Wegen der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten stand ein Strafrahmen von drei bis 15 Jahren zur Verfügung
Der BGH hat in einer Pressemitteilung von Montag, 18.01.2021, das Urteil des Landgerichts Berlin wegen Mordes an Prof. Dr. Fritz von Weizsäcker, jüngster Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten, bestätigt. Das LG Berlin hat den Angeklagten Gregor S. im vergangenen Sommer wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Lagerist aus Andernach in Rheinland-Pfalz hatte sich gegen den Schuldspruch des LG Berlin gewandt. Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig hat die Revision des Angeklagten nun verworfen. Die Überprüfung der Entscheidung habe keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Der Angriff auf von Weizsäcker
Prof. Dr. Fritz von Weizsäcker, Arzt an der Berliner Schlosspark-Klinik in Charlottenburg, ist während einer öffentlichen Vortragsveranstaltung am 19. November 2019 von dem Angeklagten Gregor S. getötet worden. Prof. Dr. Fritz von Weizsäcker war seit 2005 Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin I an der Klinik. Für den 19. November 2019 war ein Vortrag von Weizsäckers angesetzt. Der Angreifer stach dem Mediziner während des Vortrags mit Tötungsabsicht plötzlich ein Messer in den Hals. Ein zufällig als Vortragsgast anwesender Polizeibeamter, der von Weizsäcker zur Hilfe eilen wollte, stellte sich dem Angeklagten in den Weg, um ihn davon abzuhalten, dem Opfer weitere Stiche zuzufügen. Dabei wurde er mit Messerstichen in den Hals und Rücken selbst schwer verletzt. Der 59-jährige von Weizsäcker starb vor Ort.
Zur Motivlage des Angeklagten führte der Vorsitzende des Landgerichts in der Urteilsbegründung aus, der Angeklagte habe aus der Vorstellung heraus gehandelt, er müsse die angebliche Beteiligung des Vaters des Opfers, des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, an der Herstellung eines Vorprodukts des im Vietnamkrieg eingesetzten Entlaubungsmittels „Agent Orange“ rächen. Weil der ehemalige Bundespräsident bereits 2015 verstorben war, habe der Angeklagte seinen Hass auf die Familie des Verstorbenen projiziert, die mit der ganzen Angelegenheit überhaupt nichts zu tun gehabt habe. Gregor S. habe die Familie von Weizsäcker für die Folgeschäden des Entlaubungsmittels, für Todesfälle, schwere Krankheiten, Fehlgeburten und Missbildungen verantwortlich gemacht. Der Angeklagte habe gestanden, ohne Reue zu zeigen. Das Motiv wird von der Staatsanwaltschaft als vorgeschoben bezeichnet. Ein Gutachten hat dem Täter eine psychische Störung bescheinigt. Er leide an einer starken Zwangsstörung und sei in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt, weshalb er in der ihn zwanghaft beschäftigenden Fehlvorstellung über das Mitwirken Richard von Weizsäckers bei der Herstellung des Entlaubungsmittels “Agent Orange” gewesen ist.
Welche Mordmerkmale sind erfüllt?
Welche Mordmerkmale könnte Gregor S. mit der Tötung des Arztes und des Polizeibeamten verwirklicht haben? Laut Landgericht habe der Angeklagte mit seinem Angriff auf von Weizsäcker nicht nur das Mordmerkmal der Heimtücke, sondern auch das der niedrigen Beweggründe erfüllt. Gegenüber dem Polizeibeamten, der ihn habe aufhalten wollen, habe er zur “Ermöglichung einer Straftat” gehandelt, § 211 II 3. Gruppe StGB.
Mord, § 211 StGB
Prüfungsrelevante Lerneinheit
Und wann ist das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt? Heimtückisch im Sinne des § 211 II handelt, wer bewusst die auf der Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung ausnutzt. Arglos ist derjenige, der sich zum Zeitpunkt der Tat keines Angriffs versieht. Wehrlos ist derjenige, der aufgrund seiner Arglosigkeit keine Möglichkeit zur Verteidigung hat. Das Mordmerkmal der Heimtücke ist hier aufgrund des plötzlichen Angriffs mit dem Messer laut Urteil zweifellos erfüllt. Niedrige Beweggründe sind Motive, die auf sittlich tiefster Stufe stehen und geradezu verachtenswert sind, wie zum Beispiel Rache und Hass, wenn diese nicht nachvollziehbar sind. Hier handelte der Angeklagte aus Rache gegenüber Richard von Weizsäcker.
Schuldfähigkeit
Prüfungsrelevante Lerneinheit
Täter zu zwölf Jahren Haft verurteilt
Weil die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer schweren Zwangsstörung deutlich vermindert gewesen sei, ist die Kammer von einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten gem. § 21 StGB ausgegangen. Der Strafrahmen des § 211 StGB, der im Falle eines Mordes eigentlich eine lebenslängliche Freiheitsstrafe vorsieht, habe sich wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB gemäß § 49 StGB „verschoben“, das heißt wegen der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten stand noch ein Strafrahmen von drei bis 15 Jahren zur Verfügung. Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet mit Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB. Der therapiebedürftige Angeklagte stelle aufgrund seiner Krankheitsuneinsichtigkeit laut LG Berlin weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.
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