BayObLG zur Abgrenzung des untauglichen Versuchs von einem Wahndelikt bei § 267 StGB

A. Sachverhalt

A kaufte am 7. November 2016 einen PKW Mercedes mit litauischen Kennzeichen. Hierbei stellte er fest, dass auf beiden litauischen Kennzeichen deutsche Prüfplaketten für Hauptuntersuchungen nach § 29 StVZO angebracht waren, die gefälscht waren. Am 14. Juni 2017 fuhr A mit dem genannten PKW, an dem nach wie vor die beiden litauischen Kennzeichen mit den gefälschten deutschen Prüfplaketten angebracht waren, in Kenntnis dieses Umstandes auf der B. Straße 213 in L. Er wollte mit der Weiterverwendung der Plaketten vorspiegeln, dass zum Zeitpunkt der Hauptuntersuchung das Fahrzeug vorschriftsmäßig war und eine Hauptuntersuchung in Deutschland stattgefunden hat. Er ging davon aus, dass die Plaketten den Eindruck erwecken, dass die Prüfplaketten vom TÜV Rheinland angebracht waren und eine Prüfung durch dessen Mitarbeiter erfolgt sei. Entgegen der Vorstellung des A erweckten die Plaketten jedoch nicht den Eindruck, von einem Mitarbeiter des TÜV Rheinlands angebracht worden zu sein, sondern ließen keinen Aussteller erkennen.

Strafbarkeit des A wegen § 267 StGB?

 

B. Die Entscheidung des BayObLG (Beschl. v. 20.01.2020 – 207 StRR 2737/19

I. A könnte sich wegen vollendeter Urkundenfälschung gemäß § 267 I Var. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er das Fahrzeug mit gefälschten deutschen Prüfplaketten im Straßenverkehr führte.

Dazu müsste A eine unechte Urkunde gebraucht haben. Dazu müsste es sich bei den (gefälschten) deutschen Prüfplaketten um eine Urkunde gehandelt haben. Urkunden sind verkörperte menschliche Gedankenerklärungen (Perpetuierungsfunktion), die zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet sind (Beweisfunktion) und ihren Aussteller erkennen lassen (Garantiefunktion). Demnach verneint der Senat eine (unechte) Urkunde:

„Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach keine vollendete Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB vorliegt, da ein Aussteller der Plakette nicht zu erkennen war. Eine Prüfplakette stellt nur in Verbindung mit der korrespondierenden Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I eine Urkunde dar, die den Aussteller erkennen lässt. Die Prüfplakette („TÜV-Plakette“) bescheinigt zwar, dass das betreffende Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner letzten Hauptuntersuchung bis auf etwaige geringe Mängel für vorschriftsmäßig befunden worden ist (§ 29 Abs. 3 StVZO). Sie allein ist deshalb aber noch keine Urkunde; Urkundeneigenschaft gewinnt sie erst zusammen mit der korrespondierenden Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I, da erst durch diese Eintragung derjenige, der sie erteilt hat, ersichtlich ist (§ 29 Abs. 6 Nr. 1 Buchst. a StVZO; OLG Celle, Beschluss vom 6. Mai 1991 - 3 Ss 34/91 bei juris Rn. 4 m. w. N). Das Landgericht hat nun festgestellt, dass die zugehörige Zulassungsbescheinigung Teil I keine entsprechende - gefälschte - Eintragung enthielt.“

A hat sich nicht wegen (vollendeter) Urkundenfälschung gemäß § 267 I Var. 3 StGB strafbar gemacht.

 

II. A könnte sich aber wegen versuchter Urkundenfälschung gemäß §§ 267 I Var. 3, II, 22, 23 StGB strafbar gemacht haben.

 

1. Tatentschluss

A müsste einen Tatentschluss gefasst haben, also einen Vorsatz im Hinblick auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands sowie die sonstigen subjektiven Merkmale gebildet haben.

A ist davon ausgegangen, dass die Plaketten den Eindruck erwecken, dass die Prüfplaketten vom TÜV Rheinland angebracht waren und eine Prüfung durch dessen Mitarbeiter erfolgt sei.

Fraglich ist, ob sich daraus ein – strafbarer (vgl. § 23 III StGB) - untauglicher Versuch oder ein – strafloses -Wahndelikt ergibt. Zur Abgrenzung führt das BayObLG aus:

„Die Untauglichkeit des Versuchs ergibt sich aus einem Mangel im Vorstellungsbild des Täters, der einer Umkehrung des Tatbestandsirrtums entspricht (Fischer, StGB 67. Aufl. § 22 Rn. 43). Bei einem (straflosen) Wahndelikt irrt der Täter hingegen über das Bestehen oder die Reichweite der strafrechtlichen Norm. Er will aufgrund eines Subsumtionsirrtums (vgl. BGHSt 13, 235, 241) eine Rechtsverletzung begehen, die es so, wie von ihm vorgestellt, nicht gibt (Fischer, aaO. Rn. 49).“

Danach liege bei A kein Irrtum über tatsächliche Verhältnisse vor:

„Wenn er irrtümlich angenommen hätte, die Zulassungsbescheinigung Teil I wäre ebenso gefälscht wie die Prüfplakette, so läge unzweifelhaft eine versuchte Urkundenfälschung vor. Einen derartigen Sachverhalt hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt. Zu einer Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil I hat der Angeklagte auch nicht unmittelbar angesetzt.“

Vielmehr liege nach den Feststellungen des Landgerichts eine irrige rechtliche Bewertung des A vor:

„Es stellte fest, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass die Plaketten den Eindruck erwecken, dass die Prüfplaketten vom TÜV Rheinland angebracht waren und eine Prüfung durch dessen Mitarbeiter erfolgt sei. Entgegen der Vorstellung des Angeklagten erweckten die Plaketten jedoch nicht den Eindruck, von einem Mitarbeiter des TÜV Rheinlands angebracht worden zu sein, sondern ließen keinen Aussteller erkennen. (BU S. 5) Damit unterlag der Angeklagte keinem tatsächlichen Irrtum. Vielmehr bewertete er seine Handlung rechtlich irrig dahingehend, dass er über den Aussteller getäuscht habe (vgl. den vergleichbaren Fall in BGHSt 13, 235, 240 f.). Soweit er den Feststellungen zufolge das Vorhandensein eines Ausstellers (TÜV Rheinland) dadurch vorspiegeln wollte, dass von der Plakette auch auf einen entsprechenden Eintrag in den Papieren geschlossen werde (BU S. 8), betrifft dies nur den Vorsatz hinsichtlich einer Täuschung im Rechtsverkehr, jedoch nicht eine (irrige) Vorstellung über das Vorhandensein eines Ausstellers.

Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in einem vergleichbaren Fall einen untauglichen Versuch erwogen hat (Beschluss vom 7. Juni 2001 - 4 Ss 130/01 bei juris Rn. 8), erfolgte dies ohne Begründung und war für die dortige Entscheidung nicht tragend.“

2. Ergebnis

A hat sich auch nicht wegen versuchter Urkundenfälschung gemäß §§ 267 I Var. 3, II, 22, 23 StGB strafbar gemacht.

C. Fazit

Im Straßenverkehr gibt es für Prüfungsämter eine Vielzahl von Möglichkeiten, klassische Examensprobleme aus dem Bereich der Urkundendelikte abzuprüfen. Daher sollte der Fall zum Anlass genommen werden, die Grundzüge der §§ 267 ff. StGB – gerade auch in seine Bezügen zum Straßenverkehr zu wiederholen.