Werkunternehmerpfandrecht-Fall

A. Sachverhalt

Die Klägerin, die sich mit der Finanzierung von Kraftfahrzeugkäufen befasst, hatte im August 1957 Peter H und Norbert Ha ein Darlehen von 2358 DM zum Erwerb eines gebrauchten Volkswagens, Baujahr 1951, gewährt und sich zur Sicherung des Darlehens das Kraftfahrzeug Übereignen lassen.

Den Kraftfahrzeugbrief hatten ihr die Darlehensnehmer übergeben. Sie schulden der Klägerin auf das Darlehen noch jetzt über 1000 DM.

Im Februar 1958 gab Ha das Kraftfahrzeug, das durch einen Unfall schwer beschädigt worden war, der Beklagten, die eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte unterhält, zur Reparatur. Diese stellte den Wagen wieder her. Die Reparaturkosten betrugen nach ihrer Angabe 1530,38 DM. Ha leistete hierauf keine Zahlungen. Die Beklagte erhob deshalb gegen ihn Klage und erwirkte in Höhe des angegebenen Betrages gegen ihn ein Versäumnisurteil, aus dem sie in das Kraftfahrzeug vollstreckte. Die Klägerin hat darauf unter Hinweis auf ihr Eigentum die Beklagte zur Freigabe des Kraftfahrzeugs aufgefordert. Die Beklagte hat die Freigabe abgelehnt und sich darauf berufen, dass ihr an dem reparierten Wagen ein Unternehmerpfandrecht zustehe. Die Klägerin hat nunmehr Klage erhoben und beantragt, die Zwangsvollstreckung in den Volkswagen für unzulässig zu erklären.

 

B. Worum geht es?

Die Klägerin ist unstreitig (Sicherungs-)Eigentümerin des Kraftwagens, den die Beklagte wegen ihrer Forderung gegen ihren Schuldner H im Wege der Zwangsvollstreckung hat pfänden lassen. Da der Eigentümer grundsätzlich ein die Veräußerung hinderndes Recht hat, wäre die Drittwiderspruchsklage der Klägerin gemäß § 771 ZPO nach h.M. grundsätzlich begründet (nach a.A. wäre im Falle von Sicherungseigentum die Klage nach § 805 ZPO statthaft).

Die Beklagte könnte sich aber mit Erfolg nach § 242 BGB gegen die Klage verteidigen, wenn ihr gegenüber dem Eigentümer ein besseres Recht zur Seite steht, das diesem gegenüber wirksam ist und sie zur Fortsetzung der Zwangsvollstreckung berechtigt. Ein solches Recht könnte sich aus einem Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB) ergeben. Das steht dem Werkunternehmer indes nur an “Sachen des Bestellers” zu. Der Volkswagen gehörte aber nicht dem Besteller Ha, sondern der Klägerin.

Der BGH hatte damit die folgende Frage zu beantworten:

„Kann ein Werkunternehmerpfandrecht gutgläubig an Sachen erworben werden, die nicht dem Besteller gehören?“

 

C. Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH hebt im Werkunternehmerpfandrecht-Fall (Urt. v. 21.12.1960 - VIII ZR 146/59 (BGHZ 34, 153 ff.)) das Berufungsurteil auf, das die Drittwiderspruchsklage abgewiesen hatte. Der Senat konnte sich der damaligen herrschenden Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung anschließen, sondern folgte der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts. Kraft guten Glaubens könne ein gesetzliches Unternehmerpfandrecht an dem Besteller nicht gehörenden Sachen nicht erworben werden.

