kirsten Weise, Rechtsprofessorin für Staats- und Verwaltungsrecht an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung Bremen, sieht darin die Möglichkeit zu Kopftuchverboten im öffentlichen Dienst bundesweit und unabhängig von der dienstlichen Funktion gegeben.

Vor allem im Hinblick auf die Religionsfreiheit aus Art. 4 I GG sei die geplante Regelung höchst problematisch. Sie würde suggerieren, dass religiöse Kopfbedeckungen, wie beispielsweise ein Kopftuch, immer dazu geeignet seien, das Vertrauen in eine neutrale Amtsführung zu beeinträchtigen.

Glaubensfreiheit, Art. 4 I, II GG
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Das Gesetz befindet sich nun beim Bundesrat. Dieser kann, da es sich um ein Zustimmungsgesetz handelt, dieses im zweiten Durchgang stoppen. Ob er seine Zustimmung erteilt, bleibt abzuwarten.

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