Im Prozess ging es insbesondere um die Schuldfähigkeit
Vor 30 Jahren wurde der Politiker Wolfgang Schäuble bei einem Attentat niedergeschossen. Seitdem ist er auf einen Rollstuhl angewiesen – seinen Kampfgeist hat er aber nie verloren.
Worum geht es?
Das Attentat ereignete sich am Abend des 12. Oktober 1990 gegen 22.00 Uhr. Nach einer Wahlkampfveranstaltung wurde der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble niedergeschossen, seitdem ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Seinen Kampfgeist hat er aber nie aufgegeben, der 78-jährige CDU-Politiker ist seit 2017 Präsident des Deutschen Bundestages.
Das Attentat auf Wolfgang Schäuble
Im Oktober 1990 war der CDU-Politiker in seiner Heimat, im kleinen Schwarzwaldort Oppenau. Es war der Wahlkreis des damaligen Bundesinnenministers Schäuble, der zu diesem Zeitpunkt 48 Jahre alt war. Wenige Wochen zuvor war der Höhepunkt seiner politischen Karriere, wie er Jahre später noch berichten wird: Jüngst hatte er den Vertrag zur Deutschen Einheit unterzeichnet.
Am Abend des 12. Oktober 1990 hielt Schäuble in einem kleinen Gasthof vor knapp 300 Menschen eine Wahlkampfrede für die bevorstehende Bundestagswahl. Die Stimmung soll gut gewesen sein, im Anschluss blieb er noch für Gespräche mit den Gästen. Als er um 22 Uhr umringt von vielen Zuhörern die Gaststätte verlassen wollte, trat der damals 37 Jahre alte Dieter Kaufmann an die Gruppe heran, der bis dahin unauffällig der gesamten Veranstaltung von seinem Sitzplatz aus folgte. Den Ermittlern zufolge ging dann alles ganz schnell: Aus nur einem halben Meter Entfernung feuerte er drei Schüsse aus einem Revolver auf Wolfgang Schäuble ab. Zwei Schüsse trafen den CDU-Politiker, eine den Rücken, eine den Hals. Die dritte Kugel wurde von dem Körper eines Personenschützers abgefangen, der sich auf den zu Boden gesackten Minister warf.
Der Beamte wurde verletzt, Schäuble erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Er verlor viel Blut, flüsterte nur noch:
Ich kann meine Beine nicht mehr spüren.
Dann verlor er sein Bewusstsein. Der Attentäter wurde überwältigt, Schäuble wurde per Rettungshubschrauber in die Universitätsklinik Freiburg geflogen. Mehrere Ärzte kämpften stundenlang um das Leben des Mannes, der zu diesem Zeitpunkt Tennis und Politik zu seinen größten Leidenschaften zählte. Sie konnten sein Leben retten, schnell war aber klar, dass Wolfgang Schäuble nie wieder wird gehen können. Seitdem ist er bis heute auf einen Rollstuhl angewiesen.
Kaufmann wird für schuldunfähig erklärt
Das Attentat sorgte für Aufsehen, nur knapp ein halbes Jahr zuvor wurde der damalige SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine Opfer eines Attentats per Messerstiche. Jenes wurde von der psychisch kranken Adelheid Streidel verübt. Den Ermittlern wurde beim Täter in Oppenau schnell klar, dass sie es hier mit einem verwirrten Menschen zu tun hatten. In der ersten Vernehmung habe Dieter Kaufmann sich „erschreckend nüchtern“ geäußert, überraschte die Polizisten dann aber mit abstrusen Theorien. Er schilderte, dass die Bürger „elektrischen Wellen“ ausgesetzt seien, um sie zu foltern. Kaufmann berichtete von „elektrolytisch erheblichen Schmerzen“, die ihm der Staat zufüge, insbesondere „im Zwölffingerdarm und im Kopf“. Er war davon überzeugt, dass der bundesdeutsche Staat unrechtmäßig gegen seine Bürger vorging und es insbesondere auf ihn abgesehen hatte. Daher wollte er sich mit einem Anschlag wehren: Entweder sollte es den angeblichen „hauptverantwortlichen“ Wolfgang Schäuble treffen oder aber den amtierenden Bundeskanzler Helmut Kohl. Es traf Schäuble.
Kaufmanns Werdegang ist geprägt von schweren Schicksalsschlägen. Früh hatte er Probleme mit seinem Vater, ebenfalls einem Politiker – er war Bürgermeister eines kleinen Ortes, ganz in der Nähe von Schäubles Heimat. Kaufmann rutschte in die Drogenszene ab und wurde nach mehreren Selbstmordversuchen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Nach seiner Entlassung eröffnete er eine Kneipe, die allerdings nicht lief. Mit Drogengeschäften wollte er seinen Laden über Wasser halten, doch das Gegenteil trat ein: Er musste fünfeinhalb Jahre in das Gefängnis. Nach seiner Entlassung 1988 habe er seinen Entschluss gefasst, sich mit einem Anschlag zu wehren.
Das Verfahren gegen ihn fand im Mai 1991 statt. Die Anklage lautete: Versuchter Mord. Kaufmann wurde aber aufgrund „paranoidhalluzinatorischer Schizophrenie“ als schuldunfähig erklärt. Er wurde in eine Psychiatrie eingewiesen, die er erst im Herbst 2004 wieder verließ.
Die allgemeine Schuldunfähigkeit ist in § 20 StGB geregelt. Dort finden sich abschließend vier Beispiele, die (wenn sie gegeben sind) die Schuldunfähigkeit einer Person bedeuten. Dazu gehören zum Beispiel tiefgreifende Bewusstseinsstörungen. Sollte jemand aber einfach nur zu viel Alkohol getrunken und dies möglicherweise auch geplant haben, könnte er möglicherweise dafür bestraft werden. Problematisch ist hierbei die Einordnung der Figur der actio libera in causa, auch a.l.i.c. genannt.
Schäuble bewies Kampfgeist
Obwohl seine Familie ihm nach dem Attentat einen Abschied aus der Politik an’s Herz legte, lehnte Schäuble dies ab. Nur wenige Monate später nahm er im Rollstuhl seine Amtsgeschäfte wieder auf. Von 1991 bis 2000 war er Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die letzten Jahre davon auch Vorsitzender der CDU Deutschlands. Im Jahr 2005 wurde er erneut Bundesinnenminister unter Bundeskanzlerin Merkel und war von 2009 bis 2017 Bundesfinanzminister. Seit 2017 hält er das Amt des Bundestagspräsidenten inne.
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- [Versuch](https://jura-online.de/lernen/versuch/387/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_Vor_30_Jahren_Attentat_auf_Wolfgang_Schaeuble)
- [Mord, § 211 StGB](https://jura-online.de/lernen/mord-211-stgb/748/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_Vor_30_Jahren_Attentat_auf_Wolfgang_Schaeuble)
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