Klage wegen Diskriminierung: Nicht-binäre Person muss sich nicht auf "Herr" oder "Frau" beim Ticketkauf festlegen

Klage wegen Diskriminierung: Nicht-binäre Person muss sich nicht auf

LG Frankfurt a.M. zur persönlichen Anrede beim Fahrkartenkauf

Eine nicht-binäre Person konnte beim Kauf einer Fahrkarte nur zwischen der Anrede „Herr“ oder „Frau“ auswählen. Sie fühlte sich aber zu keinem dieser Geschlechter zugehörig – und zog vor Gericht.

Worum geht es?

Eine Person, die sich nicht dem männlichen und nicht dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt, muss sich beim Kundenkontakt nicht mit „Herr“ oder „Frau“ anreden lassen. Das LG Frankfurt am Main hat der Klage einer Person nicht-binären Geschlechts wegen einer Diskriminierung teilweise stattgegeben.

Formular enthielt keine neutrale Anrede

Das nicht-binäre Geschlecht ist ein Oberbegriff für Personen, die sich nicht in das strenge Geschlechtersystem von Frau und Mann einordnen lassen können beziehungsweise wollen (auch bekannt als genderqueer). Beim Kauf einer Bahnfahrkarte musste eine nicht-binäre Person allerdings zwischen der Anrede „Herr“ oder „Frau“ wählen, eine geschlechtsneutrale Anrede wurde nicht angeboten. Außerdem konnte die Auswahl nicht offengelassen werden. Die gesamte Kommunikation fand mit der gewählten Anredeform statt, die Person wurde bis zu ihrer Rechnung im weiteren Verlauf als „Herr“ angesprochen.

Da sich die Person aber weder als „Herr“ noch als „Frau“ einordnete, klagte sie vor dem LG Frankfurt am Main wegen Diskriminierung. Das Gericht hat nun entschieden.

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Das LG Frankfurt am Main hat der Klage teilweise stattgegeben. Die klagende Person könne laut Mitteilung des Gerichts verlangen, sich nicht zwingend mit „Herr“ oder „Frau“ anreden zu lassen. So aber sei sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Dieses Recht umfasse auch den Schutz der geschlechtlichen Identität.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I, 1 I GG
Prüfungsrelevante Lerneinheit

Vor knapp zwei Jahren wurde das Personenstandsgesetz geändert, um den Personen gerecht zu werden, die sich als nicht-binär identifizieren. Nach § 45b I 1 Personenstandsgesetz können Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung erklären, dass die Angaben zu ihrem Geschlecht durch eine andere vorgesehene Bezeichnung ersetzt oder gestrichen wird. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beginne aber nicht erst ab einer offiziellen Änderung der Personalien, sondern schon vorher. In seiner Entscheidung verweist das LG Frankfurt am Main auf die Rechtsprechung des BVerfG.

Das Recht auf eine der geschlechtlichen Identität entsprechende Anrede bestehe nach der Rechtsprechung des BVerfG bereits bei gefühlter Geschlechteridentität.

Die Beklagte hätte in ihrem Formular eine andere Grußformel wählen oder auf eine geschlechtsspezifische Anrede verzichten können, befand das Gericht. Die Anredeform habe eine zentrale Bedeutung für das Auftreten in einer bestimmten Geschlechtsidentität. Und ohnehin sei das Geschlecht beim Buchen der Fahrkarte völlig irrelevant, heißt es in einer Mitteilung.

Trotzdem keine Entschädigungszahlung

Das LG Frankfurt am Main stellte somit eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Person fest. Trotzdem wies es gleichzeitig einen Entschädigungsanspruch ab. Als Begründung führte es aus, dass die Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht derart schwerwiegend sei, dass sie eine Geldentschädigung erfordere. Außerdem habe die Beklagte nicht böswillig gehandelt: Die vorgegebenen Anreden seien vielmehr ein „Reflex massenhafter Abwicklung standardisierter Vorgänge“.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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