Ehestörungsklage

A. Sachverhalt

Die Kl. ist mit dem Fabrikanten M. verheiratet. Aus der Ehe ist eine jetzt 9 Jahre alte Tochter hervorgegangen. Der Ehemann der Kl. unterhält seit mehreren Jahren ein ehebrecherisches Verhältnis mit der 40 Jahre alten Bekl.
Ab Juli 1948 lebte die Kl. von ihrem Ehemann getrennt in der ehelichen Wohnung zusammen mit ihrer Tochter, führte aber zunächst den gemeinschaftlichen Haushalt weiter. Im November 1948 zog die Bekl. in die eheliche Wohnung und benutzte dort ab Januar 1949 zusammen mit dem Ehemann der Kl. ein gemeinschaftliches Zimmer, während die Kl. mit der Tochter im ehelichen Schlafzimmer verblieb und nunmehr einen getrennten Haushalt führte. Die übrigen Räume in der Wohnung wurden gemeinsam benutzt.
Die Kl. hat gegen die Bekl. Klage mit dem Antrag erhoben, es bei Meidung einer für den Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Haft- oder Geldstrafe zu unterlassen, mit dem Ehemann der Kl. innerhalb der ehelichen Wohnung zusammenzuleben.  

B. Worum geht es?

Der BGH hatte die folgende Frage zu beantworten:

„Steht einem Ehepartner ein Anspruch auf Unterlassung gegen eine „Ehebrecherin“ zu?“

 

C. Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH gib der Klage im Fall „Ehestörungsklage“ (Urt. v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51 (BGHZ 6, 361 ff.)) statt.

Zunächst stellt der BGH dar, dass die eheliche Lebensgemeinschaft durch eine Reihe von besonderen Vorschriften geregelt werde:

„Der Schutz des Rechtsguts der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft und der Schutz des Rechts auf ihre Wiederherstellung, wenn diese verweigert wird, ist im Gesetz durch eine Reihe besonderer Vorschriften geregelt, die eine unbeschränkte Anwendung der allgemeinen, den Schutz von Rechten und Rechtsgütern bezweckenden Gesetzesbestimmungen nicht ohne weiteres als zulässig erscheinen lassen. Diese besondere Regelung des Eheschutzes beruht auf der Erwägung, daß die Beziehungen der Ehegatten zueinander vorwiegend sittlichen Charakter haben und daher einer Regelung durch die Rechtsordnung, insbes. durch Eingriffe der staatlichen Zwangsgewalt, in weitem Umfange nicht zugänglich sind. Die Erfüllung der aus dem ehelichen Verhältnis für die Ehegatten sich ergebenden gegenseitigen Pflichten, mögen sie auch von der Rechtsordnung anerkannt sein (vgl. § 1353 Abs. 1 BGB), kann in weitem Umfange nur durch die freiwillige Bindung der Ehegatten an das Sittengesetz und an die Forderungen ihres eigenen Gewissens garantiert werden. Ihre Erzwingung, etwa durch staatliche Strafen und Strafandrohungen, würde sich gegen die sittliche Grundlage der Ehe selbst wenden, und zwar auch dann, wenn der so ausgeübte Zwang sich zwar unmittelbar gegen einen Dritten, in seinen praktischen Auswirkungen aber mittelbar doch gegen einen der Ehegatten richten würde.“

Anderes gelte aber für den sogenannten räumlich-gegenständlich bestimmten Bereich der Ehe, der die äußere sachliche Grundlage für das gemeinsame Ehe- und Familienleben abgebe und zugleich den einzelnen Familienmitgliedern die Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen soll und von Art. 6 GG geschützt sei:

„Alle diese Erwägungen gelten jedoch nur für die persönlichen Beziehungen der Ehegatten zueinander, also für ihr Verhalten in bezug auf die besonderen Pflichten, die ihnen als Ehegatten in ihrem persönlichen Verhältnis zueinander obliegen. Neben diesem rein persönlichen Bereich der Ehe oder richtiger aus diesem Bereich heraus bildet sich jedoch in der Ehe regelmäßig ein anderer räumlich-gegenständlich bestimmter Bereich, der die äußere sachliche Grundlage für das gemeinsame Ehe- und Familienleben abgibt und zugleich den einzelnen Familienmitgliedern die Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen soll. Diese Entfaltung der Persönlichkeit ist der wesentliche Inhalt und Zweck der Familiengemeinschaft. Zu dem äußeren Bereich, in dem sie sich vollzieht, gehört vor allem - ohne daß er sich immer darauf beschränken muß - die Ehe- und Familienwohnung. Sie ist insbes. der natürliche Wirkungskreis der Ehefrau, auf den sie in ihrem eigenen Interesse wie im Interesse der Familie zur Entfaltung und Verwirklichung ihrer Persönlichkeit in dem Maße angewiesen ist, wie sie in der Ehe und Familie ihre eigentliche Lebensaufgabe gefunden hat (vgl. § 1356 BGB). Das Recht des Ehegatten auf diesen Bereich, in welchem die Ehe- und Familiengemeinschaft sich gegenständlich verkörpert, genießt, soweit es auf anderem Wege nicht verwirklicht werden kann, den uneingeschränkten Schutz der staatlichen Ordnung, der der Ehe und Familie in Art. 6 GG zugesichert ist. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß Art. 6 GG nur dem Schutz der Ehe und Familie als solcher diene, während der Ehegatte bei der Geltendmachung seines oben umschriebenen Rechtes den Schutz seiner Person bezwecke. Soweit es sich um die Erhaltung und Reinhaltung des äußeren ehelichen Lebensraumes - um den Schutz des häuslichen Herdes - handelt, ist der Schutz der Ehe und der Familie nur dadurch möglich, daß der in seinem Recht auf diesen Lebensraum verletzte Ehegatte in eben diesem Recht geschützt wird. Sein Interesse an diesem Schutz läßt sich von dem der Familie gar nicht trennen.“

