Verbraucherschutz: Justizministerium plant neues Gesetz für "faire Verbraucherverträge"

Verbraucherschutz: Justizministerium plant neues Gesetz für

Lambrecht will gegen Kostenfallen und lange Vertragslaufzeiten vorgehen

Justizministerin Lambrecht möchte die Rechte von Verbrauchern stärker schützen. Nach ihren Plänen soll unter anderem die Vertragslaufzeit für Handys oder Fitnessstudios auf ein Jahr begrenzt werden. Ebenfalls sollen Kündigungsfristen verkürzt werden. Eine Änderung der Regelungen über AGB ist wahrscheinlich.

 

Worum geht es?

Verbraucherverträge sollen verbraucherfreundlicher werden. Seit März 2019 wird an einem Gesetz gearbeitet, das sich insbesondere gegen sogenannte „Kostenfallen“ richtet. Deshalb sollen Laufzeiten und Kündigungsfristen von Verbraucherverträgen angepasst werden. Dabei geht es um Verträge, die „regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen“ betreffen, heißt es aus dem Justizministerium. Wer als Unternehmer solche Dienstleistungen und Waren anbietet, darf – dem Gesetzesentwurf zufolge – in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur noch Laufzeiten von bis zu einem Jahr anbieten. Wenn keine Kündigung erfolgt, sollen sich die abgeschlossenen Verträge auch automatisch nicht mehr um zwölf Monate, sondern nur noch um drei Monate verlängern dürfen. Zusätzlich soll die Kündigungsfrist von drei Monaten auf einen Monat sinken.

 

Verbraucherverträge und AGB

Für Verträge zwischen Verbraucher und Unternehmer gelten zum Schutz des Verbrauchers zahlreiche Sondervorschriften, die im BGB verteilt sind. Dies ist auf den Gedanken des Gesetzgebers zurückzuführen, dass der Verbraucher typischerweise dem geschäftserfahrenen Unternehmer unterlegen ist.

§ 312 III BGB regelt den Anwendungsbereich eines Verbrauchervertrages und verweist hinsichtlich seiner Definition auf § 310 III BGB. Verbraucherverträge sind danach Verträge, die zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) geschlossen werden. Unter einem Verbraucher versteht man jede natürliche Person, die einen Vertrag zu Zwecken abschließt, die überwiegend außerhalb ihrer gewerblichen Tätigkeit liegt. Sollte der Fall eintreten, dass der Verbraucher den Vertrag sowohl zu privaten als auch zu gewerblichen Zwecken abgeschlossen hat, entscheidet eine Schwerpunktsetzung. Im Zweifel ist aber stets ein Verbrauchervertrag anzunehmen – das resultiert aus dem Gedanken des Verbraucherschutzes. Schließlich muss der Vertrag eine entgeltliche Leistung eines Unternehmers zum Gegenstand haben, also wenn der Verbraucher zu irgendeiner Leistung verpflichtet ist.

Als Regelungen des Verbraucherschutzes sind insbesondere die §§ 312 ff. BGB und §§ 474 BGB zu nennen. §§ 312 ff. BGB bestimmen den Anwendungsbereich, enthalten Bestimmungen für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge. Die §§ 474 BGB regeln den Verbrauchsgüterkauf, also Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. In einer Prüfungssituation ist deshalb (zumindest gedanklich) festzustellen, wer mit wem einen Vertrag geschlossen hat: wenn sich ein Unternehmer und ein Verbraucher gegenüberstehen, ist an die speziellen Vorschriften zu denken.

 

Stärkerer Verbraucherschutz durch strengere AGB – **  309 Nr. 9 BGB entscheidend**

Die von Justizministerin Lambrecht angestrebte Reform wird voraussichtlich Änderungen im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beinhalten. AGB werden auch typischerweise in Verbraucherverträge eingebunden. Sie sind in § 305 I BGB definiert.
**  305 I BGB:**

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt.

 

Mögliche Auswirkungen sind insbesondere bei § 309 BGB zu erwarten, der Regelungen zu sogenannten Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit enthält. Hier sind verschiedenste Vertragsinhalte geregelt, die in Form der AGB nicht zulässig sind. Von besonderem Interesse ist dabei § 309 Nr. 9 BGB: In § 309 Nr. 9 BGB werden Klauseln geregelt, mit denen bei bestimmten Verträgen die Erstlaufzeit, ein Verlängerungszeitraum oder die Frist für die ordentliche Kündigung bestimmt wird. Die Überschrift  „Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen“ kann hier ein wenig irreführend wirken, denn das Verbot gilt nicht für alle Schuldverhältnisse, sondern nur für solche Verträge, die als Vertragsgegenstand eine regelmäßige Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen haben. 

