Landkreis legt Verfassungsbeschwerde ein: Aus Sorge um das Wohl eines Kindes
Ein Landkreis vor dem BVerfG: Per Prozessstandschaft wollte der Träger eines Jugendamts die Rechte eines jungen Mädchens geltend machen. Man sorgte sich aufgrund des neuen Partners der Mutter. Mit Erfolg?
Worum geht es?
Ein Landkreis ist in Karlsruhe gescheitert. Es ging um ein 2007 geborenes Mädchen, das in dem Zuständigkeitsbereich des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald lebt. Dessen Mutter ist mit einem neuen Partner zusammengezogen, der allerdings wegen Sexualstraftaten zu Lasten von Kindern zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde. Das zuständige Jugendamt sorgte sich um das Wohl der 13-Jährigen, vom OLG Karlsruhe wurde der Mutter daraufhin das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Tochter entzogen. Das junge Mädchen kam in ein Heim.
Doch an dieser Stelle griff der BGH Anfang 2019 ein und wertete die Herausnahme aus der Familie als unverhältnismäßig, da das Kind sehr unter der neuen Situation leide. Außerdem zeige der neue Partner eine positive Entwicklung. Daraufhin entzog das OLG das Sorgerecht nun doch nicht, sondern erlegte der Mutter Maßnahmen auf, wie etwa die Beantragung eines Familienhelfers.
Verfassungsbeschwerde, Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 23, 90 ff. BVerfGG
Prüfungsrelevante Lerneinheit
Der Landkreis, der Träger des Jugendamts ist, wollte dies aber nicht hinnehmen. Per Verfassungsbeschwerde zog er vor das BVerfG und möchte die Verletzung eigener Rechte geltend machen – und die des Kindes. Geht das?
BVerfG: Prozessstandschaft (-)
Im Rahmen der Prozessstandschaft wollte der Landkreis für das Kind eine Verletzung von Art. 6 II 2 GG geltend machen, also eine Verletzung des Anspruchs des Kindes auf Schutz durch den Staat. Gemäß Art. 93 I Nr. 4a GG ist derjenige beschwerdebefugt, der behaupten kann, durch einen Akt öffentlicher Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem grundrechtsgleichen Recht verletzt zu sein. Eine ausdrückliche Regelung über die Prozessstandschaft bei einer Verfassungsbeschwerde gibt es nicht – grundsätzlich müssen eigene Rechte auch im eigenen Namen geltend gemacht werden. Das BVerfG führte in seiner Entscheidung aus, dass eine Prozessstandschaft bei einer Verfassungsbeschwerde daher nur ausnahmsweise in Betracht komme. Und zwar dann, wenn die Rechte sonst überhaupt nicht per Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten.
Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 GG
Prüfungsrelevante Lerneinheit
Dies sei hier aber nicht der Fall. Der Staat habe für die Vertretung von Kindern Regelungen geschaffen, um ihre Rechte geltend zu machen. So wäre es beispielsweise möglich, einen Ergänzungspfleger gemäß § 1909 I 1 BGB zu bestellt, wenn der gesetzliche Vertreter an der gerichtlichen Vertretung gehindert ist. Die Mutter wäre im vorliegenden Fall daran gehindert, ihre Tochter zu vertreten – es läge offensichtlich ein Interessenwiderstreit vor, so das BVerfG. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers wäre daher erforderlich, aber auch möglich.
Da die Rechte des Kindes auf diesem Wege geltend gemacht werden könnten, scheide eine Prozessstandschaft des Landkreises aus.
Landkreis kann auch keine eigenen Rechte aus Art. 6 geltend machen
Außerdem könne der Landkreis als Beschwerdeführer keine eigenen Rechte aus Art. 6 II 2 GG geltend machen. Bei dem staatlichen Wächteramt handele es sich um kein materielles Grundrecht, sondern um eine staatliche Verpflichtung. Dies ergebe sich daraus, so das BVerfG, dass das Kind einen Anspruch auf Schutz durch den Staat hat. Deshalb habe aber auch nur das Kind Rechte gegenüber dem Staat.
Ein subjektives Recht der mit dem Wächteramt befassten Behörden kann hieraus jedoch nicht hergeleitet werden.
Im Ergebnis blieb die Verfassungsbeschwerde daher erfolglos. Der beschwerdeführende Landkreis sei weder berechtigt gewesen, die Rechte des Kindes per Prozessstandschaft geltend zu machen, noch habe er sich auf eine eigene Verletzung stützen können.
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