Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Der R e.V. hat von einem Bauern ein Grundstück mit Scheune geerbt. V, alleiniges Vorstandsmitglied der R e.V., will nach Überprüfung der Scheune alle Möbel darin verkaufen. Daher gibt er ein Zeitungsinserat auf. Daraufhin erscheint Trödelhändler T bei V. Sie schließen einen Kaufvertrag „über die Möbel, aber nicht über die eventuell darin befindlichen Sachen“. Sicherheitshalber kontrollieren V und T vor dem Abtransport noch einmal alle Möbel und finden nichts.
Kurze Zeit später findet T in einem Geheimversteck in einer Kommode ein altes Buch. Das Buch stammt von einem später berühmt gewordenen Autor, ist mit Feder geschrieben und vom Autor handsigniert. T wendet sich an den Antiquitätenhändler A und überlässt diesem das Buch. A lässt daraufhin für 100 Euro eine Expertise erstellen. Diese ergibt, dass das Buch einen Wert von 1.500 Euro habe, aber ohne professionelle Hilfe zu zerfallen drohe.
A kauft dem T, der den genauen Wert nicht kennt (was A auch weiß), das Buch für 1.000 Euro ab. A investiert noch einmal 1.500 Euro in die Restaurierung des Buches und verkauft es für 5.500 Euro an den Buchhändler S. T sieht das Buch für 6.000 Euro im Schaufenster des S und wendet sich schnurstracks an den A und teilt diesem mit, dass er, T, so am Vertrag nicht mehr festhalten wolle.
V, der von den Vorgängen erfährt, verlangt nunmehr im Namen des R das Buch heraus. S wendet ein, er sei gutgläubig gewesen. Zumindest aber wolle er die 100 Euro Gutachtenkosten und die 1.500 Euro Restaurationskosten, die der A investiert habe, ersetzt haben.
Frage 1: Hat R gegen S einen Anspruch auf Herausgabe des Buches?
Abwandlung:
Wie im Ausgangsfall. Allerdings ist T Buchsammler. T beauftragt den A, die Expertise einzuholen, bezahlt diese aber diesmal selbst. A teilt dem T wahrheitswidrig mit, dass das Buch gefälscht sei. Da T keine Fälschung behalten will, verkauft er das Buch für 50 Euro an A. A lässt das Buch wieder für 1.500 Euro restaurieren und verkauft es an den S, der die Umstände kennt.
T sieht das Buch bei S und sagt am Abend dem A: „Ich fechte alle Verträge an, vor allem, nach so einem Betrug”.
V erfährt davon und verlangt Herausgabe von S. S will das Buch nicht herausgeben, und wenn er das Buch herausgeben müsse, dann wolle er zumindest 1.500 Euro haben.
Der R e.V. ist knapp bei Kasse und hätte, selbst bei Kenntnis der Situation, das Buch nicht restaurieren lassen, sondern es für den reduzierten Preis verkauft.
Kann R von S Herausgabe verlangen?
Unverbindliche Lösungsskizze
Ausgangsfall: R gegen S auf Herausgabe des Buches
A. § 985 BGB
I. Besitz des S (+)
II. Eigentum des R
Ursprünglich: B
Eigentumserwerb des R, § 1922 BGB (+)
Eigentumserwerb des T, § 929 S. 1 BGB
(-); Arg.: Sachen in den Möbeln ausdrücklich ausgenommenEigentumserwerb des A von T, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung
-> Anfechtung, §§ 142, 119 ff. BGB
aa) Anfechtungsgrund
(1) § 119 II BGB
(-); Arg.: Wert keine Eigenschaft
(2) Arglistige Täuschung
(-); Arg.: wohl keine Aufklärungspflicht des A bzgl. des Wertes (andere Ansicht vertretbar)
b) Übergabe (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung (-)
e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
aa) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)
bb) Rechtsscheinstatbestand
-> Besitz des T, § 1006 I BGB (+)
cc) Gutgläubigkeit des A, § 932 II BGB (+)
dd) Kein Abhandenkommen, § 935 BGB
(+); Arg.: V hat die Kommode (mit Inhalt) freiwillig, wenn auch irrtümlich herausgegeben.
ee) Ergebnis: (+)
Eigentumserwerb des S von A, § 929 S. 1 BGB (+)
Ergebnis: (-)
III. Ergebnis: (-)
B. Sonstige Anspruchsgrundlagen
-> §§ 861, 1007 I, II, 823 I, 812 BGB (-)
Abwandlung: R gegen S auf Herausgabe des Buches
A. § 985 BGB
I. Besitz des S (+)
II. Eigentum des R
Ursprünglich: B
Eigentumserwerb des R, § 1922 BGB (+)
Eigentumserwerb des T, § 929 S. 1 BGB (-)
Eigentumserwerb des A von T, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung
-> Anfechtung, §§ 142, 119 ff. BGB
aa) Anfechtungsgrund
-> § 123 I 1. Fall BGB (+); Arg.: „Fälschung“ = bewusst wahrheitswidrige Behauptung
bb) Anfechtungserklärung
(+);Arg.: „alle Verträge“ = auch die dingliche Einigung
(1) Richtiger Anfechtungsgegner, § 143 BGB (+)
(2) Frist
-> Unverzüglich, § 121 BGB (+); Arg.: „schnurstracks“
cc) Kein Ausschluss (+)
dd) Rechtsfolge: Nichtigkeit ex tunc, § 142 I BGB
b) Ergebnis: (-)
- Eigentumserwerb des S von A, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung (+)
b) Übergabe (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung (-)
e) Gutgläubiger Erwerb, §§ 929 S.1, 932 BGB
(-); Arg.: S kannte die Umstände, also die Anfechtbarkeit, § 142 II BGB
f) Ergebnis: (-)
- Ergebnis: (+)
III. Kein Recht zum Besitz
-> §§ 1000, 994 ff BGB (-); Arg.: keine Einwendung, sondern Einrede
IV. Keine Einrede
-> §§ 1000, 994 ff. BGB
- § 994 I BGB
a) EBV zum Zeitpunkt der Verwendungen (+); Arg.: Anfechtung ex tunc
b) Redlicher Besitzer
(-); Arg.: weder A noch S redlicher Besitzer
c) Ergebnis: (-)
- § 994 II BGB
a) EBV (+)
b) Bösgläubiger Besitzer (+)
c) Notwendige Verwendungen
(+); Arg.: zum Erhalt des Buches wohl erforderlich, da andernfalls ein Zerfall droht
- Dass die Verwendungen nicht von S selbst, sondern vom Vorbesitzer A getätigt wurden, dürfte wohl unerheblich sein.
c) Verweis auf GoA-Regeln
-> Teilrechtsgrundverweis
Hier: Restauration nicht willensgemäß = echte unberechtige GoA, §§ 684, 812 ff. BGB
- Problem: Aufgedrängte Bereicherung, § 818 II BGB
- aA: objektive Betrachtung; Arg..: Schutz des Bereicherungsgläubigers
- aA: subjektive Betrachtung; Arg.: Schutz des Bereicherungsschuldners
d) Ergebnis: (-)
B. Ergebnis: (+)
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