A. Sachverhalt
Der Angeklagte war als Zeitschriftenwerber für eine Verlagswerbefirma tätig. Er hat durch unwahre Vorspiegelungen eine Hausfrau dazu veranlasst, eine Zeitschrift zu abonnieren. Nach der Lieferung des ersten Heftes erkannten die Bestellerin und ihr Ehemann, ein städtischer Arbeiter, die bisher noch keine Zahlungen geleistet hatten, dass die bestellten Hefte entgegen den Zusicherungen des Angeklagten für sie völlig ungeeignet und unbrauchbar waren. Sie sandten das Heft mit einem entsprechenden Schreiben an die Lieferfirma zurück. Hierauf wurde der Auftrag von der Firma ohne weiteres storniert.
B. Worum geht es?
Amts- und Landgericht hatten den Angeklagten jeweils wegen Betruges (§ 263 StGB) verurteilt. Über die Revision hatte das OLG Hamm zu entscheiden, das sie als unbegründet verwerfen wollte, sich daran aber wegen einer früheren Entscheidung des BGH (2. Strafsenat) aus dem Jahr 1961 gehindert sah. Denn danach liege kein Vermögensschaden vor, weil der Verlag bereit war, den Vertrag „ohne weiteres“ zu stornieren:
„Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, daß die bestellte Zeitschrift für die Bestellerin und ihren Ehemann nicht nur nach ihrer persönlichen Einschätzung, sondern auch nach der Auffassung eines sachlichen Beurteilers auf Grund ihrer persönlichen Verhältnisse und ihres Bildungsstandes praktisch wertlos gewesen sei. Deswegen könne der Eintritt eines Vermögensschadens der Eheleute nicht schon nach den Grundsätzen der Entscheidung BGHSt 16, 321 verneint werden. Ob das Verhalten des Angeklagten zugleich auch einen Provisionsbetrug zum Nachteil seiner Arbeitgeberfirma darstelle, habe das Landgericht nicht geprüft; aus verschiedenen im einzelnen dargelegten Gründen tatsächlicher Art sei das Oberlandesgericht zu einer abschließenden Beurteilung dieser Frage nicht in der Lage. Es komme daher darauf an, ob ein Vermögensschaden trotz der Möglichkeit anzunehmen sei, daß die Firma in allen Fällen, in denen die Bestellungen von den Kunden beanstandet wurden, den Vertrag ohne weiteres stornierte und keine Zahlungen verlangte, weil sie von vornherein mit unerlaubten Methoden ihrer Vertreter rechnete und deshalb entschlossen war, grundsätzlich allen Beanstandungen zu entsprechen.“
Der 4. Strafsenat des BGH hatte daher die folgende Frage zu beantworten:
„Liegt ein Betrug vor, wenn der Vertreter einer Verlagswerbefirma einen Kunden durch unwahre Vorspiegelungen dazu veranlasst, eine für seine Zwecke unbrauchbare Zeitschrift zu bestellen, und der Verlag von vornherein bereit ist, den Vertrag zu stornieren?“
C. Wie hat der BGH entschieden?
Der BGH bestätigt im Abonnement-Fall (Beschl. v. 16.7.1970 - 4 StR 505/69) die Rechtsansicht des OLG, tritt derjenigen des 2. Strafsenats entgegen und bejaht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Betruges. Veranlasst der Vertreter einer Verlagswerbefirma einen Kunden durch unwahre Vorspiegelungen, eine für seine Zwecke unbrauchbare Zeitschrift zu bestellen, so gefährde er das Vermögen des Bestellers in einer der Vermögensschädigung gleichkommenden Weise auch dann, wenn der Firmeninhaber von vornherein bereit ist, auf eine bloße Beanstandung des Bestellers in jedem Falle den Vertrag zu stornieren.
