BGH zur Ersitzung gestohlener Kunstwerke – Teil 2

BGH zur Ersitzung gestohlener Kunstwerke – Teil 2

Beweislast bei der Ersitzung gestohlener Kunstwerke

Kunst ist schön, Kunst ist wertvoll – und manchmal auch ein wenig kompliziert. Der BGH hat nun über die Ersitzung gestohlener Kunstwerke entschieden und einen Rechtsstreit zurück an das OLG Nürnberg verwiesen. Materiell-rechtlich ging es bisher um die Frage, ob der Beklagte originäres Eigentum durch die Ersitzung der Gemälde gem. § 937 BGB erworben hat. Nun wird sich das OLG aber verstärkt mit der Frage der Beweislast beschäftigen müssen.

 

 

Worum geht es?

Im Mai haben wir bereits darüber berichtet, dass der spannende Rechtsstreit mit sachen- und erbrechtlichen Bezügen nun dem BGH vorliegt, hier nochmal ein Rückblick:

Der Beklagte ist Autoteile-Großhändler und war 2009 im Besitz von Gemälden, die von einem zumindest in der Kunstszene bekannten deutschen Maler stammen sollen: von Hans Purrmann, gemalt in 1924 und 1939. Eigentlich wollte der Beklagte die Gemälde 2009 versteigern lassen – der größte Interessent war jedoch die Polizei, die vom Auktionshaus informiert wurde: Die Gemälde waren als gestohlen gemeldet, weshalb nun die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen Verdachts der Hehlerei gegen den Beklagten einleitete. Das Verfahren wurde zwar eingestellt, die Gemälde (die einen Wert von über 100.000 € haben sollen) aber beim Amtsgericht hinterlegt.

Der Kläger in dem Verfahren, über das nun der BGH entschieden hat, gab an, dass es sich bei dem Maler Hans Purrmann um seinen Großvater handele. Dieser habe die Gemälde zunächst seiner Tochter geschenkt (also der Mutter des Klägers). Schließlich landeten die Werke im Rahmen der Erbfolge beim Kläger. Im Jahre 1986 – vor dem Tod der Mutter – seien die Gemälde jedoch bei einem Einbruch in das Haus der Eltern entwendet worden.

Spannend ist jetzt die Frage, wie denn der Beklagte an die Kunstwerke kam. Dieser behauptet, dass er die Gemälde von seinem Stiefvater im Jahre 1986 oder 1987 geschenkt bekommen habe, die dieser wiederum damals von seinem Antiquitätenhändler erworben habe.

Der Kläger begehrt im Rechtsstreit nun die Bewilligung der Freigabe der am Amtsgericht hinterlegten Gemälde. Darüber hinaus strebt er die Abweisung der von dem Beklagten erhobenen Widerklage, gerichtet auf die Freigabe an seine Person, an. Und zunächst schien es so, als würde der Beklagte als Sieger aus dem Rechtsstreit gehen: Das LG Ansbach hatte die Klage des Klägers abgewiesen und auch die dagegen gerichtete Berufung vor dem OLG Nürnberg hatte keinen Erfolg. Nun könnte es aber nochmal spannend werden: Der V. Zivilsenat des BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung nach Nürnberg zurückverwiesen. 

Ersitzung von beweglichen Sachen, § 937 BGB

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits steht § 937 BGB. Es handelt sich bei der Norm um einen Eigentumsverlust kraft Gesetzes. Auf den ersten Blick scheint der Tatbestand erfüllt zu sein, so sahen es auch die vorigen Instanzen: Der Beklagte habe die Gemälde gem. § 937 „ersessen“ und somit originäres Eigentum an den Gemälden erworben.

**  937 BGB lautet:**

(1)  Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum (Ersitzung).

(2)  Die Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.

 

Damit die Norm einschlägig ist, muss also zunächst eine bewegliche Sache 10 Jahre im Eigenbesitz sein. Aber: Die Ersitzung darf nach § 937 II BGB nicht ausgeschlossen sein. Wenn einer der beiden Ausschluss-Tatbestände vorliegt, wäre eine Ersitzung nicht möglich – das Eigentum wäre nicht untergegangen.