§ 888 II ZPO stehe dem nicht entgegen:

„Um den Schutz des äußeren ehelichen Lebensraumes in diesem Sinne geht es der Kl. mit der vorl. Klage. Sie ist sich durchaus darüber klar, daß an eine Wiederherstellung der inneren ehelichen Gemeinschaft mit ihrem Ehemann bei dessen eheverneinender Einstellung mindestens einstweilen nicht zu denken ist und daß sie ihren Ehemann durch die mit dieser Klage erstrebte Verurteilung der Bekl. weder zu einer Änderung seiner Gesinnung noch zur Erfüllung seiner ehelichen Pflichten im eigentlichen Sinne bewegen oder gar zwingen kann. Ihre Klage zielt also keineswegs darauf ab, unter Umgehung des § 888 Abs. 2 ZPO die Herstellung des ehelichen Lebens durch staatlichen Zwang durchzusetzen. Sie soll vielmehr nur die Voraussetzung dafür wiederherstellen, daß sie, die Kl., innerhalb ihrer ehelichen Wohnung ein Leben führen kann, wie es ihrer Frauen würde und ihrer Stellung als Hausfrau und Mutter der Familie entspricht. Das wird ihr durch das Eindringen der Bekl. in diesen Bereich, zumal wenn es mit dem Anspruch verbunden ist, dort an Stelle der Kl. den Platz der Lebensgefährtin ihres Ehemannes und womöglich die Stellung der Hausfrau einzunehmen, seelisch, wenn nicht sogar - durch Zerrüttung ihrer Gesundheit infolge seelischen Grams - auch physisch unmöglich gemacht. Weiter will die Kl. durch ihre Klage erreichen, daß auch ihre 9jährige Tochter in der Ehe- und Familienwohnung ohne seelische und sittliche Gefährdung aufwachsen kann.
Das Eindringen der Bekl. in den äußeren ehelichen Lebensraum der Kl. würde, wenn es nicht zurückgewiesen wird, im Erfolg dazu führen, die Kl. mit ihrer Tochter daraus zu verdrängen und damit die Ehe und die Familie der Kl. nicht nur in ihrem inneren Bereich - dem ehelichen Verhältnis der Ehegatten zueinander -, sondern auch in ihrer äußeren Grundlage und ihrem äußeren Bestände zu zerstören.“

Störungen des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe könne ein Ehepartner mit einer Unterlassungsklage entgegentreten, wobei der BGH offen lässt, ob der Anspruch aus § 823 I BGB i.V.m. § 1004 I BGB analog oder unmittelbar aus Art. 6 GG folge:

„Solchen Angriffen, mögen sie in der eindeutigen Absicht geführt werden, sie aus diesem Bereich durch Anwendung physischer oder psychischer Druckmittel zu verdrängen oder ohne derartige Druckmittel zu verdrängen oder, ohne eine derartige Absicht im Enderfolg zu einer solchen Verdrängung führen, kann deshalb die Ehefrau durch eine Klage auf Beseitigung der damit bewirkten Störung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung künftiger Störungen entgegentreten, wobei es dahingestellt bleiben mag, ob ihr Recht auf diesen Bereich als ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zu gelten hat oder ob es ein Rechtsgut ist, zu dessen Schutz die Bestimmung des Art. 6 GG eingreift, die nach Art. 1 Abs. 3 GG als unmittelbar geltendes Recht anzuwenden ist.“

 

D. Fazit

Merken sollte man sich, dass der räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe die äußere sachliche Grundlage für das gemeinsame Ehe- und Familienleben bildet, zu der in erster Linie die Ehe- und Familienwohnung gehört. Dem betroffenen Ehegatten steht gegen Störungen dieses Bereichs ein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch zu, so dass der Dritte beispielsweise die Ehewohnung verlassen muss.