BVerfG zu Offshore-Windparks

BVerfG zu Offshore-Windparks

Energieunternehmen müssen entschädigt werden

In einem kürzlich erschienenen Beschluss des BVerfG (1 BvR 1679/17), setzt sich der erste Senat mit den gesetzlichen Regelungen über Offshore-Windparks auseinander. Die Bestimmungen des Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See seien danach teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar. Dies könne aber durch eine Änderung, nach Maßgabe des Urteils, behoben werden. Für die bereits angefallenen Kosten der Energieunternehmen hätte es eine Ausgleichsregelung geben müssen.  

 

Worum geht es?

Um die Energiewende voran zu treiben - also den Wechsel von fossilen Energieträgern zu einer Energieversorgung mit erneuerbaren Energien - wurde das Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (WindSeeG) geschaffen. Es befasst sich mit der Errichtung von Windkraftanlagen auf See, sogenannten Offshore-Windparks. 

Das WindSeeG trat Anfang 2017 in Kraft. Ziel und Zweck des Gesetzes gehen aus dem Gesetz selbst hervor. Nach § 1 Abs. 1 WindSeeG ist der Zweck des Gesetzes, insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes, die Nutzung der Windenergie auf See auszubauen. § 1 Abs. 2 Satz 1 WindSeeG gibt das Ziel vor, die installierte Leistung von Windenergieanlagen mit Netzanschluss auf See zu steigern. Die Gesamtleistung soll ab dem Jahr 2021 bis zum Jahr 2030 auf 15 Gigawatt gesteigert werden. Um dieses Ziel zu erreichen enthält das Gesetz unter anderem detailliert geregelte Zulassungsverfahren für Offshore-Windanlagen.

 

Wie kam es zu dem Verfahren vor dem BVerfG?

Das Verfahren wurde durch 17 Energieunternehmen als Beschwerdeführerinnen im Wege einer Verfassungsbeschwerde angestrengt. Die Energieunternehmen hatten im Jahr 2016 Genehmigungen für den Bau von Offshore- Windparks beantragt. Zu dieser Zeit war das Zulassungsverfahren noch überwiegend durch die inzwischen abgelöste Seeanlagenverordnung und die allgemeinen Regelungen des Seerechtsübereinkommens geprägt.

Die damals bereits in Gang gesetzten Planfeststellungsverfahren wurden nach Einführung des WindSeeG nicht weiter fortgeführt. In einem Fall wurde auch eine bereits erteilte Genehmigung wieder zurückgenommen. 

Grundsätzlich sieht das WindSeeG Übergangsregelungen für bereits begonnene Projekte vor. Diese greifen allerdings nur, wenn die Anlagen bereits in Betrieb genommen wurden, oder eine verbindliche Zusage für den Netzanschluss oder eine Zuweisung von Anschlusskapazität vorliegt (vgl. § 77 WindSeeG). Auf die in Frage stehenden Projekte traf keine der Übergangsregelungen zu. Die Beschwerdeführerinnen sahen sich durch das WindSeeG in ihren Rechten verletzt. Durch die bisherigen Zulassungsverfahren seien den Unternehmen Kosten in Höhe von mehreren Millionen Euro entstanden. Diese seien nun vergeblich aufgebracht worden.

 

Wie hat das BVerfG entschieden?

Das BVerfG hat entschieden, dass die überwiegend zulässigen Beschwerden nur teilweise begründet seien. Es hätte eine Entschädigung für die Energieunternehmen geben müssen. Das Gericht prüfte verschiedene Grundrechte und nahm schließlich einen Verstoß gegen das allgemeine Vertrauensschutzgebot an.

Einen Verstoß gegen das Recht auf Eigentum aus Art. 14 I 1 GG konnte das Gericht nicht feststellen. Dies sei der Fall, da es sich bei der erlangten Genehmigung und den erlangten Verfahrenspositionen nicht um eigentumsrechtlich geschützte Rechtspositionen handele. Durch die Zulassungsverfahren würde nur das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen festgestellt. Auch die bereits getätigten Investitionen seien kein Eigentum im Sinne des Grundgesetzes, sondern schlicht Ausgaben.

Auch einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG konnte das Gericht nicht feststellen. Zwar sei ein Eingriff in die berufliche Betätigung als Offshore-Windparkbetreiber gegeben. Der Eingriff sei aber unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks und des legitimen Mittels der Einzelzulassung verhältnismäßig. Auch ein in Art. 12 I GG selbst enthaltenes spezielles Vertrauensschutzgebot sei nicht verletzt worden.

Ein Verstoß gegen das allgemeine Vertrauensschutzgebot des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art.  20 Abs. 3 GG, sei allerdings zu bejahen. Die Regelungen des WindSeeG würden eine unechte Rückwirkung entfalten, welche verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei. Es hätte eine Ausgleichsregelung für Planungs- und Untersuchungskosten geben müssen, um Projektträger zu entschädigen, die durch die Beendigung der Genehmigungsverfahren auf Ihren Kosten sitzen geblieben sind.

Daher wurde dem Gesetzgeber aufgegeben bis zum 30. Juni 2021 eine Ausgleichsregelung zu schaffen. Das Gesetz bleibt vorerst in Kraft und wird vermutlich auch sonst keine grundlegenden Änderungen erfahren.

 

Was beinhaltet das Vertrauensschutzgebot?

Das allgemeine Vertrauensschutzgebot wird in der Entscheidung vom BVerfG aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet. Es besage, dass es grundsätzlich ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine bestehende Rechtslage gebe. Eine absolute Garantie dafür, dass sich die bestehende Rechtslage nicht ändern werde, gebe es dabei allerdings nicht. Dies würde die Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers zu sehr einschränken.

Das Vertrauen könne besonders im Falle von rückwirkenden Gesetzen erschüttert werden. Das BVerfG unterscheidet dabei zwischen echter und unechter Rückwirkung. 

Eine echte Rückwirkung liege immer dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Die echte Rückwirkung sei im Regelfall verfassungsrechtlich unzulässig.

Eine unechte Rückwirkung liege hingegen vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirke. Bei den in Frage stehenden Regelungen des WindSeeG handele es sich um eine solche unechte Rückwirkung. Eine unechte Rückwirkung sei grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, müsse aber immer verhältnismäßig sein.

Das BVerfG wägt in seiner Entscheidung umfassend ab, ob und wie weit das Vertrauen der Energieunternehmer in den Fortbestand der Zulassungsregeln schützenswert war. Dabei stellt es fest, dass es teilweise ein berechtigtes Vertrauen der Energieunternehmen auf die alte Rechtslage gegeben hätte. Dieses Vertrauen sei ohne hinreichende Rechtfertigung durch die Neuregelung enttäuscht worden. Eine Regelung über einen finanziellen Ausgleich für Planungs- und Untersuchungskosten hätte zu einer Verhältnismäßigkeit der Regelung führen können.

Schaue Dir hier die prüfungsrelevanten Lerneinheiten und weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an:

 - [Rückwirkung von Gesetzen](https://jura-online.de/lernen/problem-rueckwirkung-von-gesetzen/236/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_BVerfG_zu_Offshore_Windparks)

 - [Berufsfreiheit, Art. 12 I GG](https://jura-online.de/lernen/berufsfreiheit-art-12-i-gg/298/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_BVerfG_zu_Offshore_Windparks)

 - [Eigentumsgarantie, Art. 14 GG](https://jura-online.de/lernen/eigentumsgarantie-art-14-i-gg/659/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_BVerfG_zu_Offshore_Windparks)