Aktuelle Entscheidungen des BGH in den „Diesel-Fällen“-Teil 3 (Ende)

D. Die Entscheidungen des BGH

I. Anspruch aus § 826 BGB
  1. Sittenwidrige Schädigung
      a) Objektive Sittenwidrigkeit
      b) Subjektive Sittenwidrigkeit (Sekundäre Darlegungslast)
      c) Wegfall der Sittenwidrigkeit im Herbst 2015
      d) Kausaler Schaden
           aa) Differenzhypothese
           bb) Vertragsschluss als Schaden
           cc) Kausalität
          dd) Kein Wegfall durch Software-Update
  2. Vorsatz
  3. Umfang des Schadensersatzes
      a) Erstattung des Kaufpreises
     b) Vorteilsausgleich
            aa) Herausgabe des Fahrzeugs
            bb) Nutzungsersatz
                    (1) Grundsatz
                    (2) Höhe des Nutzungsersatzes
                             (a) Zeitraum
                             (b) Berechnung

 

c) Deliktszinsen (§ 849 BGB)

Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird (§ 849 BGB). Die Zinshöhe richtet sich nach § 246 BGB und beträgt vier Prozent jährlich.

Teilweise haben die Kläger diese Deliktszinsen geltend gemacht. Der BGH hat jedoch entschieden, dass ihnen einen solcher Zinsanspruch nicht zustehe (VI ZR 354/19 Rn. 17 ff.; VI ZR 397/19 Rn. 20 ff.).

849 BGB sei kein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahin zu entnehmen, dass deliktische Schadensersatzansprüche stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen seien. Zwar erfasse die Norm als „Sache“ auch Geld in jeder Form und als dessen „Verlust“ auch die Weggabe. Der Verlust des Kaufpreises sei jedoch dadurch kompensiert worden, dass die Käufer als Gegenleistung ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hätten, da sich die bestehende Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung nicht realisiert habe. Etwas anderes folge nicht daraus, dass sich die Käufer die tatsächliche Nutzung anspruchsmindernd anrechnen lassen müssten.

 

d) Verzugszinsen

Einen Anspruch auf Verzugszinsen auf den Kaufpreis hätten die Kläger nur gehabt, wenn sich die Beklagte tatsächlich im Zahlungsverzug befunden hätte (§ 288 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Der Verzug tritt grundsätzlich durch eine Mahnung ein (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Kläger hatten die Beklagte auch gemahnt, dabei allerdings die Erstattung des vollen Kaufpreises verlangt, also ohne Anrechnung der Nutzungsvorteile. Auch eine solche Zuviel-Forderung kann zwar grundsätzlich zum Verzugseintritt führen. Das setzt aber voraus, dass der Schuldner den tatsächlich geschuldeten Betrag zuverlässig ermitteln kann. Hierzu war die Beklagte hinsichtlich der Höhe des Nutzungsersatzes aber nicht in der Lage, weil sie die von den Klägern selbst gefahrenen Kilometer nicht kannte.

Unabhängig davon kann im Falle einer Zug-um-Zug-Verpflichtung der Schuldner nur dann in Verzug geraten, wenn ihm der Gläubiger die Gegenleistung ordnungsgemäß anbietet. Die Kläger hatten der Beklagten zwar Übereignung und Herausgabe der Fahrzeuge angeboten, aber eben nur Zug um Zug gegen volle Kaufpreiserstattung. Dies hat der BGH als nicht ordnungsgemäß erachtet (VI ZR 292/19 Rn. 85/86).

Der BGH sieht auch keinen Anlass für die Anwendung des Rechtsgrundsatzes „fur semper in mora“ („Die Dieb ist immer in Verzug.“). (VI ZR 354/19 Rn. 22).

Ebenso wenig hat den BGH die Argumentation überzeugt, dass eine Mahnungsvereitelung der Beklagte vorgelegen habe, weil die Käufer den Anspruch zunächst nicht hätten erkennen können, da die Abschalteinrichtung verborgen gewesen sei. Es komme allein darauf an, ob die Beklagte den Zugang der Mahnung gezielt verhindert habe, was nicht der Fall gewesen sei (VI ZR 397/19 Rn. 27).

 

e) Prozesszinsen

In der Sache VI ZR 397/19 (Rn. 38) hat der BGH in Bezug auf die Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit (§ 291 ZPO) darauf hingewiesen, dass diese nicht nur auf den letztlich zugunsten der Klägerin ausgeurteilten Betrag – also nach Abzug der Nutzungsentschädigung – anfallen. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Gesamtfahrleistung im Zeitraum zwischen Erwerb und Schluss der mündlichen Verhandlung gleichmäßig erbracht hatte. Die anzurechnenden Nutzungsvorteile seien deshalb zum Teil erst nach Rechtshängigkeit entstanden. Folglich habe sich der nach § 291 BGB zu verzinsende Betrag ab Eintritt der Rechtshängigkeit sukzessive auf den letztlich zuerkannten Betrag ermäßigt.

