A. Sachverhalt
Der Kläger hatte beim Beklagten, einem Pferdehändler, im November 1975 das Pferd “Duell” für 17.500 DM gekauft, sich aber nach seiner Darstellung ein Umtauschrecht vorbehalten. Da der Kläger mit “Duell” nicht zufrieden war, kam es im Mai 1976 zu Verhandlungen der Parteien, in deren Folge der Beklagte das Pferd beim Kläger abholte und diesem die Stute “Formosa”, für die ein Kaufpreis von 13.500 DM genannt wurde, zum Ausprobieren übergab. Der Kläger, der behauptet, man sei sich über die Rücknahme von “Duell” und - für den Fall, dass der Kläger “Formosa” nehme - darüber einig gewesen, dass der Beklagte dem Kläger 3.500 DM zurückerstatten sollte, teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 5. Juli 1976 mit, er habe sich entschieden und behalte “Formosa”.
Der Kläger hatte beim Beklagten, einem Pferdehändler, im November 1975 das Pferd “Duell” für 17.500 DM gekauft, sich aber nach seiner Darstellung ein Umtauschrecht vorbehalten. Da der Kläger mit “Duell” nicht zufrieden war, kam es im Mai 1976 zu Verhandlungen der Parteien, in deren Folge der Beklagte das Pferd beim Kläger abholte und diesem die Stute “Formosa”, für die ein Kaufpreis von 13.500 DM genannt wurde, zum Ausprobieren übergab. Der Kläger, der behauptet, man sei sich über die Rücknahme von “Duell” und - für den Fall, daß der Kläger “Formosa” nehme - darüber einig gewesen, daß der Beklagte dem Kläger 3.500 DM zurückerstatten sollte, teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 5. Juli 1976 mit, er habe sich entschieden und behalte “Formosa”.
Der Beklagte nahm die Stute am 8. Juli 1976 ohne Wissen des Klägers wieder an sich, worauf der Kläger eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher als Sequester erwirkte. Inzwischen hat die Stute gefohlt.
Die Parteien verlangen wechselseitig - der Beklagte mit einer in der Berufungsinstanz erhobenen Widerklage - Zustimmung des Gegners zur Herausgabe der Stute durch den Gerichtsvollzieher. Außerdem nimmt der Kläger den Beklagten auf Nutzungsentschädigung seit dem 9. Juli 1976, auf Zahlung weiterer 3.500 DM aus dem nach seiner Auffassung zustande gekommenen Tauschgeschäft und - seit der Berufungsinstanz - auf Herausgabe des Fohlens in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung des auf Tausch gestützten Zahlungsanspruchs von 3.500 DM stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage zur Einwilligung in die Herausgabe der Stute verurteilt; die Anschlussberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
B. Worum geht es?
Der Fall vereint sachenrechtliche und zivilprozessuale Fragen: Beide Parteien verlangen wechselseitig die Zustimmung zur Herausgabe der Stute “Formosa”. Der Kläger kann sich dabei auf einen possessorischen Herausgabeanspruch aus § 861 BGB berufen, weil der Beklagte mit der Wegnahme der Stute am 8. Juli 1976 verbotene Eigenmacht begangen hat (§ 858 BGB). Der Beklagte seinerseits hat eine ausschließlich auf das Recht zum Besitz aufgrund seines Eigentums gestützte (petitorische) Widerklage erhoben (§ 985 BGB). Nun besagt § 863 BGB allerdings, dass gegenüber den in den §§ 861, 862 bestimmten Ansprüchen ein Recht zum Besitz nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, dass die Entziehung des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht gewesen sei; im Übrigen sind sog. petitorische Einwendungen ausgeschlossen. Die Besonderheit des Falles besteht nun darin, dass sowohl Klage als auch Widerklage entscheidungsreif und begründet sind. Klage und Widerklage können aber nicht gleichzeitig Erfolg haben: Das würde bedeuten, dass sowohl der Beklagte als auch der Kläger jeweils der Herausgabe des Pferdes an den jeweils anderen zustimmen müssten.
Der BGH hatte damit folgende Frage zu beantworten:
„Wie ist zu entscheiden, wenn eine Besitzschutzklage (§ 861 BGB) und eine auf das Recht zum Besitz gestützte Widerklage des Eigentümers (§ 985 BGB) gleichzeitig entscheidungsreif sind und jede für sich begründet ist?“
C. Wie hat der BGH entschieden?
Der BGH weist im Fall „Petitorische Widerklage“ (Urt. v. 21.2.1979 – VIII ZR 124/78 (BGHZ 73, 355 ff.)) die Klage ab und gibt der Widerklage des Beklagten statt. Wenn eine Besitzschutzklage (§ 861 BGB) und eine auf das Recht zum Besitz gestützte Widerklage des Eigentümers (§ 985 BGB) gleichzeitig entscheidungsreif sind und jede für sich begründet ist, so ist die Klage abzuweisen und der Widerklage stattzugeben.
