BGH: Wann ist ein Krankenhaus teilweise zerstört?

A. Sachverhalt (vereinfacht)

A wurde stationär in einem Krankenhaus behandelt. Am dritten Tag seines Aufenthalts benetzte er mit einer entzündlichen Flüssigkeit das Oberbett und zündete dieses mit einem Feuerzeug an. Dreieinhalb Minuten nach dem Auslösen des Feueralarms stand das Bett bereits vollständig und gleichmäßig in Flammen; das Zimmer war stark verqualmt.

Nachdem Feuerwehrkräfte den Brand gelöscht hatten, war die Krankenstation für die Renovierungs- und Reinigungsarbeiten zwei Tage lang komplett gesperrt. Die Arbeiten waren aufgrund der vollständigen rauchbedingten Verschmutzung der Station erforderlich. Das Patientenzimmer und der angrenzende Raum waren auch siebeneinhalb Monate später noch nicht wieder in Betrieb genommen worden. Durch den Rauch und die Hitze des Feuers waren sämtliche Trockenbauwände, die Decke und die Fenster beschädigt und mussten ebenso wie die geplatzten Fliesen und die Duschtrennwand erneuert werden. Es entstanden Reinigungs- und Renovierungskosten in einer Gesamthöhe von 118.000 €.

A erkannte bei Inbrandsetzen des Betts, dass durch die Hitzeentwicklung und erhebliche Rußbeaufschlagung die Krankenstation für eine nicht unbeträchtliche Zeit für ihre Zwecke unbenutzbar werden würde, und nahm dies billigend in Kauf.

Strafbarkeit des A wegen § 306a StGB?

 

B. Die Entscheidung des BGH (Beschl. v. 21.1.2020 – 3 StR 392/19)

A könnte sich wegen schwerer Brandstiftung gemäß § 306a I Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er das Oberbett mit einer entzündlichen Flüssigkeit benetzte und dieses anzündete.

 

I. Objektiver Tatbestand

A müsste eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen, in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört haben. In Betracht kommt hier, dass A das Krankenhausgebäude - als Unterfall der „Räumlichkeit“ im Sinne von § 306a I Nr. 3 StGB - durch Brandlegung teilweise zerstörte.

Der BGH stellt zunächst dar, wann ein Gebäude bzw. eine Räumlichkeit teilweise zerstört ist:

„Ein Gebäude ist teilweise zerstört, wenn für eine nicht nur unerhebliche Zeit ein für das ganze Objekt zwecknötiger Teil oder dieses wenigstens für einzelne seiner wesentlichen Zweckbestimmungen unbrauchbar wird oder wenn einzelne seiner Bestandteile, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, vernichtet werden (s. BGH, Beschluss vom 26. April 2018 - 4 StR 624/17, juris Rn. 10 mwN). Das ist zum einen dann gegeben, wenn das Gebäude im Ganzen zumindest einzelne von mehreren seiner Zweckbestimmungen nicht mehr erfüllen kann (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2013 - 3 StR 336/13, NStZ 2014, 404 Rn. 10). Zum anderen liegt eine teilweise Zerstörung auch dann vor, wenn ein wesentlicher, funktionell selbständiger Teil des Gebäudes nicht mehr bestimmungsgemäß nutzbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 344/11, BGHSt 57, 50 Rn. 7 f.; vom 5. September 2017 - 3 StR 362/17, juris Rn. 27).“

Ob ein Zerstörungserfolg eingetreten ist, müsse das Gericht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten Nutzungszwecke beurteilen, wobei es auf die Zeitspanne der Nutzungsbeeinträchtigung ankomme:

„Es hat objektiv anhand des Maßstabs eines “verständigen Wohnungsinhabers” zu bewerten, ob die Zeitspanne der Nutzungseinschränkung oder -aufhebung für eine teilweise Zerstörung durch Brandlegung ausreicht. Der Zeitraum muss beträchtlich sein; wenige Stunden oder ein Tag reichen nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2018 - 4 StR 624/17 , juris Rn. 10; Urteil vom 5. April 2018 - 3 StR 13/18 , NJW 2019, 19 Rn. 18, jeweils mwN).“