 

f) Aufwendungsersatz

Im Verfahren VI ZR 354/19 hat der Kläger Ersatz von Inspektions- und Wartungskosten geltend gemacht. Nach Auffassung des BGH besteht ein solcher Anspruch allerdings nicht. Gewöhnliche Unterhaltungskosten seien schon deshalb nicht ersatzfähig, weil der Kläger das Fahrzeug habe nutzen können und die Aufwendungen folglich nicht vergeblich gewesen seien (Rn. 24).

 

 

II. Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm (vermeintlichen) Schutzgesetzen

Teilweise waren die Kläger der Auffassung, ein Anspruch würde sich auch aus der Verletzung von Schutzgesetzen ergeben. Für diejenigen Kläger, die erst nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals gekauft hatten, verblieb nur diese Möglichkeit. Aber auch die anderen Kläger haben sich hierauf gestützt, weil nach ihrer Ansicht jedenfalls in diesem Rahmen kein Vorteilsausgleich erfolgen dürfe.

 

1. Vorteilsausgleich

Der BGH sieht allerdings keinen Anlass, die Vorteilsausgleichung nicht auch im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB vorzunehmen (VI ZR 252/19 Rn. 76) .

 

2. Schutzgesetze

Der BGH erläutert noch einmal ausführlich, wann einer Vorschrift Schutzgesetzcharakter zukommt (VI ZR 252/19 Rn. 73):

„Eine Rechtsnorm ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie dasjenige der Allgemeinheit im Auge haben. Nicht ausreichend ist aber, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm nur als ihr Reflex objektiv erreicht wird; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Außerdem muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen, wobei in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, zu prüfen ist, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW 2019, 3003 Rn. 12 f. mwN; BGH, Urteil vom 27. Februar 2020 - VII ZR 151/18, juris Rn. 34 mwN). Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB setzt schließlich weiter voraus, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht hat, vor der die betreffende Norm schützen sollte. Der eingetretene Schaden muss also in den sachlichen Schutzbereich der Norm fallen. Weiter muss der konkret Geschädigte vom persönlichen Schutzbereich der verletzten Norm erfasst sein und zum Kreis derjenigen Personen gehören, deren Schutz die verletzte Norm bezweckt (Senatsurteil vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW 2019, 3003 Rn. 14 mwN; BGH, Urteil vom 27. Februar 2020 - VII ZR 151/18, juris Rn. 34 mwN).“

 

a) 263 Abs. 1 StGB

Ein Anspruch eines Gebrauchtwagenkäufers aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 Abs. 1 StGB scheitert nach der Auffassung des BGH spätestens an der fehlenden Bereicherungsabsicht, da der erstrebte rechtswidrige Vermögensvorteil mit einem möglichen Vermögensschaden nicht stoffgleich sei (VI ZR 5/20 Rn. 18 ff.).

Dabei weist der Senat darauf hin, dass ein Vermögensschaden iSv § 263 StGB nicht bereits im Abschluss eines ungewollten Vertrages liege. Vielmehr komme es nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung darauf an, dass die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens geführt hat. Insoweit seien zunächst die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen zu vergleichen (Eingehungsschaden) und sodann zu prüfen, ob dem Getäuschten ein Erfüllungsschaden entstanden ist, weil die vom Täter erbrachte Leistung im Wert hinter der Gegenleistung des Geschädigten zurückbleibt. Ein Schaden des Klägers bestehe deshalb nur dann, wenn das Fahrzeug aufgrund der unzulässigen Abschaltvorrichtung den vereinbarten und gezahlten Kaufpreis nicht wert war.

Zwischen einer solchen Vermögenseinbuße beim Kläger und den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte, bestehe jedoch keine Stoffgleichheit.

 - Eine Bereicherung beim Gebrauchtwagenkauf scheide aus, weil die Beklagte aus dem Kaufvertrag des Klägers mit dem Verkäufer keinen unmittelbaren Vorteil habe ziehen können.

 - Es könne auch ausgeschlossen werden, dass die Beklagte dem Gebrauchtwagenhändler einen Vorteil beim Verkauf der gebrauchten Fahrzeuge habe verschaffen wollen.

 

b) Verletzung von Vorschriften über die sog. Übereinstimmungserklärung (** 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV)**

Die Übereinstimmungserklärung ist durch die Richtlinie 2007/46/EG vorgeschrieben und enthält im Kern die Erklärung des Herstellers eines Kraftfahrzeugs, dass das Fahrzeug mit den geltenden EU-Normen und der Typen-Zulassung übereinstimmt. Die Kläger waren der Auffassung, die Übereinstimmungserklärungen für die Fahrzeuge mit manipulierter Abgasrückführung seien ungültig.