Zunächst stellt der BGH dar, dass die petitorische Widerklage zulässig sei; weder § 33 ZPO noch § 863 BGB stünden dem entgegen:
„Die Zulässigkeit der Widerklage hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht; die Revision nimmt dies auch hin. In BGHZ 53, 166, 169 hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entschieden, daß sich weder aus § 33 ZPO, noch aus § 863 BGB durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit einer petitorischen Widerklage gegenüber einer Besitzschutzklage ergeben. Dieser Entscheidung, die im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (Hagen, JuS 1972, 124; Kregel in RGRK zum BGB 12. Aufl. § 861 Rdn. 12; Erman/H.P. Westermann, BGB, 6. Aufl. § 863 Rdn. 3; Palandt/Bassenge, BGB, 37. Aufl. § 863 Anm. 2; Baur, Sachenrecht, 9. Aufl. § 9 III 1 S. 71; weitere Nachweise zum Schrifttum in BGHZ 53 a.a.O.), tritt der erkennende Senat bei. Das Bedenken Schwab’s (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 12. Aufl. § 99 II 2 c S. 526 Fußn. 526), danach würden in einem Urteil widersprechende Entscheidungen zu Klage und Widerklage möglich, trifft, wie noch auszuführen sein wird, nicht zu.“
Sodann stellt er Sinn und Zweck von § 863 BGB dar, weist aber sogleich auf die Ausnahme in § 864 II BGB hin:
„Gegenüber den Besitzschutzansprüchen aus §§ 861,862 BGB ist gemäß § 863 BGB die Berufung des Besitzstörers auf eine materielle Berechtigung zum Besitz ausgeschlossen. Sinn dieser Einwendungsbeschränkung ist es, dem Besitzer die rasche Wiederherstellung seines durch verbotene Eigenmacht beeinträchtigten Besitzstandes zu ermöglichen; die gerichtliche Durchsetzung der Besitzschutzansprüche soll nicht dadurch verzögert werden können, daß zunächst über ein vom Beklagten geltend gemachtes Recht zum Besitz verhandelt und in einem möglicherweise langwierigen Verfahren Beweis erhoben wird (BGHZ 53,166,169 m. w. Nachw.). Die Regel des § 863 BGB gilt jedoch nicht ohne Ausnahme. Gemäß § 864 Abs. 2 BGB erlischt ein nach §§ 861,862 BGB begründeter Anspruch, wenn nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, daß dem Täter ein Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann.“
Zwar liege kein rechtskräftiges Urteil zugunsten des Beklagten (und Widerklägers) im Sinne von § 864 II BGB vor. Wenn Klage und Widerklage aber jeweils gleichzeitig entscheidungsreif und begründet sind, muss § 864 II BGB zugunsten des Beklagten entsprechend angewandt und die auf § 861 BGB gestützte Klage abgewiesen werden:
„Hier geht es nur darum, ob die Vorschriften über den Besitzschutz das Gericht zwingen, einem Wiederherstellungsbegehren gemäß § 861 BGB stattzugeben, obwohl eine - gleichzeitig entscheidungsreife - Widerklage, die auf ein Recht zum Besitz gestützt wird, sich als begründet erweist. Diese Frage ist weder in § 863 BGB noch in § 864 Abs. 2 BGB geregelt. Die Gesetzeslücke läßt sich dadurch schließen, daß ein aus einem (materiellen) Recht zum Besitz hergeleiteter und darüber hinaus auch entscheidungsreifer Widerklageanspruch zuzuerkennen, der ausschließlich aus den Besitzschutzvorschriften hergeleitete Klageanspruch dagegen abzuweisen ist. Denn in einem solchen Fall steht für das erkennende Gericht fest, daß der Besitz an der Sache im Endergebnis dem Widerkläger zusteht. Die Sachlage ist derjenigen in § 864 Abs. 2 BGB vergleichbar: Wenn der Richter an ein rechtskräftiges Urteil, das die Berechtigung des Beklagten zum Besitz endgültig ausspricht, gebunden ist, muß es bei Entscheidungsreife des vom Beklagten verfolgten Rechts auf Besitz gleichermaßen als eine zwecklose Weiterung (Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Reichstagsdrucks. Nr. 87a der IV. Session der 9. Legislaturperiode, 1895/96 S. 113; ähnlich Motive III S. 131) gelten, wollte man dem Kläger die Verfolgung seines Besitzschutzanspruchs noch fürderhin ermöglichen. Dies gilt unabhängig davon, ob die das Recht des Widerklägers zum Besitz bejahende Entscheidung vorläufig vollstreckbar ist oder ob sie - wenn wie hier die Verurteilung des Klägers zur Abgabe einer Willenserklärung erfolgt (§ 894 Abs. 1 ZPO) - eine Vollstreckungswirkung erst mit Rechtskraft haben kann. Die von der Revision angedeuteten Lösungsmöglichkeiten, entweder die (petitorische) Widerklage nur als Feststellungsklage zuzulassen oder ein den Widerklageanspruch zuerkennendes Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären, gibt es nach geltendem Prozeßrecht nicht.“
D. Fazit
Wer sich mit dem Besitzschutzrecht (§§ 861 ff. BGB) und/oder der Widerklage (vgl. § 33 ZPO) befasst, muss die Grundsatzentscheidung des BGH zur petitorischen Widerklage kennen!
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