Der BGH weist zunächst darauf hin, dass nach § 1257 BGB die für ein rechtsgeschäftlich bestelltes Pfandrecht geltenden Vorschriften nur auf „auf ein kraft Gesetzes entstandenes Pfandrecht“ entsprechende Anwendung finden. Daraus schließt der BGH, dass § 1207 BGB, der den gutgläubigen Erwerb eines Vertragspfandrechts regelt, nicht für gesetzliche Pfandrechte gelte, weil es hier erst um die Entstehung des Pfandrechts gehe:

„Gegen eine unmittelbare Anwendung des § 1207 in Verbindung mit § 1257 BGB spricht entscheidend der Wortlaut des Gesetzes, das im Gebiet des bürgerlichen Rechts für die Entstehung gesetzlicher Pfandrechte nur die im Schuldrechtsteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthaltenen Voraussetzungen maßgebend sein läßt. Danach entsteht in der Regel ein gesetzliches Pfandrecht nur an Sachen des Schuldners (vgl. §§ 559 BGB – Sachen des Mieters; 647 – Sachen des Bestellers; 704 – Sachen des Gastes). Demgemäß bemerken die Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch (II404, 405) bei der Erörterung des gesetzlichen Pfandrechts des Vermieters, daß einzig und allein die Sachen des Mieters dem Pfandrecht des Vermieters unterworfen sein sollen, nicht aber Sachen des Untermieters, der Ehefrau des Mieters und seiner Kinder, und lehnen ausdrücklich die Entstehung eines Vermieterpfandrechts an eingebrachten Sachen Dritter Personenkraft guten Glaubens ab, denn, so ist Seite 405 betont, der Grundsatz »Hand wahre Hand« findet auf gesetzliche Pfandrechte überhaupt keine Anwendung. Nach dieser Begründung beziehen sich die Erwägungen nicht nur, wie zu Unrecht angenommen wird, auf das Pfandrecht des Vermieters an eingebrachten Sachen, sondern auf das gesetzliche Pfandrecht schlechthin (vgl. auch Motive III, 797).

Dieser Wille des Gesetzgebers ist auch dadurch im Gesetz klar zum Ausdruck gekommen, daß nach § 1257 BGB die Vorschriften über das durch Rechtsgeschäft bestellte Pfandrecht lediglich auf ein kraft Gesetzes entstandenes Pfandrecht entsprechende Anwendung finden. Diese Vorschriften sollten mithin nur auf die Gestaltung eines schon begründeten gesetzlichen Pfandrechtes, nicht auch für seine Entstehung maßgebend sein. Die Bestimmung über den gutgläubigen Erwerb eines vertraglichen Pfandrechtes ist daher auf gesetzliche Pfandrechte nicht anwendbar. Solche Pfandrechte können vielmehr nur dann entstehen, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind, die das Gesetz für den Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts aufgestellt hat.“

Zum Teil wird die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs gesetzlicher Pfandrechte aus § 366 HGB hergeleitet. Dem tritt der BGH unter Hinweis auf den Ausnahmecharakter von § 366 III HGB für das Handelsrecht entgegen:

„Die Auffassung, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, im Bereich des Rechts des Bürgerlichen Gesetzbuches finde bei dem gesetzlichen Pfandrecht ein Schutz des guten Glaubens statt, läßt sich auch nicht auf die Bestimmung des § 366 HGB stützen. Die Vertreter dieser Meinung gehen von dem Gedanken aus, die Vorschrift des § 366 HGB erweitere den Gutglaubensschutz des bürgerlichen Rechts nur insofern, als dort, wo das bürgerliche Recht den guten Glauben an das Eigentum erfordere, hier guter Glaube an die Verfügungsmacht genüge, und meinen, so, wie Absatz 1 des § 366 HGB den Schutz des guten Glaubens an das Eigentum als Rechtseinrichtung zugrunde lege, setze Absatz 3 voraus, daß nach bürgerlichem Recht ein Schutz des guten Glaubens auch bei gesetzlichen Pfandrechten gegeben sei. Andernfalls, so wird gefolgert, enthielte die Vorschrift des § 366 Abs. 3 HGB nicht nur eine Erstreckung des guten Glaubens auf die Verfügungsmacht, sondern begründete überhaupt erst den Schutz des guten Glaubens für das gesetzliche Pfandrecht auf dem Gebiet des Handelsrechts. Bei der Bestimmung des § 366 Abs. 3 HGB handelt es sich indessen um eine Sonderregelung des Handelsrechts. Sie läßt einen Schluß auf im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Pfandrechte, wie Münzel (MDR 1952, 643, 645) unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Bestimmung überzeugend dargelegt hat, nicht zu.“