Der BGH verneint jedoch bereits den Schutzgesetzcharakter von §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV (VI ZR 252/19 Rn. 72 ff.; VI ZR 5/20 Rn. 10 ff.). Die Übereinstimmungserklärung könne allenfalls dem Interesse des Käufers eines Neuwagens an der zügigen Erstzulassung und des Käufers eines Gebrauchtwagens an dem Fortbestand der Betriebserlaubnis schützen. Die Kläger würden jedoch Schäden weder wegen einer verzögerten Erstzulassung noch wegen Kosten im Zusammenhang mit dem Software-Update geltend machen. Ihnen ginge es allein darum, die Verletzung ihres Interesses, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, zu kompensieren. Dieses Interesse liege jedoch nicht im Aufgabenbereich der Normen über die Übereinstimmungserklärung.

 

c) Verletzung der Vorschriften über unzulässige Abschalteinrichtungen (Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG)

Gemäß Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG hat der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig; Satz 2 regelt Ausnahmefälle.

Der BGH sieht auch darin kein Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB. Es fänden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Art. 5 der Verordnung auch dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbs diene (VI ZR 5/20 Rn. 13 ff.).

Etwas anderes folge auch nicht aus dem Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (effet utile):

„(…) Aus dem Grundsatz des effet utile ergibt sich dagegen nicht das Gebot, dem Einzelnen Schadensersatzansprüche gegen eine Privatperson für die Verletzung objektiven Gemeinschaftsrechts zu gewähren und damit individuelle Interessen durchzusetzen, die die jeweilige gemeinschaftsrechtliche Bestimmung nicht schützt. Es ist daher weder notwendig noch gerechtfertigt, im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB bei der Verletzung von Unionsrecht contra legem auf den individualschützenden Charakter der verletzten Norm zu verzichten und unabhängig davon Schadensersatz zu gewähren (entgegen Wagner in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 823 Rn. 481).“

 

III.  Feststellung des Annahmeverzuges

Die Kläger haben im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO weiterhin die Feststellung beantragt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Fahrzeuge im Verzug befinde.

 

1. Zulässigkeit der Feststellungsklage

Neben den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen setzt eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Feststellung voraus (Feststellungsinteresse).

Welches Interesse haben die Kläger an der Feststellung des Annahmeverzuges?

Die Antwort ergibt sich aus dem Vollstreckungsrecht. Wird der Schuldner nur Zug-um-Zug gegen die Erbringung einer Gegenleistung des Gläubigers verurteilt, so darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat (§ 756 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO). Der Gerichtsvollzieher müsste also der Beklagten das Fahrzeug unmittelbar anbieten (§ 294 BGB).

Dies gilt nach § 756 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO allerdings dann nicht, wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Eine solche öffentliche Urkunde ist das Urteil. Wird darin also festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befindet, ist der Annahmeverzug bewiesen und der Gerichtsvollzieher kann ohne weitere verzugsbegründende Maßnahmen bei der Beklagten, der das Urteil von Amts wegen zugestellt wird (§ 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO), vollstrecken.

In dieser Erleichterung der Vollstreckung ist das Feststellungsinteresse der Kläger begründet.

 

2. Begründetheit der Feststellungsklage

Die Feststellungsklage war dann begründet, wenn sich die Beklagte tatsächlich bereits im Annahmeverzug befand. Hierzu musste der Kläger der Beklagten die Gegenleistung so anbieten, wie er sie tatsächlich schuldete. Der Kläger hatte der Beklagten auch die Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs angeboten, allerdings Zug-um-Zug gegen Erstattung des vollen Kaufpreises, also ohne Anrechnung der Nutzungsentschädigung. Das hielt der BGH nicht für ausreichend (VI ZR 252/19 Rn. 85).

 

IV. Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden

In der Sache VI ZR 397/19 hatte die Klägerin zusätzlich den Antrag gestellt, festzustellen, dass die Beklagte auch zum Ersatz künftiger Schäden aus dem Fahrzeugerwerb verpflichtet ist (Rn. 28/29).

Ein Feststellungsinteresse für einen solchen Antrag liegt bei der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten absoluten Rechtsguts immer dann vor, wenn bereits ein Schaden eingetreten ist. Ansonsten müssen weitere Schäden jedenfalls möglich sein.

Die Beklagte hat kein absolutes Rechtsgut des § 823 Abs. 1 BGB, sondern „nur“ das Vermögen der Klägerin geschädigt. Hier könne die Feststellung nur dann getroffen werden, wenn der Käufer darlegt,

 - welche weiteren Schäden, die über den ungewollten Abschluss des Kaufvertrages hinausgehen, er aus dem Fahrzeugerwerb befürchtet,

 - dass solche Schäden möglich sind und

 - dass auch insoweit die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs vorliegen.

