Examensreport: ZR II 1. Examen aus dem Juni 2017 Hamburg

Sachverhaltsschilderung (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Die S-GmbH hat sich auf den Kauf und Verkauf von Häusern in Hamburg spezialisiert. Geschäftsführer der S-GmbH sind G und Z. Am 20.02.2017 schaltet die S-GmbH eine Anzeige im Internet:

„Vollunterkellertes Einfamilienhaus aus dem Jahr 2005 in Hamburg-Volksdorf. Gesamtfläche: 210 qm, davon 180 qm Wohnfläche.“

A und B wohnen in Berlin und müssen aus beruflichen Gründen nach Hamburg ziehen. Sie werden auf diese Anzeige aufmerksam und vereinbaren mit G – Z ist verhindert – einen Besichtigungstermin für den 28.02.2017. Nach der Besichtigung sind sich A und B einig: Sie wollen das Haus.

Am 15.03.2017 vereinbaren A und B mit dem G mündlich, dass sie das Haus für 350.000 Euro kaufen. Der Notartermin soll am 12.04.2017 stattfinden. Sofern A und B bis zu diesem Termin 175.000 Euro überweisen, soll auch schon die Auflassung notariell beurkundet werden. Nach dem Notartermin sollen A und B zeitnah einziehen dürfen. Der restliche Kaufpreis werde mit Eintragung von A und B im Grundbuch fällig, spätestens aber bis zum 10.05.2017.

Am 06.04.2017 überweisen A und B 175.000 Euro auf das Konto der S-GmbH. Am 12.04.2017 findet der Notartermin wie besprochen statt. Dabei erscheint für die S-GmbH allein der G. Z ist nicht eingeweiht. A und B lassen sich durch den Rechtsanwalt R vertreten, der eine auf ihn lautende Vollmacht zum Notartermin vorlegt. In dem beurkundeten Vertrag findet sich eine Klausel (Ziff. 4):

„Aufgrund der Besichtigung des Objekts durch die Käufer ist die Haftung der Verkäuferin für Sachmängel ausgeschlossen“.

Außerdem wird in dem Vertrag nur die Gesamtfläche von 210 qm angegeben, nicht aber das Baujahr und das Verhältnis Wohnfläche/Nutzfläche.

Am 13.04.2017 erteilt der Z dem G nachträglich sein Einverständnis zu dieser Vorgehensweise. 2 Tage später erfolgt die Schlüsselübergabe. Am 22.04.2017 werden A und B als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Als A und B am 27.04.2017 das neue Haus beziehen wollen, müssen sie allerdings feststellen, dass das Rolltor an der Garage demoliert ist. Der Schaden rührt von einem Stadtstreicher her, der in der Nacht vom 13. auf den 14.04.2017 in der Garage übernachtet hatte. A und B wenden sich an G und fordern diesen telefonisch auf, das Rolltor instand zu setzen. G weigert sich unter Hinweis auf Ziff. 4 des Kaufvertrages.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.05.2017 fordern A und B den G zur Nachbesserung auf und setzen hierfür eine Frist bis zum 25.05.2017. Außerdem verweigert Rechtsanwalt R im Namen von A und B die Zahlung des restlichen Kaufpreises. G teilt mit, dass die S-GmbH dann ab dem 10.05.2017 Zinsen auf den Restkaufpreis verlangen werde.

Am 15.05.2017 entdeckt der von A und B beauftragte Architekt zwei Abweichungen im Vergleich zu den Angaben im Internet:

Der Keller stammt nicht wie angegeben aus dem Jahre 2005, sondern noch von dem Vorgängerhaus aus dem Jahre 1970. Das Haus ist aus diesem Grund 15.000 Euro weniger wert. G und Z wussten von diesem Umstand, befürchteten aber, dass das Interesse an dem Haus nachlassen würde, wenn sie diesen Umstand mitteilen würden. Außerdem hat das Haus nur 155 qm Wohnfläche (und 55 qm Nutzfläche). Der hierdurch begründete Minderwert beträgt 10.000 Euro. Bei der Wohnfläche hatten sich G und Z schlicht auf die Angaben des Voreigentümers verlassen.

Am 25.05.2017 ließen G und Z das Garagentor austauschen. Die Kosten beliefen sich auf 1.100 Euro. Sodann überwiesen A und B 150.000 Euro. Am selben Tag erklärten sie, den Kaufpreis um 25.000 Euro mindern zu wollen.

Mit Schreiben vom 12.06.2017 forderte die S-GmbH A und B auf die restlichen 25.000 Euro zu zahlen. Es lägen keine Sachmängel vor. Außerdem sei jegliche Haftung durch Ziff. 4 des Kaufvertrages ausgeschlossen worden. Außerdem macht die S-GmbH Zinsansprüche i.H.v. 254 Euro auf 150.000 Euro für den Zeitraum 11.-25.05. geltend.

Weil die Zahlung ausbleibt, erhebt die S-GmbH, anwaltlich vertreten, Klage vor dem Landgericht Hamburg, mit dem Antrag, A und B zu verurteilen 25.000 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 254 Euro zu zahlen.