Zudem sei das Handelsrecht an entscheidender Stelle großzügiger formuliert und stelle geringere Anforderungen an das Entstehen gesetzlicher Pfandrechte als das Bürgerliche Recht. Die maßgeblichen Regelungen im Handelsrecht und im Bürgerlichen Recht seien „wesensverschieden“, weswegen eine Übertragung von § 366 III HGB nicht in Betracht komme:

„Im übrigen stellt das Handelsgesetzbuch, wie der Wortlaut und Sinnzusammenhang der §§ 397, 410, 421, 440 HGB ergibt, in Abweichung von der Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches für die Entstehung gesetzlicher Pfandrechte darauf ab, daß der Kommissionär, Spediteur, Lagerhalter oder Frachtführer die Sache (Kommissionsgut, Frachtgut, Lagergut) »im Besitz hat, insbesondere mittels Konnossement, Ladeschein oder Lagerschein darüber verfügen kann«. Das Gesetz setzt hier also nach seinem Wortlaut nicht ausdrücklich voraus, daß es sich um Gut des Auftraggebers oder Bestellers handeln müsse, sondern es läßt schlechterdings ein gesetzliches Pfandrecht an den dem Kommissionär, Spediteur, Lagerhalter oder Frachtführer übergebenen Gut entstehen, und schließt diesen Erwerb nur aus, wenn der Kommissionär usw. hinsichtlich des Eigentums oder hinsichtlich der Verfügungsbefugnis nicht in gutem Glauben war. Das sind also geringere Anforderungen, als sie die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches vorsehen, wenn sie für die Entstehung eines gesetzlichen Pfandrechts das Eigentum des Bestellers, Vermieters usw. als unabdingbar voraussetzen. Der Gedanke, entsprechend § 366 Abs. 3 HGB den im Handelsrecht gewährten Gutglaubensschutz für den gutgläubigen Erwerb des Unternehmerpfandrechts fruchtbar zu machen, muß deshalb an dieser wesensverschiedenen Regelung scheitern. Der gute Glaube an die vorbehaltlose Verfügungsbefugnis des Veräußerers, der in § 366 Abs. 2 HGB geschützt wird und auf den Gierke (aaO) zur Begründung seiner Auffassung verweist, hat mit der hier zu entscheidenden Frage, ob der Unternehmer ein gesetzliches Pfandrecht an dem Besteller nicht gehörenden Sachen kraft guten Glaubens an dessen Eigentum erwirbt, überhaupt nichts zu tun.“

Schließlich lehnt der BGH eine analoge Anwendung des § 1207 BGB auf das (gesetzliche) Werkunternehmerpfandrecht ab. Zwar beruhe auch das Werkunternehmerpfandrecht – wie das Vertragspfandrecht (§ 1205 I BGB) – auf der Übergabe der Sache, dennoch fehle es an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte:

„Die Übereinstimmung der Besitzlage ist rein äußerlich. Daß der Gesetzgeber den gesetzlichen Pfandrechten des Bürgerlichen Gesetzbuches verschiedene Bedeutung beigelegt hätte, je nachdem die Sache übergeben oder nur eingebracht ist, läßt sich nicht erkennen. Wenn nach§ 647 BGB der Unternehmer ein Pfandrecht nur an den in seinen Besitz gelangten Sachen erwirbt, so offenbar deshalb, weil es an einer für die Entstehung jedes Pfandrechts notwendigen nahen räumlichen Beziehung zur Sache fehlt, falls der Unternehmer die den Gegenstand des Werkvertrages bildenden Arbeiten an Sachen ausführt, die im Besitz eines anderen sind. Damit ist nicht gesagt, daß das Unternehmerpfandrecht in seinem inneren Wesen dem Vertragspfandrecht gliche. Wie wenig der bloße Besitz ein gesetzliches Pfandrecht dem Vertragspfandrecht annähert, ergibt auch der Umstand, daß das gesetzliche Pfandrecht des Pächters an Inventar, das ebenfalls ein Besitzpfandrecht ist, im Gegensatz zum Vertragspfandrecht ein Eigentum des Verpächters an den Inventarstücken nicht voraussetzt, vielmehr bezweckt, den Pächter vor der Gefahr zu schützen, infolge von Herausgabeansprüchen oder einer gegenüber dem Verpächter erwirkten Pfändung in der Verfügung über das Pachtinventar beeinträchtigt zu werden.“

