BGH verhandelt zur Ersitzung gestohlener Kunstwerke

BGH verhandelt zur Ersitzung gestohlener Kunstwerke

Ist die Ersitzung auch bei gestohlenen Sachen möglich?

Vor dem V. Senat des Bundesgerichtshofs wird am Freitag dieser Woche (17.5.2019) ein äußerst spannender Fall mit sachen- und erbrechtlichen Bezügen verhandelt. Materiell-rechtlich geht es im Kern um die Frage, ob der Beklagte originäres Eigentum durch die Ersitzung der Gemälde gemäß § 937 BGB erworben hat.

 

Worum geht es?

Der Beklagte ist Autoteile-Großhändler und war 2009 im Besitz zweier Gemälde, die gemäß des Klägervortrags von dem deutschenMaler Hans Purrmann und nach den Feststellungen des Landgerichts aus den Jahren 1924 und 1939 stammen sollen. Als der Beklagte im Jahr 2009 diese Gemälde in einem Auktionshaus in der Schweiz aufgrund von finanziellen Engpässen versteigern lassen wollte, informierte der Auktionshausmitarbeiter, der die Gemälde im Vorfeld besichtigte, die Polizei: Denn die Gemälde waren als gestohlen gemeldet, weshalb die zuständige Staatsanwaltschaft kurzerhand ein Strafverfahren wegen Verdachts der Hehlerei gegen den Beklagten in die Wege leitete.
 
Dieses Verfahren wurde zwar eingestellt, die Gemälde jedoch 2010 beim Amtsgericht hinterlegt. Dem Vortrag des Klägers zufolge, hatte sein Großvater die Gemälde zunächst seiner Mutter geschenkt. Diese vererbte dann die Gemälde an den Kläger und seine Schwester, welche ihre Ansprüche an den Kläger abtrat. Im Jahre 1986 – vor dem Tod der Mutter – seien die Gemälde nebst anderen Gegenständen bei einem Einbruch in das Haus der Eltern entwendet worden. Der Beklagte behauptet jedoch, dass er die Gemälde von seinem Stiefvater im Jahre 1986 oder 1987 geschenkt bekommen habe, die dieser wiederum von einem Antiquitätenhändler erworben habe. Die Gemälde – sofern sie echt sind – haben einen Wert von über 100.000 Euro.
 
Der Kläger begehrt im Rechtsstreit nun die Bewilligung der Freigabe der am Amtsgericht hinterlegten Gemälde. Darüber hinaus strebt er die Abweisung der von dem Beklagten erhobene Wiederklage, gerichtet auf die Freigabe an seine Person, an.

 

Zum Prozessverlauf

Das Landgericht Ansbach hat der Wiederklage - unter Abweisung der Klage des Klägers – in erster Instanz stattgegeben. Und auch die dagegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem Oberlandesgericht Nürnberg hatte keinen Erfolg. Der Kläger verfolgt deshalb sein Klagebegehren im Rahmen der Revision vor dem V. Zivilsenat am Bundesgerichtshof weiter. Der Verhandlungstermin ist für diesen Freitag, 17. Mai 2019 angesetzt.

Neben mehreren spannenden prozessualen Fragen – vor allem bezüglich der Beweislastverteilung bei den verschiedenen Ansprüchen – ist der Fall mit einigen materiell-rechtlichen Problemen aus den Bereichen des Sachen- und Erbrechts ausgestattet, weshalb er als Vorlage für eine Examensklausur prädestiniert ist.

Vor dem OLG drehte sich der Prozess hauptsächlich darum, dass der Kläger den für den Prozess relevanten Echtheitsnachweis der Gemälde nicht geführt habe. Darüber hinaus sahen die Richter am OLG die Schenkung der Gemälde des Großvaters des Klägers an seine Mutter als nicht bewiesen an. Sofern eine solche Schenkung nicht stattgefunden habe, können sich - insbesondere, weil die Mutter des Klägers mehrere Geschwister hatte - andere Eigentumsverhältnisse ergeben. Aber auch auf der hypothetischen Grundlage, dass die sichergestellten Gemälde tatsächlich aus der Feder des Malers Hans Purrmann stammten und eine Schenkung zwischen Großvater und Mutter des Klägers stattgefunden habe, sahen die Richter keine Erfolgschancen in der Klage des Klägers. Denn: Der Beklagte habe die Gemälde gemäß ** 937 BGB** „ersessen“ und somit originäres Eigentum an den Gemälden erworben.

** 937 BGB lautet:**
(1) Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum (Ersitzung).

(2) Die Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.

 

Keine Nachforschungspflicht?

Bemerkenswert ist bei der Ersitzung, dass sie auch bei gestohlen Sachen möglich ist, sofern § 937 II BGB nicht einschlägig ist. Bei der Gutgläubigkeit gemäß § 937 II BGB wird die Gutglaubensregel aus § 932 II BGB angewandt. Das OLG beschäftigte sich in Anbetracht dessen im Rahmen der Gutgläubigkeitsprüfung des Beklagten bzgl. seiner Eigentümerstellung insbesondere mit der Frage, ob der Beklagte grob fahrlässig verkannt habe, dass die Gemälde von dem Maler Purrmann stammten und stellten fest:

„Auch fehlender Kunstverstand lässt die Annahme eines aus zwei Gemälden bestehenden Geschenks des Stiefvaters nicht als grob fahrlässig erscheinen.“

Den Beklagten soll darüber hinaus auch keine Nachforschungspflicht bzgl. des Malers oder des eventuellen Ursprungs der Gemälde aufgrund der Signatur des Bildes mit „H.Purrmann“ treffen, da der Maler weitestgehend als unbekannt unter Kunstlaien gelten dürfte. Für die Gutgläubigkeit des Autoteilehändlers spreche vielmehr, dass er die Gemälde in seinen für jedermann zugänglichen Geschäftsräumen seines Betriebes aufhängte.

 

Die Entscheidung im Fall liegt nun beim V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständig ist. Wir halten Dich auf dem Laufenden. Bis dahin kannst Du Dich mit unseren Lerneinheiten zum gesetzlichen Eigentumserwerb vorbereiten.

BlogPlus

Du möchtest weiterlesen?

Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.

Paket auswählen