BGH zum subjektiven Schadenseinschlag

A. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)

A verkauft O Photovoltaikmodule nebst Zubehörteilen zu einem marktgerechten Preis von 100.000 €; O zahlt den Kaufpreis und erwirbt Eigentum an den Anlagen, die auf ihm nicht gehörenden Grundstücken errichtet werden.

Vertraglich vorgesehener Zweck des Eigentumserwerbs durch O an den Modulen ist es dabei, dass A diese an Dritte verpachtet. Die Pachteinnahmen soll A einziehen und zur Hälfte an O weiterreichen. Voraussetzung dafür ist, dass A sogenannte Spiegelanlagen errichtet. Die dafür notwendigen zusätzlichen Module soll A nach der Abrede mit O aus dem vereinnahmten Kaufpreis zahlen. Diese Module erwirbt A aber, wie von vornherein beabsichtigt, nicht und behält den Kaufpreis für sich.

Ohne die Spiegelanlagen konnte O die auf fremdem Grund installierten Photovoltaikmodule nicht nutzen, insbesondere nicht verpachten, weil ihm dafür die finanziellen Mittel fehlen. A gerät in Insolvenz; vertragliche Beziehungen zwischen O und den Grundstückseigentümern bestehen nicht. Ihm bleibt nur, die Anlagen abzubauen und mit erheblichen Verlusten zu verkaufen.

 

Strafbarkeit von A?

 

B. Die Entscheidung des BGH (Beschl. v. 12.6.2018 – 3 StR 171/17)

 

I. Strafbarkeit wegen Betruges gegenüber und zum Nachteil des O gemäß § 263 I StGB

A könnte sich wegen Betruges gegenüber und zum Nachteil des O strafbar gemacht haben, indem er ihm die Photovoltaikmodule verkaufte, obwohl er die Spiegelanlagen nicht errichten wollte.

 

1. Tatbestand

A hat O erfolgreich vorgespiegelt, Spiegelanlagen errichten zu wollen. O hat daraufhin den Kaufvertrag mit A geschlossen. Täuschung, Irrtum und irrtumsbedingte Vermögensverfügung liegen vor.

Fraglich ist, ob O einen Vermögensschaden erlitten hat. Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung liegt ein Vermögensschaden immer dann vor, wenn die Vermögensverfügung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch einen Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens führt. Beim Kauf einer Sache ist deshalb in erster Linie maßgeblich, ob die Sache objektiv den vereinbarten Preis wert ist. Der vereinbarte Kaufpreis ist marktgerecht. Danach wäre hier ein Vermögensschaden zu verneinen.

Hier könnten aber die auf den berühmten Melkmaschinen-Fall aus dem Jahr 1961 zurückgehenden Grundsätze über den persönlichen (oder individuellen) Schadenseinschlag Anwendung finden. Das würde dazu führen, dass der Wert des Eigentumserwerbs an den Modulen bei der Saldierung nicht anzurechnen ist. Dazu führt der BGH aus:

„Bei der zur Bestimmung des Vermögensschadens stets gebotenen Gesamtsaldierung ist auch der subjektive Wert des Erlangten für den Verletzten zu berücksichtigen. Ist nach dem Urteil eines objektiven Dritten eine (möglicherweise objektiv werthaltige) Gegenleistung des Täuschenden bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse des Geschädigten sowie der von ihm verfolgten Zwecke subjektiv wertlos, begründet dies einen Vermögensschaden in voller Höhe des zur Erlangung der Gegenleistung Aufgewandten (sog. persönlicher Schadenseinschlag, st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 16. August 1961 - 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10, wistra 2011, 335, 338; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 178 mwN).“

Im Melkmaschinen-Fall hat der BGH drei typische Anwendungsfälle dieser Grundsätze gebildet, darunter die Fallgruppe der Zweckverfehlung. Dazu der BGH:

„Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Geschädigten anzusehen sein, wenn die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich ohne besondere Schwierigkeiten wieder veräußern kann (BGH, Beschluss vom 16. August 1961 - 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 326; Urteil vom 7. März 2006 - 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15 mwN).“

Danach geht der BGH von einem Vermögensschaden aus:

„So verhielt es sich hier: Vertraglich vorgesehener Zweck des Eigentumserwerbs an den Photovoltaikmodulen war es, diese im Rahmen eines langfristig den versprochenen Ertrag bringenden Pachtvertrages zu verpachten; dazu kam es nicht, weil die Angeklagten die dafür erforderlichen Bedingungen (siehe oben: Spiegelanlagen) nicht geschaffen hatten und auch nicht schafften. Eine anderweitige zumutbare Verwendung der Module kam nicht in Betracht.“

Danach bejaht der BGH einen Vermögensschaden:

„So verhielt es sich hier: Vertraglich vorgesehener Zweck des Eigentumserwerbs an den Photovoltaikmodulen war es, diese im Rahmen eines langfristig den versprochenen Ertrag bringenden Pachtvertrages zu verpachten; dazu kam es nicht, weil die Angeklagten die dafür erforderlichen Bedingungen (siehe oben: Spiegelanlagen) nicht geschaffen hatten und auch nicht schafften. Eine anderweitige zumutbare Verwendung der Module kam nicht in Betracht. Die Anleger konnten schon mangels vertraglicher Beziehungen zu den Eigentümern der Grundstücke die hierauf installierten Anlagen nach der Insolvenz der von den Angeklagten kontrollierten Gesellschaften nicht weiterbetreiben. Nach dem Aufbau der Anlagen und Anschluss der Geräte waren diese nach den Feststellungen der Strafkammer auch nur noch mit erheblichen Verlusten zu veräußern.“

A handelte vorsätzlich und mit der Absicht, sich rechtswidrig um den Kaufpreis zu bereichern. Damit ist der Tatbestand des § 263 I StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt.

 

2. Rechtswidrigkeit und Schuld

A handelte rechtswidrig und schuldhaft.

 

3. Strafe

Indem O einen Schaden von 100.000 Euro erlitt, hat A das Regelbeispiel des § 263 III 2 Nr. 2 StGB erfüllt.

 

4. Ergebnis

A sich wegen Betruges in einem besonders schweren Fall strafbar gemacht.

 

II. Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 I StGB

Eine Vermögensbetreuungspflicht nach Vereinnahmung des Kaufpreises des A gegenüber O bestand nicht. Eine Strafbarkeit wegen Untreue scheidet aus.

C. Fazit

Die Grundsätze über den subjektiven Schadenseinschlag zählen zum Kernwissen zu § 263 StGB. Grund genug, sich die aktuelle Entscheidung und den Melkmaschinen-Fall genauer anzusehen.

BlogPlus

Du möchtest weiterlesen?

Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.

Paket auswählen