Verhältnis von Persönlichkeitsbeeinträchtigung und Meinungsfreiheit
Ist Björn Höcke ein Faschist? Nun, zumindest darf er als ein solcher bezeichnet werden. Es stellt keine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB dar, weil es sich um eine Meinungsäußerung handelt, die auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht. Eine Gruppe Gegendemonstranten bekam in einem Eilverfahren vom VG Meiningen Recht zugesprochen.
Worum geht es?
Ende September veranstaltete die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Eisenach ein – so von der AfD genannt – Familienfest. Wie üblich ließen sich Gegner der AfD diese Gelegenheit nicht nehmen und veranstalten eine Gegendemonstration. Die Versammlung wurde im Vorfeld unter dem Titel „Protest gegen die rassistische AfD insbesondere gegen den Faschisten Höcke“ angemeldet. Die Stadtverwaltung von Eisenach stellte aber die Auflage, dass der Begriff „Faschist“ nicht benutzt werden dürfe. Es wurde seitens der Behörde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Bezeichnung um eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB handeln würde.
Die Gegendemonstranten blieben hartnäckig und gingen gerichtlich gegen die erteilte Auflage vor. In einem Eilverfahren vor dem VG Meiningen beriefen sie sich auf die Meinungsfreiheit – und bekamen Recht.
Im Trend: Verhältnis von Persönlichkeitsbeeinträchtigung und Meinungsfreiheit
Schon wieder handelt es sich um eine Rechtssache, die das Verhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsbeeinträchtigung zum Gegenstand hat. Jüngst sorgte eine Entscheidung des LG Berlin bereits für mediale Aufmerksamkeit, als die Politikerin Renate Künast gegen „Hate-Speech“ im Internet vorgehen wollte.
Nun trifft es einen Politiker aus einem anderen Spektrum: Björn Höcke. Der AfD-Politiker ist Sprecher der AfD Thüringen und Fraktionsvorsitzender der Partei im Thüringer Landtag. Das VG Meiningen musste sich mit der Frage beschäftigen, ob die Bezeichnung als „Faschist“ eine Beleidigung darstellte – dann wäre die Auflage rechtmäßig – oder eben noch von der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I 1 Hs. 1 GG gedeckt wird.
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […].
Im Mittelpunkt des Kommunikationsgrundrechts steht der Begriff der Meinung, der grundsätzlich weit zu verstehen ist. So geht es aus ständiger Rechtsprechung des BVerfG hervor. Kennzeichnend bei der Meinung ist ihre Subjektivität. Sie ist das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist aber nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch die §§ 185, 193 StGB gehören – und auf die berief sich die Stadtverwaltung bei Erteilung der Auflage.
Ist Björn Höcke ein Faschist?
Das Verwaltungsgericht führte in seinem Beschluss aus, dass die Bezeichnung „Faschist“ ehrverletzenden Charakter haben kann.
Der Begriff „Faschist“ im heutigen politischen Sprachgebrauch hat die Bedeutung, dass damit der abwertende Vorwurf antidemokratischer, totalitärer, übersteigert nationalistischer und/oder militaristischer Neigungen und Verhaltensformen erhoben wird.
Eine Ehrverletzung kann also gegeben sein, die Auflage der Stadtverwaltung könnte also rechtmäßig erteilt worden sein. Allerdings, so das Gericht, dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hier um einen politischen Meinungskampf handeln würde. In einem solchen seien übertreibende und verallgemeinernde Kennzeichnungen des Gegners ebenso hinzunehmen wie scharfe, drastische taktlose und unhöfliche Formulierungen. Ob die Bezeichnung „Faschist“ im vorliegenden Einzelfall die Ehre von Björn Höcke verletze, hänge in erster Linie davon ab, ob die Äußerung im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung gefallen sei, die die Allgemeinheit berührende Themen zum Gegenstand hat und somit der öffentlichen Meinungsbildung diene.
Die Gegendemonstranten wiesen das Gericht darauf hin, dass eine Reihe von Sozialwissenschaftlern und Historikern faschistische, rassistische und antisemitische Aussagen bei Höcke feststellten. Außerdem sei das von Höcke veröffentlichte Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ voller rassistischer Ausführungen. Unter anderem verharmloste und relativierte er im Kontext die Taten Adolf Hitlers und des Dritten Reiches. Höcke selbst erklärte, dass „Hitler als absolut böse dargestellt wird“ und dass es nicht so „Schwarz und Weiß“ sei. Darüber hinaus forderte der Politiker in einer Rede eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, was soviel heiße, die Zeit des Hitler-Faschismus positiv zu betrachten. Aufgrund dieser ganzen Umstände wurde die Begrifflichkeit „Faschist“ mit Bedacht gewählt, um sich mit der politischen Position Höckes auseinanderzusetzen.
Erfolg für Gegendemonstranten
Insgesamt konnten die Gegendemonstranten damit in ausreichendem Umfang glaubhaft machen, dass es sich bei der Bezeichnung Höckes als „Faschisten“ um ein Werturteil handele, welches nicht nur aus der Luft gegriffen sei, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruhe. Das VG Meiningen war davon überzeugt, dass die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stehe und eben nicht – auch bei polemischen und überspitzten Formulierungen – die Diffamierung Höckes.
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- [**Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 Fall 1 GG**](https://jura-online.de/lernen/meinungsfreiheit-art-5-i-1-1-fall-gg/306/excursus?utm_campaign=VG_Meiningen_AfD-Politiker_Hoecke_darf_als_Faschist_bezeichnet_werden).
- [**Beleidigung, § 185 StGB**](https://jura-online.de/lernen/beleidigung-185-stgb/837/excursus?utm_campaign=VG_Meiningen_AfD-Politiker_Hoecke_darf_als_Faschist_bezeichnet_werden).
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