 

Hat die Klage der S-GmbH Erfolg?

 

 

Unverbindliche Lösungsskizze

A. Zulässigkeit

I. Zuständigkeit

  • Sachlich: Landgericht; Arg.: §§ 23, 71 GVG
  • Örtlich: Hamburg, §§ 12, 13 ZPO

II. Partei- und Prozessfähigkeit, §§ 50, 51 ZPO

  • S-GmbH: §§ 13, 35 GmbH
  • A und B (+)

III. Postulationsfähigkeit
-> Anwaltszwang, § 78 ZPO (+)

B. Begründetheit

I. S-GmbH gegen A und B auf Zahlung des restlichen Kaufpreises i.H.v. 25.000 Euro aus § 433 II BGB

  1. Anspruch entstanden

a) Einigung

aa) Vertretung der S-GmbH, §§ 164 ff. BGB

(1) Eigene Willenserklärung des G (+)

(2) Im fremden Namen (+)

(3) Im Rahmen der Vertretungsmacht
-> G und Z als Geschäftsführer der S-GmbH gemeinschaftlich, § 35 II BGB
Hier: Erklärung nur des G; aber: Genehmigung durch Z, § 184 BGB – auch formfrei möglich, § 182 II BGB

bb) Vertretung von A und B durch R, §§ 164ff. BGB
(+); Arg.: Vollmacht formfrei wirksam § 167 II BGB

b) Wirksamkeit
-> Notarielle Beurkundung, §§ 125 S. 1, 311b I 1 BGB (+)

  1. Anspruch nicht erloschen

a) Erfüllung, § 362 I BGB
(+), i.H.v. 325.000 Euro

b) Minderung, §§ 437 Nr. 2, 2. Fall, 326 V, 441 BGB

aa) Wirksamer Kaufvertrag
(+), s.o.

bb) Mangel

(1) Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 I 1 BGB
-> Durch Internetanzeige
-> Auslegung, §§ 133, 157 BGB

(a) Bzgl. Baujahr der Kellerräume
(-); Arg.: zumindest formunwirksam, da nicht notariell beurkundet

(b) Bzgl. Verhältnis Wohn-/Nutzfläche (-); Arg.: s.o.

(2) § 434 I 3 BGB

(a) Bzgl. Baujahr der Kellerräume

  • Öffentliche Äußerung der S-GmbH durch Internetanzeige (+)
  • Erwartung, dass das gesamte Haus (einschließlich Keller) aus dem Jahre 2005 stammt (+); Arg.: Bedeutung des Kellers; Größe des Kellers; Erheblichkeit der Altersabweichung

(b) Bzgl. Verhältnis Wohn-/Nutzfläche
-> Erwartung durch öffentliche Äußerung

  • Dagegen: Toleranzen; vorheriger Besichtigung durch A und B
  • Dafür: Wohnflächenverordnung; erhebliche Abweichung

cc) Bei Übergabe

dd) Unmöglichkeit der Nacherfüllung, §§ 326 V, 275 BGB (+)

ee) Kein Ausschluss
-> Vertraglicher Ausschluss

(1) Auslegung (+)

(2) Wirksamkeit
-> Arglistiges Verschweigen § 444 BGB

  • Bzgl. Baujahr der Kellerräume: (+)
  • Bzgl. Verhältnis Wohn-/Nutzfläche: (-)

ff) Minderungserklärung (+)

gg) Keine Einrede der Unwirksamkeit, § 218 BGB (+)

  1. Anspruch durchsetzbar (+)

  2. Ergebnis
    (+), i.H.v. 10.000 Euro

II. S-GmbH gegen A und B auf Zahlung der Zinsen i.H.v. 254 Euro, §§ 280 II, 286, 288 BGB-> Schuldnerverzug

  1. Fälliger, durchsetzbarer Anspruch

a) Anspruch (+), s.o.

b) Fälligkeit, § 271 BGB
Hier: 11. Mai 2017; Arg.: Tag nach Ablauf der Stundung

c) Durchsetzbarkeit
-> Einrede des nicht (nach-)erfüllten Vertrages, § 320 BGB bzgl. Garagentor

aa) Wirksamer Kauvertrag (+)

bb) Mangel
Hier: § 434 I 2 Nr. 2 BGB

cc) Bei Übergabe (+)

dd) Nacherfüllungsverlangen (+)

ee) Kein Ausschluss
-> Vertraglicher Ausschluss (-); Arg.: Mangel erst nach Vertragsschluss und Besichtigung entstanden (andere Ansicht vertretbar)

ff) Einschränkung durch § 242 BGB

  • Dafür: Kosten der Nachbesserung i.H.v. 1.100 Euro vergleichsweise gering zu dem zurückbehaltenen Betrag i.H.v. 25.000 Euro
  • Dagegen: Sinn und Zweck des § 320 BGB (Druckmittel)
  1. Mahnung
    (-), aber: entbehrlich, § 286 II Nr. 1 BGB

  2. Vertretenmüssen
    -> Vermutet

  3. Ergebnis: (+)