Rose-Rosahl

Rose-Rosahl

Klassiker aus dem Strafrecht AT

Dieser Klassiker der Strafrechtsgeschichte ist nunmehr über 150 Jahre alt, enthält aber Probleme, die noch heute prüfungs- und ausbildungsrelevant sind und die Gerichte auch heute noch beschäftigen. Es geht insbesondere um den Tatumstandsirrtum im Sinne von § 16 StGB, den error in persona und den Anstiftervorsatz.

A. Sachverhalt (Original)

Am 11. September 1858 Abends zwischen 8 und 9 Uhr war der Gymnasiast Harnisch auf seinem Heimgange von Schiepzig nach Liesnau durch Schüsse und Zertrümmerung des Schädels getödtet worden. Der Verdacht, denselben und zwar in der Meinung, daß solches der Zimmergeselle Schliebe sei, getödtet zu haben, fiel auf den Handarbeiter Rose, und der Verdacht, den Letzteren zur Ermordung des gedachten Zimmergesellen Schl. angestiftet und gedungen zu haben, auf den Holzhändler Rosahl. Beide wurden am 18. Februar 1859 vor das Schwurgericht zu Halle gestellt.

B. Worum geht es?

Rose hat Harnisch getötet, ging dabei aber davon aus, dass es sich um Schliebe gehandelt habe. Das ändert an seiner Strafbarkeit nichts, weil es nicht um einen beachtlichen Tatumstandsirrtum i.S.v. § 16 StGB handelt, sondern einen unbeachtlichen „error in persona“. In der juristischen Sprache des Jahres 1859 (mit einem bemerkenswert langen Satz) ausgedrückt:

„So sehr nun auch die neueren Rechtslehrer, von denen fast jeder bei seinen Ausführungen sich erst seine eigene Terminologie bildet, da von einander abweichen, wo es darauf ankommt, in strafrechtlicher Beziehung die Begriffe von „Vorsatz“, „Absicht“, „Entschluß“, „Handlung“, „That“, „Erfolg“, „Motiv“ und „Zweck“ und ihr Verhältniß zu einander zu bestimmen, und so oft es selbst vorkommt, daß in einer und derselben Deduction einer dieser Ausdrücke oder auch der Ausdruck „Versuch“ bald mit dieser, bald mit jener Bedeutung gebraucht wird, so ist man doch im Wesentlichen darüber einig und es entspricht insbesondere auch der Bedeutung, welche nach dem Strafgesetzbuche – das allerdings sowohl des „Vorsatzes zu tödten“, als der „Absicht zu tödten“ Erwähnung thut (§. 183. alin. 3., §. 197. al. 4., vergl. auch §§. 165. 169.) – den Ausdrücken „Vorsatz“ und „Absicht“ beizulegen ist, daß, wenn bei doloser verbrecherischer Thätigkeit Seitens des Thäters ein Irrthum in dem Gegenstande, gegen welchen seine Thätigkeit gerichtet war (error in corpore oder in persona) vorgefallen ist, und dieser Irrthum zur Folge hat, daß seine Thätigkeit einen andern Erfolg, als den beabsichtigten hatte, dieser Irrthum, – also der in dem Momente des Entschlusses zur Ausführung der beschlossenen That, bei der Ausführung der vorsätzlichen That eintretende, an sich das Bewußtsein selbst und mit diesem den Willen nicht aufhebende Zustand des Bewußtseins, in welchem die wahre Vorstellung eines Gegenstandes von einer unwahren verdeckt und verdrängt wird, – zunächst nur dasjenige Moment der verbrecherischen Willensbestimmung berührt, welches der Denkthätigkeit, also wenn man, was nicht durchgängig geschieht (vergl. Archiv des Criminalrechts Jahrg. 1855 S. 603, Jahrg 1856 S. 413.) überhaupt im Dolus beide unterscheidet, der Absicht (der in einem solchen Falle der eintretende Erfolg nicht entspricht,) nicht aber dem Vorsatze (dem Willen) angehört und daß durch einen solchen Irrthum, – bei dem nicht ein der Wirklichkeit nicht entsprechender Causalzusammenhang selbst zwischen der vorsätzlichen Thätigkeit und dem beabsichtigten Erfolge irrig vorausgesetzt, sondern nur ein äußerer, einen solchen Zusammenhang vermittelnder umstand als vorhanden irrthümlich angenommen wird, – das Wesen der Handlung nicht aufgehoben wird, daß jene Folge, ungeachtet solchen Irrthums, eine zurechenbare bleibt, ein im ursächlichen Zusammenhange mit dem Vorsatze und mit der Handlung stehender Erfolg ist, daß daher ein solcher Irrthum ohne Einfluß auf die Zurechnung des Erfolges ist.“