Der pauschale Vortrag, im Hinblick auf die Weiternutzung des Fahrzeugs oder des Software-Updates seien weitere Schäden möglich, genüge nicht.

 

E. Zusammenfassung

Die wesentlichen Grundsätze der BGH-Entscheidungen können wie folgt zusammengefasst werden:

 - Das Inverkehrbringen der Diesel-Fahrzeuge mit manipulierter Abgassteuerung durch VW war objektiv sittenwidrig. Das Ziel, den Gewinn dadurch zu erhöhen, dass die Fahrzeuge günstiger als sonst möglich hergestellt werden konnten, ist grundsätzlich zwar nicht zu beanstanden, wird jedoch dann verwerflich, wenn es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung des KBA erreicht werden soll, und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt.

 

 -  VW trifft im Rahmen der subjektiven Sittenwidrigkeit eine sekundäre Darlegungslast dazu, wer die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen hat und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte.

 

 - Mit der ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 entfiel die Sittenwidrigkeit, denn sie war objektiv geeignet, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, eine diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen. Käufern, die ihr Fahrzeug erst nach diesem Zeitpunkt erworben haben, steht deshalb kein Anspruch aus § 826 BGB zu. Auf die Kenntnis des vom Dieselskandal kommt es dabei nicht an.

 

 - Der Schaden der Käufer liegt bereits im Abschluss des Kaufvertrages, denn dieser ist als unvernünftig anzusehen, da die Käufer eine Leistung erhalten haben, die für ihre Zwecke nicht voll brauchbar gewesen ist. Das später von VW zur Verfügung gestellte Software-Update hat den Schaden folglich nicht entfallen lassen können.

 

 - Die haftungsbegründende Kausalität kann anhand des Erfahrungssatzes festgestellt werden, dass es ausgeschlossen ist, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann. Es kommt nicht darauf an, dass dieses Risiko tatsächlich nicht eingetreten ist.

 

 - Die Käufer können Erstattung des gezahlten Kaufpreises verlangen, müssen sich hierauf aber die Nutzungsvorteile anspruchsmindernd anrechnen lassen, und zwar bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Das kann dazu führen, dass ihre Ansprüche vollständig aufgezehrt werden. Außerdem müssen sie Eigentum und Besitz am Fahrzeug auf VW übertragen. Beide Leistungspflichten sind Zug um Zug zu erfüllen.

 

 - Die Käufer haben keinen Anspruch auf Deliktszinsen nach § 849 BGB. Der Verlust der Kaufpreises wurde dadurch kompensiert, dass die Käufer als Gegenleistung in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Fahrzeuge erhielten, da sich die bestehende Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung nicht realisiert hat.

 

 - Die Käufer haben auch keinen Anspruch auf Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 BGB), da sie die Gegenleistung nicht ordnungsgemäß angeboten haben. Hierzu hätten sie die Nutzungsvorteile auf ihre Erstattungsforderung anrechnen müssen.

 

 - Die Prozesszinsen (§ 291 ZPO) fallen nicht lediglich auf den ausgeurteilten Betrag an. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Käufer bei Eintritt der Rechtshängigkeit einen höheren Anspruch hatten als bei Schluss der mündlichen Verhandlung und diese Anspruchsminderung gleichmäßig erfolgte.

 

 - Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz für die gewöhnlichen Unterhaltungskosten besteht nicht.

 

 - Die Käufer haben keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB. Die Regelungen zur Übereinstimmungserklärung und das europarechtliche Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, stellen keine Schutzgesetze dar. Eine Verletzung von § 263 StGB liegt nicht vor, da der durch die Täuschung erlangte Vorteil bei VW mit dem Nachteil der Käufer durch den Kauf nicht stoffgleich ist.

 

 - Die Anträge auf Feststellung des Annahmeverzuges von VW hinsichtlich der Herausgabe der Fahrzeuge sind unbegründet, da die Käufer VW nicht in Annahmeverzug gesetzt haben. Auch hierzu hätten sie die Gegenleistung so anbieten müssen, wie sie geschuldet war, also Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises unter Abzug der Nutzungsvorteile.

 

 - Der Antrag auf Feststellung, dass VW verpflichtet ist, auch künftige Schäden aus dem Fahrzeugkauf zu ersetzen, ist unzulässig, wenn von den Käufern nicht vorgetragen wird, welche weiteren Schäden, die über den ungewollten Abschluss des Kaufvertrages hinausgehen, sie aus dem Fahrzeugerwerb befürchten, dass solche Schäden möglich sind und dass auch insoweit die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs vorliegen.