Was rechtlich plötzlich alles möglich ist
Das Coronavirus sorgt für Herausforderungen, die der Staat mit neuen Gesetzen angehen will. Ein weitreichendes Leistungsverweigerungsrecht und eine Anpassung des Mietrechts sind nur der Anfang.
Worum geht es?
Das Coronavirus ist nicht mehr wegzudenken. Viele Menschen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderen Einrichtungen leisten gerade einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft, um die Entwicklungen und Folgen einzudämmen. Aber auch die Organe des Staates arbeiten unter Hochdruck, um Herr über die Krise zu werden. Die Bundesregierung hat daher ein Gesetzespaket entworfen, um unser aller Leben an die Herausforderungen von Covid-19 anzupassen. Wir wollen Dir die wesentlichen Gesetzesänderungen vorstellen.
Anpassung des Leistungsverweigerungsrechts
Als erstes billigt der Gesetzgeber Verbrauchern und Kleinstunternehmern ein weitreichendes Leistungsverweigerungsrecht zu. Aufgrund der Corona-Pandemie erkennt unsere Bundesregierung die drohende Gefahr, Pflichten aus Dauerschuldverhältnissen vorübergehend nicht nachkommen zu können. Bis zum 30. Juni 2020 kann der Schuldner nun Leistungen verweigern, wenn ihm durch die Coronakrise ansonsten Gefahren für seinen Lebensunterhalt bzw. seines Unternehmens entstünden. Vereinzelt ist daher von einem „Moratorium“ (also ein gesetzlich angeordneter Aufschub) die Rede.
Von dieser Regelung sind zwei Ausnahmen geplant. Zum einen sollen Verträge, die nach dem 8. März 2020 geschlossen wurden, nicht inbegriffen sein. Das Bundesjustizministerium begründet dies damit, dass diese nicht als schutzwürdig erscheinen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass diese Verträge in Kenntnis der Coronakrise geschlossen wurden. Zum anderen dürfe der Gläubigerschutz nicht außer Acht gelassen werden. Ein Leistungsverweigerungsrecht stehe dem Schuldner daher dann auch nicht zu, wenn dieses zu schweren wirtschaftlichen Nachteilen für den Gläubiger führen würde. Als Kompromiss soll dem Schuldner dann ein Kündigungsrecht eingeräumt werden.
Schutz für Mieter
Das Bundeskabinett möchte sich durch das Gesetzes-Hilfspaket schützend vor die Mieter stellen, die sich aufgrund der Coronakrise in einer Notlage befinden. Das Paket soll diese Woche noch Bundestag und Bundesrat passieren. Wer wegen der Pandemie keine Miete mehr zahlen kann, müsse keine Kündigung befürchten. Dies soll eine neue Sonderregelung ermöglichen. Nach bisheriger Rechtslage kann der Mieter fristlos gekündigt werden, wenn er zwei Monate in Folge die Miete nicht zahlt (§ 543 II Nr. 3 a) BGB). Dieses Kündigungsrecht des Vermieters soll aber nun ausgeschlossen werden, wenn die Nichtleistung der Miete auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht. Inbegriffen sind fällige Mieten vom 1. April bis zum 30. Juni 2020. Wichtig: Die Verpflichtung zur Mietzahlung bleibt aber bestehen, lediglich das Kündigungsrecht wird ausgeschlossen. Ebenfalls könne die Miete nicht gekürzt werden, da die Pandemie keinen Mangel der Mietsache darstelle. Sollte der Mieter in Zahlungsschwierigkeiten geraten, muss er dem Entwurf zufolge den Zusammenhang zur Coronakrise glaubhaft machen, beispielsweise durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers.
Apropos Wohnen: Das Gesetzespaket sieht auch eine Änderung im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) vor. Aufgrund der aktuellen Ausgangsbeschränkungen sollen die Regelungen über die Eigentümerversammlungen geändert werden, die grundsätzlich einmal jährlich einzuberufen sind. Auf ihnen wird unter anderem der sogenannte jährliche Wirtschaftsplan beschlossen. Wenn die Eigentümer sich aufgrund der Coronakrise nicht treffen können, soll der zuletzt beschlossene Wirtschaftsplan fortgelten.