Nun wurde Rose durch Rosahl angestiftet, so dass das Preußische Obertribunal die folgende (Oringinal-)Frage zu beantworten hatte:

„Ist bei dem Morde ein Seitens des Thäters vorgefallener Irrthum in der Person des Getödteten von Einfluß auf die Zurechnung des eingetretenen Erfolges und auf die Starfbarkeit des Theilnehmers durch Anstiftung oder Hülfeleistung?“

Problem: Error in persona vel objecto
Relevante Lerneinheit

C. Wie hat das das Preußische Obertribunal entschieden?

Das Preußische Obertribunal bestätigt im Fall „Rose-Rosahl“ (Urt. v. 5.5.1859 – Crimin.-S. Nr.6) auch die Verurteilung des Rosahl als Anstifter. Auch hinsichtlich des Anstiftervorsatzes liege eine vollendete Tat (und nicht nur ein Versuch) vor. Denn die Tötung der „richtigen“ Person sei nur dem – so das Gericht – Motiv der Tat zuzuordnen. Von diesem Motiv der Tat sei aber der Vorsatz des Anstifters zu trennen, der sich allein auf die Tötung (irgend)einer Person beziehen müsse:

„Seine Strafbarkeit ist von der Thätigkeit des Angestifteten, in dessen Hand er die Ausführung gelegt, und dessen Geschicktheit oder Ungeschicktheit er diese anvertraut hat, dergestalt abgängig, daß nur ein wirklicher Exceß, – wo ein Mehreres oder Anderes gethan ist, – ihm nicht zuzurechnen ist. Ein solcher wirklicher Exceß liegt aber da nicht vor, wo, wie hier, der gedungene Angestiftete, der Lohnmörder, nur durch Irrthum in der Person desjenigen, gegen welchen er, um dem Auftrage des Anstifters zu genügen, seine Thätigkeit richtet, sich in dem Schlachtopfer vergreift. Dieser handelt auch dann nicht etwa bloß auf Veranlassung des Anstifters oder bei Gelegenheit der Ausführung des Auftrages, – so daß dem Thäter die Einwirkung des Anstifters auf ihn nur das Motiv zu einem eigenen selbstständigen Entschlusse geworden wäre, – sondern die Anstiftung ist für ihn dergestalt fortdauernd bestimmend gewesen, daß seine That als Product der Anstiftung erscheint. Es hat Causalnexus zwischen der Anstiftung zu einem Morde und der, eine qualitativ gleiche Handlung ausmachenden That stattgefunden, und nur hat der Anstifter, in Folge des bei der Ausführung eingetretenen Irrthums des Thäters seinen Zweck nicht erreicht, was für den Thatbestand des angestifteten Verbrechens und für die Strafbarkeit des Anstifters eben so wenig, als für die des angestifteten Thäters von rechtlicher Bedeutung ist.“

D. Fazit

Sicherlich DER Klassiker der Strafrechtsgeschichte, der auch heute noch ausbildungs- und prüfungsrelevante Probleme enthält. Auch der BGH hatte im Jahr 1990 – beinahe 150 Jahre nach „Rose-Rosahl“ – eine ähnliche Konstellation zu entscheiden. Darauf werden wir zurückkommen.

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