BGH zur Musterfeststellungsklage: Ist ein Verbraucherschutzverein klagebefugt?

BGH zur Musterfeststellungsklage: Ist ein Verbraucherschutzverein klagebefugt?

Müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein?

Dem Verein „Schutzgemeinschaft für Bankkunden“ fehle die Klagebefugnis für die Musterfeststellungsklage. So entschieden das OLG Stuttgart und nun auch der BGH. Woran liegt das?

Worum geht es?

Durch den „Diesel-Skandal“ ist ein neues Rechtsinstrument in Deutschland in den Blickpunkt geraten: Die Musterfeststellungsklage. Sie wurde vom Gesetzgeber eingeführt, um die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher zu verbessern.

Doch die Musterfeststellungsklage kann auch in anderen Wirtschaftsbereichen ihre Anwendung finden. Der BGH hat nun einen Fall entschieden, in dem der Verein „Schutzgemeinschaft für Bankkunden“ mithilfe einer Musterfeststellungsklage den Widerruf von Darlehensverträgen für Bankkunden sichern wollte. Hier fehle aber die Klagebefugnis des Vereins, so der BGH, und damit sei die Musterfeststellungsklage unzulässig. Wer ist überhaupt klagebefugt?

Die Musterfeststellungsklage – ein kurzer Überblick

Das neue Rechtsinstrument wurde 2018 vom Gesetzgeber eingeführt. Der Gedanke war folgender: Im Wirtschaftsleben kann es passieren, dass viele individuelle Rechtsgutsverletzungen mit einer allerdings eher geringen Schadenshöhe entstehen – der Einzelne könnte dann von rechtlichen Schritten absehen, wenn ihm der Aufwand unverhältnismäßig erscheint. So könne der Schädiger aber einen Wettbewerbsvorteil gegenüber rechtstreuen Wettbewerbern erzielen. Um dem entgegenzuwirken, können durch die Musterfeststellungsklage Verbraucherverbände strittige Fragen in einem Musterprozess grundsätzlich klären lassen.

Gesetzlich geregelt ist das Feststellungsverfahren in den §§ 606 ff. ZPO. Vorausgesetzt werden mindestens zehn Verbraucher, die den gleichen Schaden glaubhaft machen können. Wichtig: Wer an einer Musterfeststellungsklage teilnehmen möchte, verliert durch seine Registrierung gem. § 610 III ZPO das Recht zur eigenen Klage (Stichwort „doppelte Rechtshängigkeit“, § 261 III Nr. 1 ZPO).

Die Rechte der Verbraucher werden dann von bestimmten Verbraucherschutzverbänden geltend gemacht. Denn klageberechtigt sind keine Individuen, sondern ausschließlich jene Verbände, bei denen es sich um Dachverbände mit mindestens zehn Mitgliedsverbänden oder mindestens 350 Mitgliedern handelt. Außerdem muss ein klageberechtigter Verband mindestens seit vier Jahren in einer vom Bundesamt für Justiz geführten Liste erfasst sein. Und schließlich müssen sich die Verbände nachweislich auf Verbraucherinteressen konzentrieren und dürfen sich höchstens zu fünf Prozent aus Zuwendungen von Unternehmen finanzieren.

Klagebefugnis: (-)

Hier kam der BGH zu der Entscheidung, dass dem Verein „Schutzgemeinschaft für Bankkunden“ die nötige Klagebefugnis fehle. In dem seit 2018 laufenden Verfahren ging es um den „Widerrufs-Joker“ bei Verbraucherdarlehensverträgen. Der Verein war der Auffassung, dass Pflichtangaben der Hausbank von Mercedes gesetzlichen Anforderungen nicht entspreche, was großen Einfluss auf die Widerrufsfrist habe. Daher reichte er für die Kundinnen und Kunden der Bank eine Musterfeststellungsklage ein. Doch bereits das OLG Stuttgart hatte im Frühjahr 2019 die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Verein keine „qualifizierte Einrichtung“ im Sinne von § 606 ZPO sei.

Vom BGH folgte nun dieselbe Entscheidung. Seitens des Vereins wurde nicht schlüssig vorgetragen, dass er die benötigte Mitgliederzahl habe, nämlich mindestens 350. Außerdem kritisierte das Gericht in Karlsruhe die Finanzierung des Vereins. In der Entscheidung heißt es:

Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vortrag des Musterklägers nicht, dass dieser gemäß § 606 III Nr. 1, I 2 Nr. 3 ZPO in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeit wahrnimmt.

Zwischen 97 – 99 Prozent der Einnahmen des Vereins würden aus gerichtlicher und außergerichtlicher Anspruchsdurchsetzung stammen. Dieser hohe Betrag würde die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen um ein Vielfaches übersteigen, heißt es seitens des Gerichts. Dies lasse ebenfalls Zweifel aufkommen, ob der Verein damit im Sinne von § 606 ZPO „qualifiziert“ sei.

Die Revision des Vereins gegen die Entscheidung des OLG Stuttgarts wurde daher zurückgewiesen.

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