 

(P): Beweislast

Bis hin zum OLG Nürnberg wurde angenommen, dass § 937 BGB einschlägig sei und insbesondere keiner der Ausschlussgründe vorliegen würde. Der BGH hat nun etwa nicht die Norm abgelehnt – vielmehr hat er bemängelt, dass das OLG Nürnberg sich nicht eingehend genug mit der Frage der Beweislast beschäftigt habe. 

Die Beweislast für den zehnjährigen Eigenbesitz an der Sache trifft denjenigen, der sich auf die Ersitzung beruft, während die Voraussetzungen des Abs. 2 (also die Ausschlussgründe der Norm: kein guter Glaube bei Erwerb o. spätere Kenntnis) von demjenigen zu beweisen sind, der die Ersitzung bestreitet und die Herausgabe der Sache verlangt.

Dies soll auch in den Fällen gelten, so der BGH, in denen sich der auf Herausgabe verklagte Besitzer auf § 937 BGB beruft, wenn die Sache dem vorherigen Eigentümer gestohlen wurde, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen ist. Dies sei schon durch die damalige Intention des Gesetzgebers zu erkennen, der § 937 BGB gerade im Hinblick auf gestohlene oder verloren gegangene Sachen für erforderlich gehalten hat, den guten Glauben des Ersitzenden eben nicht zu einer Voraussetzung zu machen, sondern lediglich den bösen Glauben als Ausnahmetatbestand bestimmt.

Die Frage nach der Gutgläubigkeit im Sinne des § 937 II BGB sei vor allem bei der Ersitzung von Kunstwerken mit einem besonderen Sorgfaltsmaßstab zu bewerten. Gerade im Kunsthandel sei mit abhanden gekommenen Sachen zu rechnen, sodass eine besondere Sorgfalt vom Erwerber verlangt werden könne. Grundsätzlich ist die Gutgläubigkeit des Ersitzenden stets eine Frage des Einzelfalls, in der Literatur bestehen aber folgende Leitlinien zur Orientierung:
Soweit der Veräußerer eines Kunstwerks als seriös in der Branche anzusehen ist, kann der Erwerber grundsätzlich auf die Eigentumsposition des Veräußerers vertrauen. Ist der Erwerber aber selbst in einer bestimmten Art im Kunstgeschäft tätig, so treffen ihn auch Nachforschungsobliegenheiten.

 

Erwerbsvorgang nicht hinreichend gewürdigt

Diese Leitlinien hat der BGH in seinem jüngsten Urteil auch aufgegriffen. Das Gericht führt aus, dass den auf Herausgabe verklagten Besitzer einer dem früheren Besitzer gestohlenen, verloren gegangenen oder sonst abhanden gekommenen Sache in der Regel eine sekundäre Darlegungslast für seine Gutgläubigkeit bei dem Erwerb des Eigenbesitzes im Sinne des § 937 BGB trifft. Wenn der ehemalige Besitzer die behaupteten Umstände des Erwerbs des verklagten Besitzers widerlegen kann, sind die Voraussetzungen von § 937 II BGB als bewiesen anzusehen. Also: § 937 II BGB (+), Erwerb durch Ersitzung (-).

Und genau darin sah der BGH das Problem in der in diesem Rechtsstreit vorausgegangenen Rechtsprechung:

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben, weil es an einer auf den konkreten Vortrag des Beklagten bezogenen tatrichterlichen Würdigung fehlte, ob der behauptete Erwerbsvorgang als widerlegt anzusehen ist oder nicht.

Zwar müsse ein Laie auf dem Gebiet der Kunst keine besondere Nachforschung bzgl. des erworbenen Kunstwerks betreiben, um sich auf den guten Glauben berufen zu können. Der Erwerber kann aber bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt, so der BGH.

Aus diesen Gründen wird sich das OLG Nürnberg erneut mit dem vorliegenden Sachverhalt beschäftigen und die Umstände des Einzelfalls erneut würdigen müssen. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der Rechtsstreit ausgehen wird – Das Klausurpotential steigt.

Wir halten Dich weiterhin auf dem Laufenden. Bis dahin kannst Du Dich mit unseren Lerneinheiten zum gesetzlichen Eigentumserwerb vorbereiten.