Dass der Besteller Besitzer der Sache sei, könne nicht genügen, wenn es am einen Rechtsgeschäft fehle:

„Zum Teil wird denn auch der Pfandrechtserwerb des Unternehmers kraft guten Glaubens auf den in der Besitzübergabe liegenden Rechtsschein zurückgeführt. Auch dieser Gedanke kann indes nicht zur entsprechenden Anwendung des § 1207 BGB führen. Der Rechtsschein, in dem allerdings die Rechtseinrichtung des gutgläubigen Erwerbes ihren inneren Grund findet, beruht nicht auf der Besitzübergabe und daher auf der Besitzerlangung des Erwerbers, sondern nur auf dem Besitz des Verfügenden, weil dieser dafür spricht, daß der Besitzer auch Eigentümer ist. Daß der Unternehmer ein Pfandrecht nur an übergebenen Sachen erwirbt, ist also für die Frage des Rechtsscheins bedeutungslos. Der Umstand aber, daß der Besteller Besitz hat, kann einen gutgläubigen Erwerb nicht rechtfertigen, weil, wie Münzel (aaO) mit Recht hervorhebt, auch bei dem gesetzlichen Einbringungspfandrecht der Schuldner Besitzer ist, bei diesem Einbringungspfandrecht aber zweifelsfrei kein Gutglaubensschutz stattfindet. Hinzukommt, daß der Besitz des Pfandgläubigers nur eines der notwendigen gesetzlichen Erfordernisse gutgläubigen Erwerbs ist. Ein weiteres besteht darin, daß die Parteien sich über die Begründung eines Pfandrechts rechtsgeschäftlich einigen müssen (§ 1205 BGB). In diesem Zusammenhang spielt erst der gute Glauben eine rechtsbegründende Rolle. Nur im Rahmen von Willensäußerungen kann das Vertrauen auf den Rechtsschein, also der gute Glaube an die Berechtigung des Verfügenden Einfluß gewinnen. Etwas anderes muß dagegen dann gelten, wenn das Gesetz die Entstehung von Rechten an rein tatsächliche Vorgänge und von dem Parteiwillen unabhängige Zustände oder Ereignisse knüpft. In derartigen Fällen, in denen der rechtsgeschäftliche Wille der handelnden Personen ohne Einfluß auf die Entstehung des Rechtes ist, kann die Vorstellung eines Beteiligten über die Berechtigung des anderen, der keine rechtsbegründende Verfügung trifft, nicht bedeutsam werden. Das gesetzliche Pfandrecht entsteht unabhängig davon, ob es der Pfandgläubiger erwerben will oder nicht, allein auf Grund der vom Gesetz geregelten objektiven Tatbestände. Fehlt es aber an einer gesetzlichen Voraussetzung, gehört also beispielsweise die zur Reparatur gegebene Sache nicht dem Besteller, so kann ein gesetzliches Pfandrecht auch dann nicht entstehen, wenn der Unternehmer den Besteller auf Grund seines Besitzes gutgläubig für den Eigentümer der Sache hält.“

D. Fazit

Bei der Frage eines gutgläubigen Erwerbs des (gesetzlichen) Werkunternehmerpfandrechts handelt es sich um ein zentrales sachenrechtliches Problem mit erheblicher Prüfungsrelevanz (s. dazu auch den Kleinbusfall). Auch 60 Jahre nach der Grundsatzentscheidung des BGH ist sie nach wie vor lebhaft umstritten. Wir merken uns zudem: Dieses Problem stellt sich nur in Fällen gesetzlicher Besitzpfandrecht (wie dem Werkunternehmerpfandrecht). Bei besitzlosen gesetzlichen (Einbringungs-)Pfandrechten (bspw. das Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB) kommt ein gutgläubiger Erwerb nach allgemeiner Auffassung nicht in Betracht, weil es an einem Rechtsscheinsträger (Besitz) fehlt.

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