Examensreport 1. Examen ZR II aus dem Januar 2018 NRW

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

**Fall 1:**V leiht seinem Bekannten L seinen Roller, damit L vom 01.12.2017 – 31.12.2017 zu seiner neuen Arbeit fahren kann, da dieser keinen eigenen Pkw hat und die Busanbindung schlecht ist. L ist es wichtig, dass er den Roller auf jeden Fall benutzen kann, da er seine neue Arbeit ernst nimmt. V hingegen ist es wichtig, dass L besonders pfleglich mit dem 3.000 € teuren Roller umgeht.

Am 21.12.2017 sind L und seine Freundin F im Weihnachtsstress, weshalb L die F auf dem Roller los schickt um ein gemeinsames Weihnachtsgeschenk für den Vater der F zu kaufen. L weist F – die erfahrene Rollerfahrerin ist – an, besonders pfleglich mit dem Roller des V umzugehen, da die Rückgabe bald ansteht.

Nach einigen Metern wird F jedoch mit dem Roller schuldlos in einen Unfall verwickelt, wodurch ein Lackschaden am Roller i.H.v. 200 € entsteht. Wäre F nicht gefahren, wäre V später die gleiche Strecke bei vergleichbarem Verkehrsaufkommen gefahren.

V meint, L hätte den Roller nicht ohne seine Erlaubnis weitergeben dürfen, „dies sei doch klar aus dem Gesetz erkennbar“. Diese Pflichtverletzung müsse L gegen sich gelten lassen. L meint, weder ihn noch F würde ein Verschulden treffen. Außerdem hätte es keinen Unterschied gemacht, ob F oder er (L) später gefahren wäre.

V verlangt 200,- Schadensersatz von L wegen dem Lackschaden. Zu Recht?

 

**Fall 2:**L besucht mit Tochter T den M, welcher sein gebrauchtes Mofa verkaufen will. L stellt dem M die Tochter T vor. Das Mofa hat einen Soziussitz. Dies kommt dem L gelegen, weil dieser seine Tochter damit zur Schule fahren will. L und M einigen sich über einen Kaufpreis. Vor Geschäftsabschluss bittet L noch um eine Probefahrt und will T mitfahren lassen. M ist mit allem einverstanden.

L fährt auf einer Straße mit dem Verkehrsschild § 41 StVO iVm. § 49 StVO Anlage 2 (Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h). Dieses übersieht L, sodass er in einer Kurve, die L falsch einschätzt, deshalb mit 70 km/h anstatt den angewiesenen 50 km/h fährt. L versucht zu bremsen, doch die Bremse des Mofas funktioniert schlecht und er prallt gegen einen Baum. T erleidet leichte Schürfwunden, die der ärztlichen Behandlung bedürfen (400€ ).
M wusste von der kaum funktionierenden, verschleißbedingten Bremse, wollte es L mitteilen, hatte es aber vergessen.

Wäre L geschwindigkeitskonform gefahren, wäre der Unfall nicht passiert. Hätte M den L über die kaum funktionierenden Bremsen aufgeklärt bzw. wären die Bremsen nicht mangelhaft, wäre der Unfall ebenfalls nicht passiert.

T verlangt von M die Behandlungskosten ersetzt. Zu Recht?

 

**Fall 3:**V will sein gebrauchtes Mofa verkaufen und beauftragt die sachkundige S mit dem Verkauf auf einer Gebrauchtwagenplattform. S hatte volle Vertretungsrechte und handelte offenkundig im Namen des V.
An dem Mofa befindet sich derzeit noch ein Spezial-Auspuff, den V jedoch abmontieren und gegen einen Standartauspuff austauschen will. S soll sicherstellen, dass darüber informiert wird.

Auf einer Gebrauchtwagenwebsite stellt S ein Inserat online, indem sie ihre besondere Expertise anpries und vorgab, als sachkundige Person (die sich mit Mofas auskennt), die volle Funktionstüchtigkeit des Mofas festgestellt zu haben.
Im Inserat befinden sich jedoch Bilder mit dem Mofa, worauf zu erkennen ist, dass noch der Spezial-Auspuff montiert ist. Informationen über diesen Auspuff befanden sich aber im Inserat nicht.