Zunächst stellt der BGH dar, dass es sich um einen sogenannten Eingehungsbetrug handele und ein Anfechtungsrecht des Getäuschten nicht in die Saldierung einzustellen sei:
„Es handelt sich um einen Fall des Eingehungsbetruges. Bei ihm ist eine Vermögensbeschädigung gegeben, wenn der vertragliche Anspruch auf die Leistung des Täuschenden (oder des von diesem Vertretenen) - hier auf die Lieferung der Zeitschrift - in seinem Wert hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten - hier zur Zahlung des Kaufpreises - zurückbleibt (vgl. u.a. BGHSt 16, 220, 221) [BGH 18.07.1961 - 1 StR 606/60]. Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, muß grundsätzlich die Anfechtbarkeit des Vertrages außer Betracht bleiben (BGHSt 21, 384, 386 [BGH 28.11.1967 - 5 StR 556/67]; 22, 88, 89) [BGH 20.02.1968 - 5 StR 694/67]. Das ist deshalb gerechtfertigt, weil sich der Getäuschte zwar von dem Vertrag lossagen kann, die Voraussetzungen hierfür aber beweisen muß und Gefahr läuft, das nicht zu können. Das Risiko, von dem Vertrag loszukommen, liegt ausschließlich bei dem Getäuschten.“
Allerdings unterscheide sich dieser Fall maßgeblich von dem „Normalfall“, weil der Verlag von vornherein bereit war, den Vertrag zu stornieren:
„Bei der hier zu beurteilenden Sachlage darf indes die Besonderheit nicht außer acht gelassen werden, daß der Inhaber der Lieferfirma auf eine bloße Beanstandung des Bestellers den Vertrag in jedem Fall ohne weiteres als nicht zustandegekommen behandelt. Durch diesen dem Besteller allerdings zunächst unbekannten Umstand unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall wesentlich von dem Normalfall. Rein objektiv geht hier der Besteller kein Risiko ein. Ein über eine Vermögensgefährdung hinausgehender Vermögensschaden tritt nicht ein, wenn der Besteller nach der Lieferung des bestellten Gegenstandes, ehe er selbst den Vertrag ganz oder teilweise erfüllt hat, die Unbrauchbarkeit des Gegenstandes erkennt, dem Lieferanten gegenüber geltend macht und dieser daraufhin ohne weiteres den Vertrag storniert.“
Daher stellt sich die Frage, ob trotz dieser Besonderheit schon durch den (bloßen) Abschluss des Vertrages das Vermögen des Bestellers bereits in einer Weise gefährdet worden ist, dass dies bei einer lebensnahen und daher nicht einseitig dogmatisch-zivilrechtlichen, sondern weitgehend wirtschaftlichen Betrachtungsweise einer Wertminderung und damit einer Schädigung des Vermögens gleichkommt. Das bejaht der Senat und stellt dabei maßgeblich darauf ab, dass es auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankomme:
„Es ist zunächst im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, auf den es allein ankommt, ungewiß, ob der getäuschte Besteller nach der Lieferung des Gegenstandes, ehe er seine Gegenleistung ganz oder teilweise erbringt, die den Vertragsabreden entgegenstehende Unbrauchbarkeit für seine Zwecke erkennt. Ebenso ungewiß ist es, ob der Besteller, der ja die Bereitschaft des Firmeninhabers zur Stornierung auf bloße Beanstandung hin nicht kennt, nach dem Erkennen der Unbrauchbarkeit des gelieferten Gegenstandes aus irgendwelchen Gründen von der Erhebung einer Beanstandung absehen und also zur Zahlung des Kaufpreises genötigt sein wird. Das hängt von vielen Umständen ab, über die sich niemals im voraus etwas Bestimmtes sagen läßt; von Bedeutung können insoweit sein die Geschäftsgewandtheit oder die Unerfahrenheit des Bestellers, der Grad seines Ärgers über die Übertölpelung, seine Neigung zur Bequemlichkeit oder sein Wille, sich keine unlauteren Methoden gefallen zu lassen, die Bedeutung des Kaufpreises für seine Vermögensverhältnisse usw. Für den Vertreter, dessen Täuschungshandlungen auf den Abschluß des Vertrages und auf seine Erfüllung angelegt waren, stellt das alles einen Zufall dar; er hat in jedem Falle den Besteller der naheliegenden Gefahr ausgesetzt, daß er den Vertrag erfüllen und also einen Vermögensschaden (Zahlung des Kaufpreises für eine für ihn nutzlose, unbrauchbare Sache) erleiden wird. Diese Gefahr - die Vermögensgefährdung - muß nach lebensnahen, wirtschaftlichen Gesichtspunkten bereits einer Schädigung des Vermögens gleichgesetzt werden.“
Da der 2. Strafsenat auf Anfrage mitgeteilt hatte, dass er an seiner Auffassung nicht festhalte, konnte der 4. Strafsenat wir dargestellt entscheiden.
D. Fazit
Nachdem wir uns kürzlich bereits mit dem Selbstfahrer-Fall befasst haben, fügen wir mit dem Abonnement-Fall der Fallgruppe der “Vermögensgefährdung” eine weitere Facette hinzu.
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