Corona betrifft das Gesellschaftsrecht
Die Wirtschaft steht vor einer nie da gewesenen Herausforderung. Der Bund plant daher Hilfsprogramme in erheblicher Größe, um die leidende Wirtschaft zu stützen und Existenzen zu sichern. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) möchte daher einen 600 Milliarden Euro starken Fonds zur Verfügung stellen, um Konzerne zu sichern. Aber auch Kleinunternehmer und Selbstständige sollen mit Zuschüssen versorgt werden. Gesellschaften mit bis zu fünf Beschäftigten sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 9000 Euro erhalten, Firmen mit bis zu zehn Beschäftigten sogar 15.000 Euro.
Ebenfalls sollen Hauptversammlungen digital werden: Aufgrund der beschränkten Versammlungsmöglichkeit müssen Gesellschaften trotzdem weiter Beschlüsse fassen und handlungsfähig bleiben. Online-Hauptversammlungen sollen daher ermöglicht werden. Für diese würden dann modifizierte Regelungen gelten, etwa eine verkürzte Einladungsfrist oder eingeschränkte Anfechtungsmöglichkeiten.
Trotz möglicher staatlicher Zuschüsse befinden sich viele Unternehmen in Gefahr. Es drohe „eine Welle von Insolvenzen in einem nie dagewesenen Umfang“, verkündete das Bundesjustizministerium. Aufgrund der Corona-Pandemie soll daher das Insolvenzrecht gelockert werden. Zahlungsunfähige Gesellschaften sollen erstmal keinen Insolvenzantrag stellen müssen – der eigentlich innerhalb von drei Wochen gestellt werden müsste. Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ist daher bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Auch diese Regelung greift nur, wenn ein Zusammenhang zwischen Zahlungsunfähigkeit und Corona besteht.
Stundung bei Darlehen
Corona bringt viele Darlehensnehmer in Bedrängnis. Sollten sie durch die aktuelle Situation in finanzielle Schwierigkeiten geraten, würde sich dies auch auf mögliche laufende Darlehensverträge auswirken. Im schlimmsten Fall könnte der Darlehensgeber diesen kündigen und etwaige eingeräumte Sicherheiten verwerten – ein Teufelskreis. Um dem entgegenzuwirken, sollen Darlehensnehmer für eine Übergangszeit vor einer Kündigung geschützt werden. Die Darlehensforderungen sollen zunächst für sechs Monate gestundet werden. Das betrifft Ansprüche auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 fällig wären. Der Gesetzgeber möchte damit den Darlehensnehmer notwendige Zeit verschaffen, um Unterstützung zu beantragen. Im Gesetzentwurf heißt es:
Darlehensnehmer geraten so in Gefahr, dass das Darlehen verzugsbedingt gekündigt […] wird. Dem soll mit einer speziellen darlehensrechtlichen Regelung vorgebeugt werden.
Die Darlehensregelung gilt primär für Verbraucher, aber auch Kleinstunternehmen sollen in den Genuss dieser Stütze kommen.
Auflockerung bei Hartz IV – Anträgen
Schließlich soll auch eine Prüfung bei der Beantragung von Hartz IV entfallen. Sollte eine Grundsicherung aufgrund der Corona-Krise erforderlich werden, müsse diese auch schnell gewährleistet werden. Der Gesetzgeber strebt daher an, etwaige Prüfungen des Vermögens und der Höhe der Wohnungsmiete für sechs Monate auszusetzen.
Schaue Dir hier die prüfungsrelevanten Lerneinheiten zu diesem Thema an:
- [Darlehensverträge, §§ 488 ff. BGB](https://jura-online.de/lernen/darlehen-488-ff-bgb/3800/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_Ma%C3%9Fnahmenpaket_der_Bundesregierung_zur_Coronakrise)
- [Gesellschaftsformen (Überblick)](https://jura-online.de/lernen/gesellschaftsformen-ueberblick/1231/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_Ma%C3%9Fnahmenpaket_der_Bundesregierung_zur_Coronakrise)
- [Kündigung, §§ 542 ff. BGB](https://jura-online.de/lernen/kuendigung-542-ff-bgb/89/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_Ma%C3%9Fnahmenpaket_der_Bundesregierung_zur_Coronakrise)
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