Interessentin I meldet sich und macht ein Angebot über 3.000€ (was dem tatsächlichen Wert des Mofas mit Spezial-Auspuff entspricht). S nimmt dieses Angebot im Namen des V an, vergisst aber, die I darüber zu informieren, dass der Spezial-Auspuff noch abmontiert und durch einen Standartauspuff ersetzt werden soll.

V montiert den alten Auspuff ab und den anderen dran, in dem Glauben, S hätte I informiert.

I zahlt und bekommt das Mofa geliefert und ist enttäuscht darüber, dass der erwartete Spezial-Auspuff nicht am Mofa montiert ist. Mit einem Standartauspuff ist das Mofa nur 2.800€ wert.

I verlangt von S Schadensersatz. Zu Recht?

**Bearbeitervermerke:**Alle Personen außer T sind volljährig und haben einen gültigen Führerschein.
Vorschriften aus dem StVG und StGB sind nicht zu prüfen.
§ 823 Abs. 2 ist nicht zu prüfen.
Auf § 3 StVO und § 41 StVO iVm. §49 StVO Anlage 2 wird hingewiesen, andere Vorschriften der StVO sind nicht zu prüfen. In Fall 2 ist davon auszugehen, dass keine Versicherung beteiligt ist.

 

Unverbindliche Lösungsskizze

Fall 1: V gegen L auf Schadensersatz i.H.v 200 Euro

A. § 280 I BGB

I. Schuldverhältnis
Hier: Leihe, § 598 BGB

II. Pflichtverletzung

  1. Weitergabe an F
    (+); Arg.: § 603 S. 2 BGB

  2. Beschädigung des Rollers (+)

III. Vertretenmüssen, § 276 BGB

  1. Weitergabe an F (+)

  2. Beschädigung des Rollers
    a) Eigenes Verschulden des L (-)

b) Zurechnung des Verschuldens der F, § 278 BGB
(-); Arg.: kein Verschulden der F

IV. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB
-> Kausal-adäquater Schaden
Hier: hypothetische Reserveursache -> Schaden wäre bei V ebenfalls (schuldlos) entstanden

V. Ergebnis: (-)

B. § 823 I BGB
(-); Arg.: kein eigenes Verschulden bzw. kein kausal-adäquater Schaden (s.o.)

 

Fall 2: T gegen M auf Ersatz der Heilbehandlungskosten

A. § 437 Nr. 3, 280 ff. BGB
(-); Arg.: noch kein wirksamer Kaufvertrag („vor Geschäftsabschluss“)

**B. CIC, §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB **I. Vorvertragliches Schuldverhältnis

  1. T-M (-)

  2. T-L
    (+), § 311 II Nr. 2 BGB

  3. Einbeziehung der M
    -> Vertrag mit Schutzwirkung für Dritten (VSD)** **a) Leistungsnähe der M (+)

b) Einbeziehungsinteresse des L
Hier: Wohl und Wehe

c) Erkennbarkeit von a) und b) für M (+)

d) Schutzbedürftigkeit der T
(+); Arg.: keine eigenen vertraglichen Ansprüche

II. Pflichtverletzung
Hier: keine Aufklärung über schlechte Bremsen

III. Vertretenmüssen, § 276 BGB (+)

IV. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB
Hier: Heilbehandlungskosten i.H.v. 200 Euro, § 249 II BGB

V. Kein Ausschluss
-> Mitverschulden, § 254 BGB
Hier: Mitverschulden des V i.H.v. 50 %, §§ 254 II 2, 278 BGB
(vertretbar wäre auch eine Lösung über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld)

VI. Ergebnis: (+), i.H.v. 100 Euro

C. § 823 I BGB
(+), i.H.v. 100 Euro (s.o.)

 

Fall 3: I gegen S auf Schadensersatz i.H.v. 200 Euro

A. CIC, §§ 280 I, 311 II, III, 241 II BGB

I. Vorvertragliches Schuldverhältnis
-> § 311 III BGB

  1. Nicht selbst Vertragspartner (+)

  2. Besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen (+)

  3. Beeinflussung des Vertragsschlusses (+)

II. Pflichtverletzung
Hier: Falsche Information über den Auspuff

III. Vertretenmüssen (+)

IV. Rechtsfolge: Schadensersatz Hier: 200 Euro Minderwert

V. Ergebnis: (+)

B. Sonstige Anspruchsgrundlagen (-)