Sollen Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden? Und wenn ja, wie?
Die Rechte der unter 18-Jährigen sollen ihren Niederschlag auch in der Verfassung finden. Darüber sind sich die meisten einig. In Anbetracht des siebzigjährigen Jubiläums unseres Grundgesetzes entfachen Themen rund um die Verfassung aber stärkere und weitreichendere Diskussionen. Wie das geplante “Kindergrundrecht” in Zukunft umgesetzt werden soll, darüber wird hingegen gestritten.
Worum geht es?
Das Ziel, die Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen, hat die große Koalition bereits in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Dort heißt es unter anderem, dass die Koalition „Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich verankern“ und ein „Kindergrundrecht“ schaffen werde. Bei einer solchen Grundrechtsänderung würde es sich insbesondere um die weitere Umsetzung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1989, die Deutschland im Jahre 1992 ratifizierte, handeln. Die Konvention, die auf alle Personen unter 18 Jahren Anwendung findet, legt vier Grundprinzipien zugrunde:
- das Diskriminierungsverbot,
- das Recht auf Leben und persönliche Entwicklung,
- das Beteiligungsrecht,
- und den Vorrang des Kindeswohls.
Bereits im Februar äußerte sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey im Zusammenhang mit dem Fünften und Sechsten „Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes“ und statuierte den Anspruch und das Ziel des Bundeskabinetts, Deutschland zu einem der „kinderfreundlichsten Länder Europas“ zu machen. Sie sagte weiter, dass nach der Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in den verschiedensten Bereichen, die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz der nächste Schritt sei.
Ein Vorschlag für die Grundgesetzänderung soll eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe von Bund und Ländern bis Ende des Jahres erarbeiten. Laut Bericht der Süddeutschen Zeitung hat sich die Mehrheit der Arbeitsgruppe nun auf einen ersten Entwurf, der der Redaktion vorliegen soll, geeinigt. Ein Teil des Entwurfes laute demnach:
„Jedes Kind hat ein Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft”
Ferner soll – neben der Verankerung, dass das Kindeswohl bei jedem staatlichen Handeln eine wesentliche Berücksichtigung findet - Kindern und Jugendlichen eine stärkere Teilnahme an staatlichen Entscheidungen eingeräumt werden. Konkret soll es im Entwurf heißen, dass „jedes Kind bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife” haben solle.
Politische Debatte
Während sich viele Politiker für eine solche Verankerung der Kinderrechte in unserem Grundgesetz von 1949 aussprechen, genießt die Idee keine ausnahmslose Zustimmung. Zum einen wird teilweise eine Kollision mit den im Grundgesetz bereits verankerten Rechten der Eltern befürchtet, zum anderen wird die Verankerung als „wirkungslose Symbolpolitik“ (Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbunds der Deutschen Katholiken) bezeichnet.
Kritik hagelt es auch von Innenstaatssekretär Günter Krings, der gegenüber der Rheinischen Post die Differenzierung nach Altersgruppen in unserem Grundgesetz für als nicht zielführend erachtet. Er befürchtet, dass sobald ein Grundrecht für eine Altersgruppe – hier, die der Kinder und Jugendlichen – eingeführt werde, die Forderungen nach weiteren altersspezifischen Grundrechten – wie zum Beispiel für Senioren und Seniorinnen - entstehen könnte. Er spricht sich deshalb für die Einführung einer weiteren Staatszielbestimmung mit dem Inhalt „der Kinderförderung in Zusammenhang mit dem Ziel der Generationengerechtigkeit“ aus.
Die Einführung eines Staatszieles lehnt das seit 1994 bestehende Aktionsbündnis Kinderrechte jedoch stringent ab und stellt an den von der Arbeitsgruppe auszuarbeitenden Entwurf des Kindergrundrechtes einige Kriterien. Nach Ansicht des Bündnisses stelle die Einführung eines Staatszieles „eine viel gescholtene Symbolpolitik” dar. Bei der Erarbeitung des Grundrechtes spricht sich das Bündnis für eine enge Orientierung an den Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention aus.
Und auch zur systematischen Umsetzung hat das Bündnis eine klare Haltung, denn das Kindergrundrecht soll seiner Meinung nach nicht als weiterer Absatz von Art. 6 GG, sondern in einem neuen Art. 2 a GG, eingefügt werden. Begründet wird dies damit, dass Art. 6 GG das Dreiecksverhältnis zwischen Kind, Eltern und Staat regelt. Wegen der Nähe zu Art. 2 GG, der die Rechte auf freie Persönlichkeitsentfaltung und körperliche Unversehrtheit regelt, wäre das Kindergrundrecht dort besser aufgehoben, heißt es im Positionspapier des Bündnisses. Und auch einen inhaltlichen Vorschlag hat das Bündnis gemacht. Ein ideales Kindergrundrecht, was in Art. 2a GG verankert wäre, hat insgesamt vier Absätze und klingt nach Ansicht des Aktionsbündnisses wie folgt:
(1) Jedes Kind hat das Recht auf Förderung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten zur bestmöglichen Entfaltung seiner Persönlichkeit.
(2) Die staatliche Gemeinschaft achtet, schützt und fördert die Rechte des Kindes. Sie unterstützt die Eltern bei ihrem Erziehungsauftrag.
(3) Jedes Kind hat das Recht auf Beteiligung in Angelegenheiten, die es betreffen. Seine Meinung ist entsprechend seinem Alter und seiner Entwicklung in angemessener Weise zu berücksichtigen.
(4) Dem Kindeswohl kommt bei allem staatlichen Handeln, das die Rechte und Interessen von Kindern berührt, vorrangige Bedeutung zu.
Auf welchen endgültigen Wortlaut sich die Arbeitsgruppe schließlich einigen wird und wie nah sich das Kindergrundrecht an den Prinzipien der knapp dreißigjährigen UN-Kinderrechtskonvention orientiert, werden wir voraussichtlich schon nächsten Monat erfahren: Bereits im Juni soll der Abschlussbericht mit konkreten Vorschlägen zur Grundgesetzänderung veröffentlicht werden.
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