Offene Forderungen von etwa 400 Millionen Euro?
Pacta sunt servanda? Zu Beginn der Coronakrise hat das Bundesgesundheitsministerium fleißig Verträge mit allen Händlern geschlossen, die Schutzmasken liefern konnten. Viele Rechnungen seien aber nicht bezahlt. Vor dem LG Bonn häufen sich die Klagen gegen den Staat.
Worum geht es?
Jens Spahn ist in den letzten Monaten viel gefragt: Als Bundesgesundheitsminister ist er einer der zentralen politischen Personen, die versuchen, die Coronapandemie in den Griff zu bekommen. Nun drohen der Bundesregierung aber eine Vielzahl an Klagen bezüglich der Maskenbeschaffung zu Beginn der Coronakrise. Laut eines Gerichtssprechers des LG Bonn sind bei diesem bislang 48 Klagen von Händlern von Schutzmasken eingegangen. Der Bund habe offene Rechnungen nicht bezahlt und viele Masken nicht abgenommen, obwohl anderes vereinbart worden sei. Es soll um Forderungen von 300.000 Euro bis zu fünf Millionen Euro gehen. Außerdem sei noch eine große Klage mit einem Gesamtvolumen von 20 bis 30 Millionen Euro zu erwarten. Der „Welt am Sonntag“ liege eine Hochrechnung von Anwaltskanzleien vor, die auf einen ausstehenden Zahlungsbetrag von etwa 400 Millionen kommen. Das Bundesgesundheitsministerium beschwichtigt die Situation: Ihm seien bislang 21 Klagen bekannt, es gehe um Forderungen von rund 60 Millionen Euro. Außerdem habe es Gründe für die ausbleibenden Zahlungen.
Open-House-Verfahren
Zu Beginn der Coronakrise galten Schutzausrüstungen lange Zeit als Mangelware. Um Krankenhäuser, Arztpraxen und Co. mit Masken versorgen zu können, übernahm das Bundesgesundheitsministerium Verantwortung. Anfang April erarbeitete Spahn mit einer externen Anwaltskanzlei ein sogenanntes „Open-House-Verfahren“, um die Maskennot einzudämmen. Dieses Verfahren bedeutet Folgendes: Jedes Unternehmen, das die vorgegebenen Vertragsbedingungen in puncto Mindestmenge (25.000 Stück Masken) und Preis (4,50 Euro netto für eine FFP 2 – Maske) akzeptierte, hatte auch einen Anspruch auf Vertragsschluss.
Es kam zu einer Vielzahl von Anbietern, da der vom Bundesgesundheitsministerium festgesetzte Preis in Höhe von 4,50 Euro relativ hoch gewesen sei: Die Gewinnmarge pro Maske soll bis zu 2,60 Euro betragen haben. Im Zuge des Open-House-Verfahrens seien über 700 Verträge geschlossen worden. Um mehr Kontrolle über das Verfahren zu erhalten, hat das Ministerium außerdem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) beauftragt.
Ministerium lehnt Annahme von Masken ab
Da es zu Verzögerungen von Zahlungen kommt und Händler davon berichten, dass gelieferte Masken ganz oder teilweise nicht abgenommen werden, häufen sich die Zivilklagen gegen die Bundesregierung. Zwar seien über 700 Zuschläge erteilt worden, die Hälfte konnte aber die Lieferfrist nicht einhalten, so das Ministerium. Weiter führte es auf seiner Homepage aus:
„Von 1/6 der verbliebenen Verträge sind wir aufgrund mangelnder Qualität der Ware vollständig zurückgetreten. […] Bei der Auszahlung gab es logistische Probleme, die sich weitgehend infolge der notwendigen Mengen-, vor allem aber der Qualitätsprüfung der angelieferten Waren ergeben haben.“
Außerdem erklärte das Ministerium, dass häufig „rechnungsbegründende Unterlagen“ fehlen würden. Dabei handele es sich um Daten wie Lieferscheine oder TÜV-Protokolle. Schließlich seien auch Rechnungen fehlerhaft gewesen.
Erster Verhandlungstermin im September
Das Ministerium beruft sich also darauf, dass Masken wegen mangelhafter Qualität nicht angenommen und daher auch nicht bezahlten worden seien. Einige Händler beklagen laut Tagesspiegel, dass diese überhaupt keine Einsicht in solche Prüfberichte bekommen hätten. Kritik kommt für die sich anbahnenden Rechtsstreitigkeiten aus der Opposition. Der FDP-Politiker Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, sagte:
Es kann nicht sein, dass sich die Bundesregierung nun trickreich vor ihren Verpflichtungen drücken möchte.
Die erste Verhandlung soll im September stattfinden, es handelt sich um einzelne Verfahren. Das LG Bonn ist örtlich daher zuständig, da das Bundesgesundheitsministerium seinen ersten Dienstsitz in Bonn hat.
Fragwürdiges Vergabeverfahren
Damit aber nicht genug. Neben den möglichen Ansprüchen der einzelnen Händler vor den Zivilgerichten droht Spahn Ärger vor dem Kartellamt. In Kritik steht nämlich die Vergabe des Auftrags an EY. Dieser Vertrag sei nämlich ohne Ausschreibung vergeben worden, was auch das Bundesgesundheitsministerium bestätigt haben soll. Eine Vergabe ohne vorherige Ausschreibung könnte aber rechtswidrig gewesen sein. Das Bundeskartellamt ist bereits eingeschaltet und prüft den Sachverhalt. Auch in diesem Verfahren soll spätestens Anfang September entschieden werden.
Schaue Dir hier die prüfungsrelevanten Lerneinheiten und weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an:
- [Einigung, §§ 145 ff. BGB, Wirksamwerden von Willenserklärungen, Konsens](https://jura-online.de/lernen/einigung-145-ff-bgb/1/beschreibungstext?utm_campaign=Wusstest_Du_Pacta_sunt_servanda_Schutzmasken_nicht_bezahlt_48_Klagen_gegen_die_Bundesregierung)
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