Der BGH sieht in der Krankenstation eines Krankenhauses eine wesentliche, funktionell selbständige „Untereinheit“ des Gebäudes “Krankenhaus”. Daher sei das Krankenhausgebäude auch dann „teilweise zerstört“, wenn die brandbedingte Einwirkung einen der wesentlichen Zwecke der Krankenstation vereitele:

“Hiernach belegen die Feststellungen eine teilweise Zerstörung des Krankenhausgebäudes. Der Angeklagte vereitelte durch Brandlegung die Nutzung der Krankenstation, bei der es sich um einen wesentlichen, funktionell selbständigen Teil des Gebäudes handelte, für zwei volle Tage. Dieser Zeitraum ist in Anbetracht des Ausmaßes des Brandes und des Umfangs der hierdurch verursachten Schäden als erheblich zu beurteilen, zumal der Krankenhausbetrieb auf der Station auch in der Folgezeit eingeschränkt war. Ein teilweises Zerstören von Gewicht - wie hier - setzt nicht zwingend einen zwei Tage überdauernden Zeitraum der Nutzungsaufhebung voraus.”

Die Frage, ob nur das Krankenhausgebäude - als Unterfall der „Räumlichkeit“ - als Tatobjekt der schweren Brandstiftung im Sinne des § 306a I Nr. 3 StGB anzusehen ist oder ob auch das Patientenzimmer selbst eine „Räumlichkeit“ darstellt, die dem zeitweisen Aufenthalt von Menschen diente, musste der BGH danach nicht entscheiden:

“Eine Auslegung im letztgenannten Sinne, die im Ergebnis von derjenigen des „Gebäudes“ oder der „anderen Räumlichkeit“ mit der Zweckbestimmung des Wohnens gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB (zum Kinderzimmer s. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09, BGHR StGB § 306 Zerstörung 3; zum Patientenzimmer in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik - unter dem Gesichtspunkt einer solchen Zweckbestimmung - vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2017 - 3 StR 362/17, juris Rn. 7, 28; ferner BGH, Beschluss vom 26. November 2019 - 3 StR 501/19, juris) abweicht, hätte namentlich im Hinblick auf die verschiedenen Nutzungszwecke in Betracht kommen können.”

A hat damit eine Räumlichkeit im Sinne von § 306a I Nr. 3 StGB durch Brandlegung teilweise zerstört.

 

II. Subjektiver Tatbestand

A handelte vorsätzlich.

 

III. Rechtswidrigkeit und Schuld

A handelte rechtswidrig und schuldhaft.

 

IV. Ergebnis

A hat sich wegen schwerer Brandstiftung gemäß § 306a I Nr. 3 StGB strafbar gemacht.

 

C. Fazit

Die Brandstiftungsdelikte (§§ 306 ff. StGB) sind bei in der Ausbildung befindlichen Juristinnen und Juristen nicht sonderlich beliebt, weil ihre Systematik nicht auf den ersten Blick verständlich erscheint und darüber hinaus eine Vielzahl von Einzelfragen bei der Auslegung der verschiedenen Tatbestände existieren. Der aktuelle Fall ist eine gute Ergänzung zu der BGH-Entscheidung zur Auslegung des § 306a I Nr. 1 StGB im Fall einer Flüchtlingsunterkunft. Wichtig auch die Erkenntnis, sauber zwischen § 306a I Nr. 1 StGB (schützt Räumlichkeiten, die der Wohnung von Menschen dienen) und § 306a I Nr. 3 StGB (schützt Räumlichkeiten, die dem zeitweisen Aufenthalt von Menschen dienen) zu unterscheiden.