 -  § 309 Nr. 9 a) BGB wendet sich gegen Laufzeitklauseln, mit denen der Vertragspartner länger als zwei Jahre an den Vertrag gebunden wird. Normzweck von § 309 Nr. 9 a) BGB ist, dass die Entscheidungs- und wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Verbrauchers geschützt werden soll, die bei einer langfristigen Bindung an einen Vertrag typischerweise besonders beeinträchtigt sein kann. Unsere Justizministerin plant hier eine Verkürzung der Laufzeitklausel auf ein Jahr.

 - Mit § 309 Nr. 9 b) BGB steuert der Gesetzgeber Verträge dahingehend, dass Verlängerungsklauseln, mit denen der Vertrag stillschweigend um mehr als ein Jahr verlängert wird, untersagt sind. Lambrecht strebt auch hier eine Reform an. Zukünftig sollen automatische Verlängerungen eines Verbrauchervertrages nur noch um drei Monate möglich sein.

 - Kündigungsfristklauseln werden durch § 309 Nr. 9 c) BGB bestimmt. Bisher ist eine Frist von mehr als drei Monaten unzulässig. Auch hier besteht nach Ansicht des Bundesjustizministeriums Änderungsbedarf. Voraussichtlich wird die Kündigungsfrist auf einen Monat gelegt.

 

Mitgliedschaft im Fitnessstudio unterfällt nicht § 309 Nr. 9 BGB

Spannend an dieser Stelle ist die Einstufung der ständigen Rechtsprechung, dass Fitnessstudios nicht unter § 309 Nr. 9 BGB zu subsumieren sind. Der BGH stuft einen Fitnessstudiovertrag als Gebrauchsüberlassungsvertrag ein, der gerade nicht unter § 309 Nr. 9 BGB zu fassen ist. Begründet wird dies damit, dass der Verwender lediglich die Zurverfügungstellung der Fitnessgeräte und die Nutzung der Räumlichkeit schuldet. Wie hier eine Neuregelung gestaltet wird, bleibt spannend.

 

Wie prüfe ich AGB in der Klausur?

Doch wie kommst Du in einer Klausur überhaupt zur Prüfung der AGB und wie muss diese dann erfolgen? Ob AGB wirksam in den Vertrag eingebunden wurden, prüfst Du im Wege der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Hierfür muss zunächst der sachliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Das bedeutet, dass es sich überhaupt erst um AGB handeln muss. Die Definition hierfür liefert – wie bereits oben erwähnt – § 305 I BGB. Danach sind AGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die vom Verwender bei Vertragsschluss gestellt werden. Hier musst Du gegebenenfalls die Sonderregelung in § 310 III Nr. 1 und 2 BGB beachten. Wenn ein Unternehmer Vertragsbedingungen stellt, dann wird davon ausgegangen, dass er sie als AGB gestellt hat. Weiterhin setzt der sachliche Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle voraus, dass keine Umgehung stattfindet. Nach § 306a BGB gelten die §§ 305 ff. BGB auch für solche Klauseln, die nicht wie AGB aussehen, aber doch AGB darstellen. Zudem darf bei der AGB-Kontrolle keine Ausnahme nach § 310 IV BGB vorliegen. Danach ist eine AGB-Kontrolle beispielsweise bei Gesellschaftsverträgen ausgeschlossen.

Nachdem der sachliche Anwendungsbereich somit eröffnet wurde, muss auch der persönliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Hierbei geht es insbesondere um die Einbeziehung der AGB in den Vertrag, dessen Voraussetzungen sich aus § 305 II, 305 III BGB ergeben. Zu beachten ist an dieser Stelle § 305a BGB, der bei bestimmten Vertragstypen eine erleichterte Einbeziehung vorsieht. Dies ist beispielsweise bei Beförderungsverträgen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Gaslieferungsverträgen der Fall. Gleiches gilt nach § 310 I BGB auch, wenn AGB gegenüber Unternehmern genutzt werden. 

Bei der AGB-Kontrolle gilt zudem der Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB. Besteht zwischen den Parteien also eine vorrangige Vereinbarung, dann erfolgt keine Einbeziehung der ABGB mehr. Ebenso scheitert eine Einbeziehung in der AGB-Kontrolle an sogenannten Überraschungsklauseln, die in § 305c BGB geregelt sind. 

Erst nachdem Du also den sachlichen sowie den persönlichen Anwendungsbereich geprüft hast, kann es zur eigentlichen Inhaltskontrolle kommen. Dies gilt jedoch nur, wenn die AGB von gesetzlichen Regelungen abweichen. Und an dieser Stelle kommst Du dann endlich zur Prüfung des von der Reform des Justizministeriums womöglich erfassten § 309 BGB, also einer Unwirksamkeit bei Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit. Hierbei ist gegebenenfalls § 310 I, II BGB zu beachten, da bei AGB, die gegenüber Unternehmen verwendet werden, eine Kontrolle nach § 309 BGB nicht erfolgt. Im Anschluss daran kann sich die Prüfung der § 308 BGB und § 307 BGB anschließen.
 
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